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Rosenthal, Franz

Geb. 31.8.1914 in Berlin, gest. 8.4.2003 in Branford/Conn.

 

R. promovierte 1935 in Berlin mit: »Die Sprache der palmyrenischen Inschriften und ihre Stellung innerhalb des Aramäischen«.[1] Seit seiner Dissertation war das Aramäische eines seiner Hauptarbeitsgebiete. 1936 emigrierte er vor der rassistischen Verfolgung nach Italien und unterrichtete als Lehrer in einem Landschulheim für Emi­grantenkinder in Florenz (s. Kahane). Er kehrte zunächst wieder nach Deutschland zurück und war 1937/1938 Lehrer für semitische Sprachen an der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums in Berlin.

Bereits in dieser Zeit war er international als Autorität auf dem Gebiet des Aramäischen etabliert, wie sein Forschungsbericht »Die aramaistische Forschung seit Th. Nöldeke’s Veröffentlichungen«[2] zeigt, für den er auf dem Orientalistenkongreß 1935 in Rom den Auftrag erhalten hatte und den er auf dem Kongreß 1938 in Basel vorlegte. Gegenüber den älteren, rein philologisch ausgerichteten Arbeiten sieht er eine neue Phase mit dem Ausgangspunkt bei den derzeit noch gesprochenen neuaramäischen Varietäten, wobei er insbesondere auf Reich (Rice) verweist.

1938 emigrierte er auf eine Einladung hin zunächst nach Schweden, dann weiter nach Großbritannien. Dort arbeitete er mit anderen semitistischen Emigranten am Warburg-Institut zusammen, u.a. mit R. Walzer&, mit dem er gemeinsam einen pseudo-platonischen Traktat herausgab, der außer in arabischen und hebräischen Handschriften auch in lateinischen überliefert ist (»Alfarabius« [d.h. al-Fārābî]).[3] 1940 emigrierte er weiter in die USA, wo er zunächst an der jüdischen theologischen Hochschule in Cincinnati, Ohio, in der Judaistik lehrte. 1943 wurde er eingebürgert und leistete bis 1946 seinen Kriegsdienst ab, zunächst als Koch, dann bei der OSS. Danach Fortsetzung der Studien, zunehmend mit arabistischem bzw. islamkundlichem Schwerpunkt. 1948-1956 Professur für Arabisch an der Univ. Pennsylvania, seit 1956 in Yale mit erweiterter Venia für Semitistik/Sprachen des vorderen Orients, bis zur Emeritierung 1985.

R. betrieb die Orientalistik in der ganzen Breite des philolo­gischen Faches: seine vergleichenden Untersuchungen schlagen sich nicht zuletzt in den Arbeiten seiner Schüler nieder.[4] Formbezogene Fragen haben bei R. einen deutlich instrumentellen Charakter; in seinen Handbüchern nehmen sie einen relativ geringen Raum ein: im Vordergrund stehen die Texte und ggf. der Wortschatz, so in »An Aramaic Handbook«,[5] in zwei Bänden (4 Teile), jeweils mit einer Textanthologie und einem ausführlichen Glossar: »A Grammar of biblical Aramaic«.[6] Dabei ist die Grammatik sprachvergleichend ausgerichtet und rekonstruiert den kulturellen Einfluß dieser Sprache, die, anders als das Hebräische, kontinuierlich weiter praktiziert wurde und insofern Spuren kultureller Einflüsse aus Kontaktsprachen aufweist. Dafür hatte er sich der Kooperation mit Spezialisten aus den Nachbarwissenschaften versichert, so für die frühe Phase der Keilschriftüberlieferung mit Goetze, für das Iranische mit Henning.

Sein außerordentlich umfangreiches Werk gilt der Kulturgeschichte mit dem Schwerpunkt bei der Wissenschaftsgeschichte. Hier hat er eine Fülle von Editionen im Feld der Philosophie, Medizin, Astronomie, Musik sowie der Historiographie (Personalgeschichte, insbes. auch die Edition von Autobiographien) vorgelegt, die kulturelle Rezeptionszusammenhänge erschließen, insbesondere das Verhältnis der antiken griechischen Wissenschaft zur arabischen Rezeption und Bearbeitung. Grundlage für seine vielfältigen editorischen Arbeiten sind umfangreiche auch kodikologische Studien zu den Überlieferungsverhältnissen der Manuskripte. Dieses Feld erschloß er auch durch eine ausgedehnte Übersetzungsarbeit, etwa der Werke von Ibn Khaldun.[7]

Die Rolle jüdischer Autoren im (frühen) muslimischen Kulturraum steht dabei häufig im Vordergrund – wohl auch als positives Gegenbild symbiotischer und daher produktiver Gesellschaftsverhältnisse zu der persönlich erfahrenen Ausgrenzung. Wie sehr ihm diese Positionierung für seine eigene Praxis gelungen ist, zeigt die Tatsache, daß einige seiner islamkundlichen Arbeiten ins Arabische übersetzt worden sind.

Q: LdS: unplaced; BHE; Hanisch 2001; E/J 2006; Ellinger. Nachrufe: D. R. Reismann, in: Aleph 3/2003: 329-342; V. Volland, in: Aufbau v. 1.5.2003: 21; Yale Bulletin & Calender 31 (26) v. 18.4.2003 und Yale News 15.4.2003 (http://news.yale.edu/2003/04/15/memoriam-franz-rosenthal-87); B. R. Foster, in: Arch. f. Orientf. 50/2003/2004: 513-514. D. Gutas, in: Proc. Amer. Philos. Soc 149/2005: 441-446.



[1] Leipzig: Pries 1935 (Teildruck), Leipzig: Hinrichs 1936.

[2] Leiden: Brill 1939. Dieser Arbeit wurde damals der Lidzbarski-Preis zuerkannt. Das Preisgeld wurde ihm aber nach einer politischen Intervention als einem Juden nicht ausgezahlt. Der Lidzbarski-Preis wurde aus den Mitteln einer Stiftung des Semitisten Mark Lidzbarski (1869 - 1928) von einem international zusammengesetzten Komitee verliehen. Die Verwaltung der Stiftung lag beim Preußischen Kultusministerium.

[3] London: Warburg Institute 1943, als Bd. II der von R. Walzer hg. arabischen platonischen Schriften »Plato arabus«.

[4] Etwa bei St. A. Kaufmann, »The Akkadian Influence on Aramaic«, Chicago: Univ. Press 1964.

[5] Wiesbaden: Harrassowitz 1967.

[6] Wiesbaden: Harrassowitz 1974.

[7] So seine Übersetzung von dessen großer »Einleitung« in seine soziologische: [Ibn Khaldun] »The Muqaddimah: An introduction to history«, Princeton, NJ : Princeton Univ. Press 1967 (eine gekürzte Ausgabe, hg. von N. J. Dawood, erscheint dort seit 1989).