Freund, Julius
Nach dem Abitur 1889 in Marburg dort Studium der Germanistik, Klassischen Philologie und Philosophie. 1894 absolvierte er dort zuerst das Staatsexamen für das höhere Lehramt, dann die Promotion (formal 1898 abgeschlossen). Seine Dissertation »Huttens Vadiscus und seine Quellen«[1] untersucht die Abhängigkeit von Huttens polemischer Schrift von der mutmaßlichen lateinischen Vorlage seines Humanisten-Freundes Crotus Rubeanus (s. bes. S. 27). In der Hauptsache bewegt sich die Arbeit im Bereich der im Textanalyse (dem Nachweis der tendenziösen Zuspitzung der Polemik durch Hutten), sie enthält aber auch philologische Analysen, etwa zum Wortschatz Huttens (im Rückgang auf das Mittellateinische).
Nach den Prüfungen absolvierte er ein Freiwilligenjahr beim Militär und machte dann sein Referendariat. 1896/1897 vertrat er den deutschen Lektor in Uppsala, 1898-1902 hatte er die Lektorenstelle in Lund inne (wo er auch seine Dissertation veröffentlichte). 1902-1907 war er Dozent für deutsche Sprache und Literatur an der Universität St. Andrews, 1908-1914 in gleicher Funktion an der Universität Sheffield. Vermutlich in Verbindung mit seiner Aufgabe, Deutsch zu unterrichten, analysierte er seine eigene, mundartlich geprägte Aussprache: »The Sounds of West Middle German as spoken at Marburg an der Lahn«,[2] in der er (explizit nach dem Vorbild Wintelers) auch Allegroformen bzw. satzphonetische Erscheinungen (Klitisierungen u. dgl.) artikulatorisch beschreibt.
Während des Weltkriegs 1914 bis 1918 war er in England interniert; 1916 wurde er von seiner Stelle in Sheffield entlassen. 1918 kam er im Rahmen des Gefangenenaustausches wieder nach Deutschland, wo er in Berlin an der Universität als Lektor für Englisch angestellt wurde (seit 1919 mit Professorentitel). Ob seine Emigrationskarriere schon antisemitischen Repressionen geschuldet ist, läßt sich den Unterlagen nicht entnehmen: in seinem Lebenslauf in der Berliner Personalakte ging F. davon aus, daß er die »Anstellungsberechtigung im Staatsdienst« nach dem Referendariat erworben hätte, wenn er damals nicht nach Schweden gegangen wäre.
Im September 1933 wurde er aus rassistischen Gründen entlassen und führte seitdem einen Kampf um die Auszahlung seiner (gekürzten) Bezüge, die ihm offensichtlich seit 1936 nicht mehr gezahlt wurden. Das letzte Schreiben von ihm in seiner Akte datiert vom Juni 1937. Weiteres ließ sich nicht ermitteln. An Publikationen ist noch eine Untersuchung zu Marburger Hausinschriften aus dem Jahre 1891 verzeichnet, die mir nicht zugänglich war.
Q: Archiv der Humboldt-Univ. Berlin; Schottländer 1988.