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Wölfel, Dominik Josef

geb. 25.5.1888 Wien, gest. 27.4.1963 Wien

 

W. konnte wegen der schwierigen materiellen Verhältnisse des Elternhauses keine höhere Schule besuchen. Neben seinen unterschiedlichen beruflichen Tätigkeiten lernte er als Autodidakt intensiv und extensiv Fremdsprachen und wurde daraufhin seit 1916 auch beim Handelsministerium als Übersetzer beschäftigt. Seit 1919 war er Gasthörer der Völkerkunde beim W.Schmidt und Koppers, die ihn dann auch zum Promotionsstudium zuließen; 1927 promovierte er bei ihnen mit einer Dissertation über Trepanation als Bestandteil steinzeitlicher Kulturen.[1] Seitdem war er im Wiener Völkerkundemuseum beschäftigt, zuletzt als Kustos. Den Schwerpunkt seiner Beschäftigung mit der Steinzeit legte er auf die kanarischen Inseln, wohin er von 1930 - 1933 mehrere Forschungsreisen unternahm, bei denen er insbesondere auch das zugängliche sprachliche Material der Altbewohner („Guanchen") in den dortigen Archiven aufnahm. Für dessen systematische Bearbeitung nahm er (vermittelt über Schmidt) Kontakte zu D. Westermann auf, unter dessen Anleitung er sich systematischer in das Berberische einarbeitete, als sprachlicher Horizont für seine kanarischen Studien. Gleichzeitig hatte er Kontakt zu dem Anthropologen (Rassekundler) Eugen Fischer in Berlin (Leiter des dortigen Kaiser Wilhelm Instituts), der seinerseits rassenkundliche Studien auf den kanarischen Inseln betrieb.

W. plante in diesem Rahmen seine Habilitation, die eine vergleichende Ausrichtung im Sinne einer Rekonstruktion des „weißen" Afrika haben sollte (die damals meistens Hamiten genannten Berber bildeten dabei den Kern). Das konkurrierte mit der entsprechenden Forschung beim Ahnenerbe der SS, die allerdings eine zu W. diametral entgegengesetzte „nordische" Grundannahme hatte, während W. davon ausging, daß der europäische Raum nach der Vereisung von Nordafrika aus erst besiedelt worden sei, sodaß die Hamiten auch den ethnischen Kern der später indogermanisierten Urbevölkerung gebildet hätten. [2] Daher verhinderte der zuständige Dekan (und SS-Mann) V. Christian W.s Habilitation. 1939 wurde W. seine Stelle am Wiener Völkerkundemuseum gekündigt, weil er mit einer „Halbjüdin" verheiratet war. W. konnte seine Forschung allerdings mit einem staatlichen Stipendium weiterbetreiben, gestützt von Fischer und Westermann, auch offiziell als Mitarbeiter in einer „Weißafrika-Kommission" der Preußischen AdW in Berlin, für die er eine Reihe der von dieser veröffentlichten Materialien erstellte.

W. suchte offensichtlich eine Möglichkeit auszuwandern, auf der Grundlage seiner wissenschaftlichen und auch politisch angeknüpften Kontakte nach Spanien: schon 1937 hatte er ein bewunderndes Buch zum spanischen Franco-Regime veröffentlicht, das auch im Stil von W.Schmidt antisemitische Passagen enthält. Tatsächlich  erhielt er 1940 einen Ruf auf eine Professur für kanarische Frühgeschichte an die Universität La Laguna (Tenerifa), die er aber nicht antreten konnte, weil ihm die Ausreisegenehmigung verweigert wurde. Nach Kriegende wurde ihm in Wien die Habilitation zuerkannt und er wurde auch wieder auf seine Stelle am Völkerkunde Museum eingestellt.

Sein Hauptwerk sind die Monumenta Linguae Canariae. Die Kanarischen Sprachdenkmäler, die schon vor Kriegsende in Leipzig in Druck gingen, dort aber bei einem Bombenangriff vernichtet wurden, sodaß sie erst postum veröffentlicht wurden.[3] Unabhängig von W.s Bemühen, darin die Zeugen für eine prähistorische mediterrane Urbevölkerung nachzuweisen, die ihn zu weitgespannten etymologischen Ausgriffen bis hin ins Baskische bringt, hat diese materialbezogene Arbeit bis heute ihren Wert behalten, weil W. mit ihr die Sprachreste auf den kanarischen Inseln (Namen, in Chroniken u.dgl. angeführte Äußerungen) umfassend aufbereitet. Soweit er Parallelen in heute gesprochenen berberischen Varietäten anführt, nicht nur im Lexikon, sondern auch im morphologischen Bau und in syntaktischen Grundmustern, liefert der Band nach wie vor eine nützliche Arbeitsbasis, die so auch in der Forschungsdiskussion genutzt wird.[4]


Q: Rohrbacher, Peter, Dominik Josef Wölfel, http://www.afrikanistik.at/pdf/personen/woelfel_dominik_josef.pdf (abgerufen Juli 2014)

 

 



[1] Schädelöffnungen, die bei Steinzeitfunden relativ oft nachzuweisen sind - offensichtlich in einem kultischen Zusammenhang erfolgt, nicht medizinisch-therapeutisch als „Schädeloperationen" zu deuten.

[2] Die „linientreue" Forschungsrichtung vertrat Otto Rössler, der ebenfalls in Wien bei V. Christian studiert hatte, aber als NS-Aktivist nach dem gescheiterten Putsch 1934 zunächst ins Gefängnis gekommen war und dann nach Deutschland floh. Er promovierte 1938 in Berlin mit einer Arbeit zum Akkadischen und arbeitete danach beim „Ahnenerbe" zum Berberischen, insbes. auch zu den kanarischen Sprachresten, über die er 1941 in Tübingen habilitierte, in der er auf den Kanarischen Inseln Menschen der „fälisch-nordischen Rasse" konstatierte („Die ‚Sprache der Kanarier", masch.-schr. Habilitationsschrift, Tübingen 1941, reprod. in: Th.Schneider / O. Kaelin [Hgg.], Otto Rössler: Gesammelte Schriften zur Semitohamitistik, Münster: Ugarit 2001: 92 - 242).

[3] Mit dem Untertitel Eine Studie zur Vor- und Frühgeschichte Weißafrikas. Graz: ADEVA 1965.

[4] Eine detaillierte Kritik an W.s Etymologien, sowohl der berberischen wie erst recht der außerberberischen findet sich in der o.g. Habil.schrift von Rössler (1941), der dort die kanarischen Sprachreste rein innerberberisch zu erklären versucht und dabei auch mit der angenommenen späten Besiedelung der Inseln von einer vom Festland mitgebrachten dialektalen berberischen Dialektdifferenz ausgeht, mit dem Kern beim Targi (der Sprache der Tuareg).