Schneider, Heinrich
Geb. 30.4.1889 in Offenbach, gest. 3.6.1972 in Kalifornien.
Nach dem Abitur 1908 in Offenbach Studium der Germanistik, Theologie, Philosophie und Geschichte in Tübingen, Leipzig und Gießen. Promotion 1911 in Gießen, 1912 Staatsexamen. Seit 1912 arbeitete er an der Universitätsbibliothek in Gießen, 1914 als Hilfsbibliothekar. Von 1914-1918 leistete er den Kriegsdienst (er wurde schwer verwundet). Nach dem Krieg setzte er seine Bibliothekslaufbahn fort: zunächst in Gießen (neben einem Lehrauftrag im Fachgebiet Geschichte), 1921-1926 in Wolfenbüttel,[1] 1926-1933 in Lübeck. 1933 wurde er aus rassistischen und politischen Gründen (er war Mitglied in der SPD) entlassen und emigrierte nach Bulgarien. 1933-1936 Professur für neuere Sprachen an der Amerikanischen Hochschule in Sofia. 1936 Weitermigration in die USA und Lehrtätigkeit für Germanistik an verschiedenen Universitäten: 1936/1937 Norton, Mass.; 1937-1948 Cornell Univ., Ithaca, N.Y.; seit 1947 in Harvard, von 1948 bis zur Emeritierung 1955 Professur für deutsche Literatur (mit verschiedenen Gastprofessuren an anderen Universitäten). 1943 wurde er US-amerikanischer Staatsbürger.
S. war germanistischer Literaturwissenschaftler mit einem Schwerpunkt bei den von ihm auch religionsgeschichtlich interpretierten Zusammenhängen der Literaturgeschichte, mit einem Schwerpunkt im 17. und 18. Jhd. (seit seiner Wolfenbütteler Zeit insbesondere bei Lessing). Sprachwissenschaftlich ist nur seine Dissertation (»Der Gebrauch des attributiven Beiworts in Schillers und Goethes Versdramen«),[2] an die er in seinen späteren Arbeiten aber nicht mehr anknüpfte. Dort hatte er in enger Anlehnung an Untersuchungen seines Betreuers Behaghel eine statistische Auswertung eines kleineren Textkorpus bei Schiller und Goethe vorgenommen, das den gängigen Topos von der gegenüber Goethe weniger »reichen« Sprache bei Schiller differenziert. Dieser Topos bestätigt sich nur auf der Token-Ebene (bei Goethe 306 auf 1000 Verse, bei Schiller 280), nicht aber auf der Typenebene (bei Goethe zählt S. 770 Typen gegenüber 784 bei Schiller). S. führt diese Bestandsaufnahme unter unterschiedlichen Aspekten weiter (semantische Felder der Attribute, wo Goethe differenzierter ist), Wortbildung (bei Goethe mehr Partizipien) u. dgl., ohne aber über einen deskriptiven Befund hinauszugehen.
Das umfangreiche Literaturverzeichnis mit 414 (allerdings meist kleineren) Veröffentlichungen in Hundhausen (Q) weist außer der Dissertation keinen Titel auf, der auch nur im weiteren Sinne Sprachforschung erwarten ließe.
Q: V; BHE; Sternfeld/Tiedemann 1970; DBE; IGL; Nachruf von G. Ruppelt »Von der Herzoglichen Bibliothek zur Herzog August Bibliothek«, Göttingen: Bautz 1980: 136-139. F. Hundhausen, »H.S. Bibliothekar und Gelehrter«, Wiesbaden: Harrassowitz 1995; dort S. 199-286 ein analytisch aufgeschlüsseltes Literaturverzeichnis.