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Fritz, Kurt von 

Geb. 25.8.1900 in Metz, gest. 16.7.1985 in Feldafing/Kr. Starnberg.

 

Der Vater war preussi­scher Be­rufsoffizier, der den Sohn eben­falls für eine Offi­zierslaufbahn vorgese­hen hatte, die F. 1911-1914 in die Ka­dettenausbildung führte. Aus ge­sundheitlichen Gründen gab F. diese Karriere auf. 1918 machte er in Freiburg das Abitur, mit einer na­turwissenschaftlichen Ausrich­tung. Um seinem Inter­esse für Grie­chisch im Studium nachzugehen, mußte er 1919 noch eine Ergänzungs­prüfung machen. Er stu­dierte dann Klass. Philologie, Philoso­phie, Arabi­stik und Mathematik in Freiburg/Br. und Mün­chen. 1923 Promo­tion, danach Hauslehrer und im Schul­dienst; später für die Vorbe­reitung der Habili­tation beur­laubt. 1927 Habilitation in München (aufgrund feh­lender materiel­ler Unterstützung als Werkstu­dent). Seit 1931 war er Assistent an der Universität Ham­burg. 1933 a.o. Profes­sor für Griechisch in Rostock (nachdem dort Her­mann Fraenkel aus rassistischen Gründen nicht be­rufen worden war).

Im August 1934 verweigerte er den Treue­eid auf Adolf Hitler. Da er sich dar­auf berief, daß er als Pro­fessor auf die Wahr­heit verpflichtet sei und da­her nicht auf »die bedingungs­lose Vertre­tung bestimmt formulierter Lehren« verpflichtet wer­den könne, sah das Reichs­erziehungsministerium keine disziplinar­rechtliche Handhabe gegen ihn. Dar­auf verfügte der Gauleiter direkt seine Verset­zung in den Ruhestand mit auf ein Drittel ge­kürzten Bezügen.[1]

F. zog zur Familie seiner Frau nach Starn­berg, wurde aber auch in sei­ner Privatgelehrtentätigkeit zuneh­mend behindert (u.a. Ver­bot der Bi­bliotheksbenutzung). Er bemühte sich vergeblich, wieder auf eine Hochschullehrerstelle zu kommen (u.a. in Dorpat und in Wien) und emi­grierte schließlich 1936 nach England, wo er zunächst ein Stipen­dium, dann einen Lehrauftrag in Oxford für Ge­schichte der Mathematik erhielt (durch die Un­terstützung durch Eduard Fraenkel). Im selben Jahr emi­grierte er weiter in die USA, wo er zunächst ver­schiedene »Gastprofessuren« (faktisch: Assisten­tenstellen), 1937 dann eine Professur an der Colum­bia Univ. in New York er­hielt, zeit­weise in Verbindung mit der New School for So­cial Research. 1954 remi­grierte er: zunächst als Professor an der Freien Univ. Berlin (wohin er schon vorher sporadisch aus Gründen der »Reedukation« von den USA geschickt worden war), seit 1958 o. Profes­sor an der Univ. Mün­chen.

Sein Werk ist sehr breit gespannt: von allge­mein kultur- und geistesge­schichtlichen Arbei­ten zur An­tike über die Ge­schichte der Mathema­tik bis zur Phi­losophie (mit de­taillierten Untersuchun­gen vor al­lem zu Platon, insbes. auch zu Platons »ungeschriebener« Lehre). Ent­sprechend sei­ner frühen Studienmotivation waren am Anfang die lo­gisch-wissenschaft­lichen Ar­beitsgebiete domi­nant, in den USA kamen staats­rechtliche und historiographische Ar­beiten hinzu (jetzt auch auf das Lateinische ausge­dehnt), seit der Rück­kehr nach Deutschland zunehmend auch literatur­wissenschaftliche- bzw. literaturge­schichtliche.

In diesem Horizont unternahm er detail­lierte sprachliche Untersu­chungen und si­cherte die Inter­pretation durch ge­naue etymolo­gische und kon­textuelle Analysen, so schon in seiner Disser­tation »Quellenuntersuchungen zu Leben und Phi­losophie des Dio­genes von Si­nope«,[2] die eine akribische Quel­lenkritik der komplexen frag­mentarischen Überliefe­rung die­ses »Zynikers« lei­stete. Damit steht seine Ar­beit gegen die in der Philosophie gängigen anachro­nistischen Interpre­tationsschemata; im Vorder­grund stand für ihn die Be­schäftigung mit ma­thematisch-naturphilo­sophischen Arbei­ten bzw. Autoren, wie ins­bes. Platon, Aristoteles, Ze­non, De­mokrit, bei denen er die Argumentation auch for­mal vor dem Hintergrund neuerer mathe­matisch-geometri­scher Theorien ent­wickelte, s. zusam­menfassend seine »Schriften zur griechi­schen Lo­gik. Bd. 1 Logik und Erkenntnistheo­rie«.[3]

Die wortgeschichtlichen Untersuchungen kontrol­lierte er systema­tisch am Wortfeld – sowohl im Kontext des jewei­ligen Werkes wie synchron im Horizont der Überliefe­rung. In sei­nem frühen Buch »Philosophie und sprach­licher Ausdruck bei Demo­krit, Plato und Aristo­teles«[4] skizzierte er das Projekt ei­ner umfassenden Untersu­chung zu Sprachform und Denkform bei den grie­chischen Autoren, wobei er die ver­schiedenen philosophi­schen Typen unter­schiedlichen sprachli­chen Strukturen zuordnet (er spricht von der Rekonstruk­tion der »Arbeit am sprachlichen Ausdrucke«, S. 92). So unter­sucht er insbes. das Verhältnis terminologi­scher Neubildun­gen zum nicht-fachsprachlichen Vokabular, »volksetymologisierende« Einbindun­gen der philosophi­schen Artikulation in die Alltagsspra­che (so bei De­mokrit, z.B. S. 25) gegenüber einer rein technischen Ausgestaltung eines terminologischen Sy­stems (wie bei Aristote­les). Dieses Pro­jekt stand offensicht­lich in en­ger Verbindung zu Weisgerbers Spra­chinhaltsforschung – Weisgerber hatte die Ausar­beitung wohl auch an­geregt und für Wörter und Sachen vorgesehen, wie die explizit »freundschaftlich« und "kollegial« formulierten Vorbe­merkungen an dessen Adresse im New Yorker Exil zei­gen.[5] Es scheint, daß er diese Frage­stellung in seinen späteren Ar­beiten nicht mehr explizit, jeden­falls nicht syste­matisch weiterverfolgt hat.

Politisch war er konser­vativ geprägt durch das Elternhaus, wofür auch seine freund­schaftliche Beziehung zu Weis­gerber spricht (mit dem ihn wohl auch die ge­meinsame Her­kunft aus Metz verband).[6] Da­für, daß seine Protestgeste von 1934 aber nicht nur kon­servativ zu deuten ist, spricht sein späteres politi­sches Engagement, so z.B. sein öffentli­ches Eintreten für den Kampf gegen die Notstandsge­setze (1965).[7] So sehr er sich in den USA auch wohlge­fühlt hat, so offen­siv hat er auch die Ausein­andersetzung mit der US-Kultur betrie­ben, z.B. als er wegen sei­nes »europäisch-kompli­zierten« Sprach­stils kri­tisiert wurde und diesen bzw. die Topoi der »Verständlichkeit« offen mit sei­nen Studenten bearbei­tete (auch ein Indiz für seine Zugehörigkeit zur Sprach­forschung!).

Q: LdS: temporary; BHE; DBE 2005; Autobiographisches im IfZ; Gedenk­schrift »In Me­moriam Kurt von Fritz 1900-1985« (München: Insti­tut für Klassische Philologie 1986), dort Nachruf von W. Ludwig, S. 3-18, so­wie Bibliographie.

 



[1] Ausführlich zum Verlauf dieses Konfliktes jetzt S. Müller: »Der nicht geleistete Eid des Rostocker Griechischprofessors Kurt von Fritz auf Adolf Hitler – ›preußisch-starre Haltung‹ oder staatsbürgerliche Verantwortung von Wissenschaft?«, in: Mitt. aus Mecklenburg-Vorpommern 9 (H. 2)/2005: 67-77; vorher schon Heidorn u.a. 1969, Bd. I: 265-266.

[2] Leipzig: Dieterich 1926.

[3] Stuttgart: Frommann-Holzboog 1978.

[4] Zuerst New York 1938, Repr. Darm­stadt: Wiss. Buchges. 1963.

[5] Die Ablehnung der Veröffentlichung in WuS aus poli­tischen Gründen exe­kutierte dem­nach der Her­ausgeber Gün­tert.

[6] F. kannte Weisgerber schon aus Rostock, wo dieser im übrigen auch in der Berufungskommission war, die F. nach dort geholt hatte.

[7] S. Heidorn u.a. 1969, Bd. I: 266 und auch Müller 2005 (s.o.), der auch von späteren Konflikten in Auseinandersetzungen mit der Studentenbewegung 1968ff. berichtet (Müller 2005: S. 73, FN 53).

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