Förster, Max Theodor Wilhelm

Geb. 8.3.1869 in Danzig, gest. 10.11.1954 in Wasser­burg/Inn.

 

F. gehört zur ersten Generation der Sprachwis­senschaftler, die noch ihre Ausbildung als Phi­lologen im um­fassenden Sinne er­halten haben: er stu­dierte nach dem Abitur 1888 Germa­nistik, vgl. Sprachwissen­schaft, Kel­tistik und Romanistik in Mün­ster, Bonn und Berlin, wo er 1892 in der Anglistik mit einer philologi­schen Ar­beit zur al­tengl. Überliefe­rung (s.u.) promo­vierte. Nach dem Militärdienst wurde er 1894 Dozent für englische Sprache in Bonn, wo er 1896 über den mittelenglischen Autor B. Burgh habili­tierte. 1897 a.o. Prof. für Angli­stik in Bonn, 1898 in Würz­burg; dort 1902 zum o. Prof. er­nannt. 1909 Halle, 1910 Leipzig, 1925 München.

F. repräsentierte vor 1933 die Alte Abteilung der Angli­stik. Die wissenschaftliche Linie sei­ner Dis­sertation hat er zeit­lebens bei­behalten: in dieser (»Über die Quellen von Aelfrics Homi­liae Catho­licae. I Le­genden«)[1] unternahm er einen minutiösen Textver­gleich der lateini­schen Vor­lagen und ih­rer Umsetzung (eine ausführliche Fas­sung ver­öffentlichte er 1894 in An­glia). Sein Hauptinteresse galt den »Kleinen Texten«, die er philologisch bearbei­tete und edierte. Seine Analyse spannte dabei vom Kodi­kologischen und Paläographi­schen über die sprachli­che Form (insbes. auch Fragen der dialek­talen Einord­nung und der Wortge­schichte) ebenso wie die literarische Form (Metrik u. dgl.) bis zur Kultur­geschichte im weite­sten Sinne, so etwa »Der Vercelli-Codex CXII nebst Abdruck einiger altengli­scher Homi­lien der Hand­schrift«,[2] oder sein entspre­chender An­teil an der monu­mentalen Ausgabe von »The Exe­ter Book of Old English Poetry«.[3]

Ne­ben solchen großen wissen­schaftlichen Editionen bearbei­tete er auch Übungs­texte – für die uni­versitäre Lehre (etwa »Beowulf Mate­rialien zum Gebrauch bei Vorlesungen«),[4] wie auch für den Schul­gebrauch. Ohnehin kümmerte er sich (ausgesprochen untypisch für damalige Ordinarien) intensiv um die Lehrerausbildung; er war nicht nur in der gymnasialen (an der Universität), sondern auch in der Volksschullehrerausbildung tätig.[5] Er deckte systema­tisch die gesamte englische Literaturgeschichte ab, mit einem Schwerpunkt bei Shakespeare (in der für ihn 1929 er­schienen Festschrift[6] überwie­gen denn auch die literaturwissen­schaftlichen Beiträge).

Zu einem besonderen Forschungsgebiet wurde zu­nehmend der Einfluß des Keltischen auf das (Alt-)Englische, das ihn auch zu eigenstän­digen keltologischen Arbei­ten führte. Die wich­tigsten Quellen fand er hier in der Namenkunde, außer in Personennamen vor al­lem in der Toponymie. Eine zusam­menfassende Dar­stellung, gruppiert um die Etymolo­gie/Wortgeschichte von Themse, hatte er 1927 bei der Bayeri­schen Akademie der Wissenschaften vorgetragen – monumental ausge­arbeitet (auf 1951 Seiten) dann gedruckt als »Der Flußname Themse und seine Sippe. Studien zur Angli­sierung kelti­scher Ei­gennamen und zur Lautchronologie des Altbritischen«,[7] wo er überlieferungsge­schichtlich sorg­fältig kontrol­liert ein enormes Belegmaterial zu­sammentrug (allein das Wörter­verzeichnis umfaßt 79 Seiten; einen Teil der ausgewerteten Urkunden edierte er im Anhang) und dialektgeo­graphisch und kulturgeschichtlich (bes. in Hin­blick auf die Sied­lungsgeschichte) analysierte. So akribisch er in diesen Analysen das (junggrammatische) Instru­mentarium der Sprach­wissenschaft auch ins Werk setzte, so we­nig be­schäftigten ihn Me­thodenfragen (abgesehen von der gerade auch auf namenkundlichem Ge­biet ein­geforderten Kontrolle am gesamten Belegmate­rial für ein bestimmtes Problem – statt iso­lierter Wor­tetymologien).

1934 wurde er wegen seiner »nicht-arischen« Ehefrau ge­zwungen, seine vorzeitige Emeritie­rung zu beantra­gen.[8] Daraufhin bekam er mit Unterstützung der Rockefeller Founda­tion eine Gastprofessur in Yale 1934-1936, deren Verlänge­rung ihm aber von deutscher Seite ver­weigert wurde. Ab 1937 wur­den ihm dann auch generell Auslands­reisen nicht mehr geneh­migt (er erhielt wie­derholt Einladun­gen nach England), 1936 figurierte er in den Listen der Notgemein­schaft. Im Reich konnte er weiterhin tätig sein, u.a. an der Bayeri­schen Aka­demie der Wis­senschaften. Sein spezifi­scher Beitrag zur An­glistik, die Aufwer­tung des kelti­schen Elements im (Alt-)Englischen, die er in etymologi­schen Studien (s.o. zur Topo- bzw. Hydronymie), aber auch literaturge­schichtlich herausstellte, war wohl im Rah­men der ideologischen Kriegs­vorbereitung nicht unwill­kommen. So konnte er durchaus sei­nen wis­senschaftlichen Rang in der akademischen Öf­fentlichkeit behaupten und weiterhin veröffent­lichen: 1939 wurde er in den Kölner Anglisti­schen Arbeiten mit ei­nem Schriftenver­zeichnis geehrt[9] und 1941 figuriert er auch in der »gereinigten« Neuaus­gabe des »Kürschner«. In einer Lau­datio zu seinem 75. Ge­burtstag in der li­nientreuen Germ.-Rom. Ms. (s. Q) wurde 1943 im Zeichen des Aufbaus von fünften Ko­lonnen das Inter­esse von F.s Ar­beiten für die Bretonen heraus­gestellt.

Nach Kriegsende wurde er nochmal reaktiviert und lehrte von 1945-1947 wieder an der Universität München.

Q: LdS: unplaced; Haenicke 1979; Wenig 1968; Stammerjohann (W. Bublitz); DBE 2005; Rockefeller Ar­chiv Center; Th. Göh­ler, in: Germ. Rom. Monats­schr. 31/1943: 271-273; W. Cle­mens. Nach­rufe: H. Huscher in: Anglia 73/1955: 1-5; Jb. Bayer. AdW, München 1975: 180-184; Hausmann 2003.



[1] Dissertationsdruck: Berlin 1892.

[2] In: »FS L. Morsbach« (= Stud. z. engl. Ph. 50/1913), Halle/S. Nie­meyer 1913: 20-179.

[3] Hgg. mit R. W. Chambers u. R. Flower, London: Lund and Humphries 1933; F. steuerte insbes. den sprach- sowie kul­turgeschichtlichen Einleitungsteil S. 10-67 bei.

[4] Heidelberg: Winter, 5. Aufl. 1928.

[5] S. Morgenstern 2006: 44-45.

[6] Britannica, Leipzig: Tauchnitz.

[7] München: Beck 1941.

[8] S. Haenicke 1979; zu der dazu in Leipzig angezettelten Diffamierungskampagne, s. Hausmann 2003: 456-457.

[9] H. Schöffler (Hg.), »Bibliographie der wissenschaftlichen Veröf­fentlichungen Max Foersters«, Bochum-Langen­dreer: Pöpping­has 1939. Das Verzeichnis umfaßt mit den Rezensionen 825 Ti­tel – und ist durch spätere Veröffentlichungen noch erheblich zu erweitern!