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Matouš, Lubor

Geb. 7.11.1908 in Náchod (Böhmen), gest. 2.4.1984 in Prag.

 

Obwohl M. čechischer Staatsbürger war, der auch in der ČSR seine berufliche Laufbahn absolvierte und dort auf čechisch publizierte, ist er hier wegen seiner frühen Ausrichtung auf die deutsche Orientalistik und seiner Tätigkeit und Verfolgung in Deutschland aufgenommen: auch später publizierte er noch in großem Umfang auf deutsch. Bestimmend war für ihn die Beziehung zu Landsberger, den er schon als Schüler, der entschlossen war, später Alt-Orientalistik zu studieren, kennenlernte.

Nach dem Abitur 1926 in Náchod begann M. ein Studium der Altorientalistik zunächst in Prag bei Hrozný,[1] ging 1927 aber nach Berlin, um bei Landsberger das Studium fortzusetzen. Zur Promotion (wieder bei Hrozný) kehrte er 1930 nach Prag zurück; ging aber im Anschluß daran wieder nach Berlin, wo er über Keilschrifttafeln der babylonischen Zeit arbeitete und zeitweise am Berliner Museum angestellt war. 1933 wurde er von einer Horde SA-Männer aus rassistischen Gründen zusammengeschlagen, woraufhin er nach Prag zurückging, wo er bis 1938 Angestellter der Universitätsbibliothek war. Vor der Besetzung der Čechoslowakei floh M. 1939 in die Türkei, wo er zunächst mit einem Forschungsstipendium tätig war, in Zusammenarbeit mit Landsberger.

Bei Kriegsbeginn trat er in die čechoslowakische Auslandsarmee ein und wurde bei den Kämpfen um Dünkirchen schwer verwundet. 1946 kehrte er nach Prag zurück, wo er bei Hrozný eine Assistentenstelle erhielt. 1952 habilitierte er sich dort für Sumerologie und Assyriologie. Seit 1953 (nach Hroznýs Emeritierung) vertrat er die Professur. Von 1955 bis 1973 war er ordentlicher Professor für Assyriologie, von 1953-1973 gab er das Archiv Orientální heraus, von 1954 bis 1971 leitete er in Prag die semitistische Arbeitsgemeinschaft (»Cercle«).

M. bearbeitete akkadische Texte, später vor allem aus der Prager Sammlung von Hrozný. Zu dem ersten Band von dessen Edition der Texte aus Kültepe (1952) steuerte M. schon die Indizes bei, den Folgeband edierte er selbst (»Inscriptions Cunéiformes du Kultépé«, Bd. II),[2] mit ausführlichen sprachlichen und kulturgeschichtlichen Erläuterungen, ergänzt um Texte, die in Istanbul deponiert sind, an denen er dort schon vor dem Krieg gearbeitet hatte, fortgesetzt bei Aufenthalten dort 1957 und 1959. Bei der Auswertung schließt er ausdrücklich an parallele Arbeiten von J. Lewy an. Eine Detailstudie widmete er Güterbock in dessen Festschrift 1983: »Ein aA Vertrag über gemeinsame Haushaltsführung aus der Zeit der Kültepe-Schicht Ib*«.[3] Eine weitere Edition »Kappadokische Keilschrifttafeln mit Siegeln«[4] erschien noch postum. Diese anatolischen Funde einer babylonischen Kolonie sind vor allem für alltagsnahe Fragen des Geschäftsverkehrs und rechtsförmiger Konfliktregelungen aufschlußreich, die er in seinen Kommentierungen herausstellte und denen er in einer Reihe von eigenen Studien nachging. M.s Rang in der Altsemitistik wird an der ihm übertragenen Neubearbeitung der Standardgrammatik von Ungnad deutlich: »Grammatik des Akkadischen«.[5] Daneben arbeitete er auch zum Sumerischen, vor allem zum Gilgamešepos.

 

Direkt sprachwissenschaftlich sind seine semitistisch-vergleichenden Arbeiten, z.B. »Zum sogenannten inneren Plural im Arabischen«,[6] wo er in vergleichender Perspektive die kritischen Probleme der Pluralbildungen im Arabischen behandelt, mit ausgreifenden Parallelen bis hin in die »hamitischen« Sprachen im afro-asiatischen Phylum. Strikt unterscheidet er die lexikalischen Differenzierungen und die dabei genutzten morphologischen Muster, deren Grammatikalisierung für ihn sekundär ist, gegenüber den alten Klassenbildungen im Lexikon. Insofern unterscheidet er sekundäre Differenzierungen mit morphologischen Mitteln, z.B. die Polarität mit Suffixbildungen auf ‑at zur Markierung von Genus, Numerus u.a., von der Festlegung bestimmter Stammbildungsmuster, die voraussetzt, daß diese Muster systematisch in Wortbildungsparadigmen genutzt werden (also mit der vorausgesetzten Differenzierung von nominalen gegenüber verbalen Formen).

Q: Hanisch 2001: 57; B. Hruška/G. Komoróczy (Hgg.), »Festschrift L. M.«, 2 Bde., Budapest: Eötvös Loránd Tudományegyetem 1978 (mit Bibliographie, Bd. 1: 11-28).



[1] Bedřich Hrozný (1879-1952) hatte von 1919 bis 1952 die altorientalistische Professur in Prag. Auf ihn geht die Identifizierung der hethitischen Inschriften (nach den Grabungen in Boğasköy) als Dokumente einer indoeuropäischen Sprache zurück (zuerst publiziert 1915). 1925 leitete er selbst eine Ausgrabung in Kültepe (bei Kaiseri, Türkei), wo er reichhaltige alt-assyrische Tafelfunde machte, mit deren Bearbeitung er sich seitdem befaßte.

[2] Prag: Éditions de l’Académie Tchécoslovaque des Sciences 1962.

[3] Hg. von H. Hoffner, »Kaniššuwar. A tribute to H. Güterbock on his 75th birthday«, Chicago: Oriental Institute 1983: 141-146.

[4] Prag: Karlsuniversität 1984.

[5] München: Beck, 4. Aufl. 1964, 5. Aufl. 1969 (und spätere Nachdrucke). Erste Auflage als »Babylonisch-assyrische Grammatik«, München: Beck 1906. Im heutigen semitistischen Sprachgebrauch wird babylonisch und assyrisch nur für die späteren Phasen des Akkadischen verwendet, dieses dagegen als umfassender Terminus für diese Form des Nord-Ost-Semitischen.

[6] In: Archiv orientalni 24/1956: 626-630.