Bonheim, Helmut
1938 mit den Eltern vor der rassistischen Verfolgung in die USA emigriert. Studium in New York (1951 B.A., 1952 M.A.); 1956-1958 in Wien; 1959 Promotion an der University of Washington, Seattle. Lehrtätigkeit in der Anglistik an der Univ. of California in Santa Barbara seit 1958. 1963-1965 Gastprofessur für englische Literatur an der Univ. München. Seit 1965 o. Prof. für englische und amerikanische Philologie an der Universität Köln; 1995 emeritiert.
B. vertrat das Fach im breiten philologischen Sinne und hatte dabei einen deutlichen literaturwissenschaftlichen Schwerpunkt, s. etwa sein Studienbuch »The King Lear Perplex«,[1] das mit einer Anthologie kritischer Texte und einer systematischen Bibliographie zum King Lear eine Einführung in die literaturwissenschaftliche Methode gibt, die (sehr europäisch!) die fachwissenschaftliche Tradition valorisiert. Auch seine sprachanalytischen Arbeiten sind meist an literarische Werke angelehnt, so etwa sein »Lexicon of German in Finnegan's Wake«,[2] das für diesen Teilbereich der sprachlichen Polyphonie bei Joyce ein Arbeitsinstrument liefern will, das einerseits die von Joyce genutzten englisch-deutschen Kontaminationen erschließen hilft, andererseits beliebige lautliche Assoziationen ohne Textbezug ausschalten soll (das Material wird von ihm fortlaufend mit dem Text aufgeführt und kommentiert).
Seine jüngeren Monographien gelten ebenfalls der literaturwissenschaftlichen Methodologie, versuchen aber systematisch neuere sprachwissenschaftliche Entwicklungen nutzbar zu machen (im Umfeld der »Textlinguistik«, bei ihm ist entsprechend oft von »Intertextualität« die Rede). Gegenüber dem anglo-amerikanischen Publikum präsentiert er seinen Ansatz in dem grundlegend intendierten Band »The narrative Modes. Techniques of the Short Story«[3] als »Teutonic« (S. ix), mit dem Fokus auf systematischer Explikation/Modellierung von Textstrukturen, die er hier an einem umfangreichen Corpus auch statistisch verifiziert (an Anfängen und Ausgängen von Kurzgeschichten, Elemente von mündlichem Erzählen, »erlebte Rede«).
Aus einer Reihe von Aufsätzen, in denen er diesen Ansatz in extensiver Auseinandersetzung mit der neueren sprachwissenschaftlichen Literatur seit 1957 entwickelt hat (vom europäischen Strukturalismus bis zu Chomsky), hat er einen ambitionierten literaturtheoretischen Band gemacht: »Literary Systematics«,[4] wo er u.a. die extensive Benutzung von Baumgraphen diskutiert – mit Hinweis auf das parallele »kladistische« Unternehmen von H. Hoenigswald (auch mit der gleichen Emphase auf der biologischen Fundierung dieser Modelle). Biographische Zäsuren spiegeln sich in seiner wissenschaftsgeschichtlichen Einordnung, wenn er die phasenverschobenen nichtsynchronisierten Fachdiskussionen in den USA und Deutschland mit der vom Faschismus 15 Jahre verzögerten Rezeption der anglo-amerikanischen Literaturwissenschaft begründet (vgl. S. 9). An der Univ. Köln war er durchaus in die sprachwissenschaftlichen Diskussionen eingebunden, wie sein Beitrag zur FS für H.J.Seiler zeigt, in dem er mit Anmerkungen zum Gefühlswortschatz im Mittelenglischen auf Parallelen in der sprachhistorischen Analyse mit der ethnographischen Feldforschung verweist.[5]
Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt liegt bei der Fremdsprachendidaktik, wo er Beiträge zur Entwicklung von Testverfahren für die Fremdsprachfertigkeit der Studierenden geliefert hat, die in ihrer systematischen Berücksichtigung der verschiedenen Ebenen (von der Aussprache bis zum literaturgeschichtlichen Wissen) einerseits den Studierenden gegenüber fairer sein sollen als punktuelle Prüfungen, andererseits für die Steuerung der Unterrichtsprogression diagnostisch instruktiver, s. sein entsprechendes Plädoyer in: »Objective Tests in University-Level English«.[6]
Daneben stehen aber auch eine Reihe von hochschulpolitischen und im weiteren Sinne akademische Belange betreffende Publikationen (von Fragen des Aufbaus einer Seminarbibliothek über Auslandsstudien bis zu Fragen des Besoldungsrechts...). Die ihm 1960 gewidmete Festschrift versammelt nur eher literaturwissenschaftlich orientierte Beiträge.
Q: BHE; Festschrift R. M. Nischik (Hg.), »Modes of Narrative«, Würzburg: Königshausen 1990 (mit Bibliographie). Hinweise von Frau Jean B.
[1] San Francisco: Wadsworth 1960.
[2] München: Hueber 1967.
[3] Cambridge: Brewer 1982.
[4] Cambridge: Brewer 1990.
[5] Word invention and the history of affect, in: G.Brettschneider / C.Lehmann (Hgg.), Wege zur Universalienforschung. (FS H.J.Seiler), Tübingen: Narr 1980: 521 – 528 – mit Verweisen auf Seilers Arbeiten zum uto-aztekischen Cahuila.[6] In: R. B. Pynsent (Hg.), »Objektive Texte im Englischunterricht der Schule und Universität«, Frankfurt: Athenäum 1972: 1-13.