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Falkenstein, Adam 

Geb. 17.9.1906 in Planegg bei München, gest. 15.10.1966 in Heidelberg.

 

F. studierte Orientalistik in Leipzig, wo er 1931 mit »Die Haupttypen der sumerischen Beschwörung, literarisch untersucht« promovierte.[1] Das Profil seiner späteren Arbeiten ist hier schon deutlich: die Analyse der spezifischen sprachlichen Situation im babylonischen Reich, in dem das Sumerische als kultische Sprache weiterhin praktiziert wurde, was Lern- und Lesehilfen erforderte, die er für die Rekonstruktion des Babylonischen systematisch nutzt, in diesem Fall akkadische interlineare Glossierungen sumerischer Texte. Editorische und im engeren Sinne sprachliche Analysen haben in diesem Sinne eher instrumentelle Funktionen für die Beantwortung kulturwissenschaftlicher Fragestellungen im weiteren Sinne, hier denen einer spezifischen Textgattung.

1933 habilitierte er in München, ging 1937 nach Berlin und 1940 nach Göttingen, wo er beamteter a.o. Professor war. Obwohl er auf seinem Gebiet früh eine Autorität war, konnte er zunächst keine Karriere machen, nachdem er in München wegen seiner Kritik am Nationalsozialismus denunziert worden war. Dadurch erhielt er auch keine Genehmigung für die weitere Beteiligung an Ausgrabungen.[2] 1940 trat er in die NSDAP ein und wurde im gleichen Jahr auf eine a.o. Professur für Assyriologie und Arabistik in Göttingen berufen. Seit 1942 leistete er den Kriegsdienst in der Türkei, formal der Deutschen Botschaft in Ankara zugeordnet, mit geheimdienstlichen Aktivitäten im Iraq, um diesen für den Krieg auf Seiten des Deutschen Reichs zu mobilisieren. 1944-1945 wurde er in der Türkei interniert. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland kam er zunächst in ein Lager, bis er 1946 seine Stelle in Göttingen wieder wahrnehmen konnte. 1949 erhielt er die ordentliche Professur für semitische Philologie in Heidelberg.

1929-1931 hatte F. mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft an den Ausgrabungen in Uruk (heute: Erech/Warka im südlichen Iraq) teilgenommen, bei denen er neben eigenen Grabungsaktivitäten die Inventarisierung und erste Auswertung der schriftlichen Zeugnisse als Aufgabe hatte.[3] Deren Edition war zunächst auch seine Aufgabe: »Archaische Texte aus Uruk«.[4] Dort findet sich auch eine ausführliche paläographische Einleitung, insbesondere auch zu den Schreibtechniken der Keilschriftüberlieferung, die Anhaltspunkte für die Datierung der Tafeln geben. Dazu gehört eine Analyse zur Entwicklung der Schrift, ihrer »Phonetisierung« als Silbenschrift (S. 32-36). Eine sprachwissenschaftliche Auswertung in engerem Sinne liefert ein Folgeband »Topographie von Uruk. 1. Teil«.[5] Bei diesen Arbeiten lehnte er sich eng an Landsberger an, dem er auch in dem Druck von 1936 noch dankte und dem er in seiner späteren Grammatik den 2. Band (1950) widmete. Unklar ist für mich, was sich hinter der Datierung der Publikation von 1936 in Warka verbirgt, die vermutlich einen Hinweis auf einen damaligen Forschungsaufenthalt in Mesopotamien impliziert.

Ein weiterer analoger Überlieferungsstrang ergab sich aus den Funden in Boğazköy, wo sich sumerisch-akkadisch-hethitische Trilinguen fanden. In München hatte er dazu gemeinsam mit F. Sommer gearbeitet, mit dem er dazu wohl auch gemeinsame Lehrveranstaltungen durchführte. Daraus ist eine gemeinsame Publikation hervorgegangen: »Die hethitisch-akkadische Bilingue des Hattušili I. (Labarna II.)«;[6] vgl. auch seine »Sumerische Beschwörungen aus Boğazköy«,[7] wieder mit Rückgriff auf babylonische Dubletten. Die Beziehungen zu Landsberger blieben auch später bestehen, vor allem nach dem Krieg, als dieser bei dem Chicagoer Wörterbuch-Unternehmen zum Akkadischen arbeitete, bei dem F. als externer Mitarbeiter »unter Vertrag« genommen wurde (zu diesem Unternehmen s. Kap. 3.2.1 der Auswertung).

Nach dem Krieg bemühte er sich um die Koordination dieses Unternehmens mit dem parallelen deutschen Vorhaben, ein akkadisches Großwörterbuch (in Fortführung des älteren Unternehmens von B. Meissner) zu erstellen. Dessen Leitung hatte W. von Soden, mit dem F. eng zusammenarbeitete.[8] Gemeinsam mit von Soden redigierte er auch ein Werk für ein breiteres Publikum mit Übersetzungen aus den babylonischen Texten: »Sumerische und akkadische Hymnen und Gebete«.[9] Ansonsten sind seine späteren Arbeiten durch ausgesprochen sprachwissenschaftliche Analysen bestimmt, so schon seine Aufsatzreihe »Untersuchungen zur sumerischen Grammatik«,[10] die er gleich nach dem Krieg mit einer monographischen Darstellung einer spezifischen Überlieferung des Sumerischen fortsetzte: »Grammatik der Sprache Gudeas von Lagaš«.[11] In Bd. 2 betont er dort die besonderen Probleme der textgebundenen Überlieferung, bei der sich zeigt, daß die den Darstellungen der sumerischen Grammatik überwiegend zugrunde gelegten »Wirtschaftstexte« bestimmte syntaktische Muster (und die darin genutzten morphologischen Strukturen) nicht oder nur sehr eingeschränkt zeigen. Nach 1945 wurde er sofort zu einer der großen Autoritäten des Faches, wie es insbesondere auch die ihm gewidmete Festschrift deutlich macht, vor allem aber auch die von ihm herausgegebene »Denkschrift zur Lage der Orientalistik«.[12]

In diesem Katalog repräsentiert F. die untere Schwelle der Disziplinierung. Seine Biographie nach 1933 zeigt beispielhaft, wie aus einer offensichtlich zunächst kritischen Einstellung gegenüber dem Regime ein Sich-Arrangieren mit den Verhältnissen werden konnte, das dann zu einer erfolgreichen Karriere führte. Als Verfolgter ist F. nicht zu bezeichnen.

Q: Kürschner; DBE 2005; D. O. Edzard (Hg.), »Heidelberger Studien zum alten Orient«,[13] (als FS geplant, aber als Gedenkschrift erschienen), dort eine Bibliographie; Heiber Bd. I; Nachrufe von E. Weidner in: Arch. f. Orientf. 22/1968/1969: 207-208; D. O. Edzard in:  Zeitschrift für Assyriologie und vorderasiatische Archäologie 59 (NF 25)/1969: 1-10; Ellinger 2006.



[1] Gedruckt Leipzig: Hinrich 1931.

[2] Siehe Heiber 1991: 284. Darauf geht auch sein Wechsel nach Berlin zurück (formal eine Umhabilitation), s. den Nachruf Edzard (Q).

[3] S. E. Heinrich, »Sechster vorläufiger Bericht über die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft in Uruk/Warka unternommenen Ausgrabungen«, in: Preuß. AdW. Phil. Hist. Kl. Jg. 1935, Abh. 2; darin von F.: »Bemerkungen zu den gefundenen schriftlichen Urkunden«, S. 37-38.

[4] Leipzig: Harrassowitz 1936.

[5] Leipzig: Harrassowitz 1941.

[6] München: Beck 1938 = Abh. Bayer. AdW. Phil. Hist. Abt. NF 16.

[7] In: Z. f. Assyriologie und vorderasiatische Archäologie NF 11/1939: 8-41 (mit Tafeln).

[8] Das Werk wurde 1981 abgeschlossen. Bd. 1 (A-L) wurde 1965 fertig, Bd. 2 (M-S) 1972, Bd. 3 (S-Z) 1981. (W. von Soden, »Akkadisches Handwörterbuch«, Wiesbaden: Harrassowitz).

[9] Zürich: Artemis 1953.

[10] In: Z. f. Assyriologie und vorderasiatische Archäologie NF 11/1939: 169-194; NF 13/1942: 181-223; NF 19/1959: 98-105.

[11] 2 Bde., Rom: Pontificum Institutum Biblicum 1949-1950 (= Analecta Orientalia 28-29).

[12] Wiesbaden: Steiner 1963.

[13] Wiesbaden: Harrassowitz 1967.

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