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Loewe, Heinrich Eliakim

geb. 11.07.1869 Groß-Wanzleben, gest. 02.08.1951 Tel Aviv (Israel)

 

L. entstammte einer jüdischen (rabbinischen) Familie in Wanzleben (bei Magdeburg). Studium der  orientalischen Sprachen, Geschichte und Philosophie in Berlin, daneben Judaistik an der dortigen Hochschule für die Wissenschaft des Judentums. Promotion in Geschichte 1894 über einen mittelalterlichen italienischen Geschichtsschreiber. Schon während des Studiums war er journalistisch tätig, dann in einer führenden Rolle in der deutschen zionistischen Bewegung und ihnen Publikationen. Seit 1895 war er mehrfach in Palästina, wo er sich auch politisch engagierte. Seit 1899 war er an der Berliner Universitätsbibliothek tätig, wo er 1915 auch den Professorentitel erhielt. Daneben hat er seit 1919 an der Freien Jüdischen Hochschule in Berlin unterrichtet. 1933 emigrierte er vor der rassistischen Verfolgung nach Palästina, wo er die Leitung der Bibliothek in Tel Aviv übernahm und zugleich auch an der  Nationalbibliothek in Jerusalem tätig war.

Für die Sprachforschung ist er durch seine frühen Arbeiten zu den „jüdischen Sprachen“ einschlägig, die er auch gemeinsam mit seinem Bruder Richard Loewe anging, insbesondere „Die Sprache der Juden“.[1] Auf der Grundlage einer umfangreichen Sichtung der verfügbaren Untersuchungen lieferte er einen historischen Abriß und relativ detaillierte Informationen zu den verschiedenen jüdischen Varietäten – weltweit bis Ostasien und Südamerika. Diese spiegeln für ihn das jüdische Exil (den Galut), wobei das jüdische Unterpfand die neben den regional verschiedenen Umgangssprachen weiterhin praktizierte hebräische Schriftsprache ist, die jüdische Spuren auch in die ansonsten nicht-jüdischen Umgangssprachen eingeschrieben hat (ausführlich diskutiert zum Judendeutschen). Bemerkenswert selbstbewußt stellte er dabei heraus, daß die jüdischen Gemeinschaften, bedingt durch ihre für ihn geradezu definitorische schriftkulturelle Ausrichtung (anders als in ihrer sozialen Umgebung gab / gibt es ihnen keinen Analphabetismus), kulturelle Inseln bilde(te)n, die die gesellschaftliche Entwicklung ihres Umfelds anstießen bzw. mitzogen (so zu Deutschland S. 39). Insofern sind für ihn auch Sprachformen wie das Jiddische jüdisch, solange sie diese schriftkulturelle Verankerung haben – der Bruch setzte für ihn mit der Aufklärung ein, die das Hebräische historisierte und in einen sakralen Raum abspaltete. Die zionistische Renaissance in Palästina war für ihn die Möglichkeit, dem Jüdischen wieder einen nationalen Status zu geben. Relativ genau analysierte er auch damals schon die innerjüdischen Widerstände dagegen (S. 125 ff): auf der einen Seite bei der jüdischen Orthodoxie, die im modernen Ivrit eine Profanierung der sakralen Sprache sah, auf der anderen bei der Mehrheit der Einwanderer aus Rußland, die auf dem Jiddischen als ihrer Sprache, der der russischen Gewerkschaftsbewegung, bestanden (diese Spannung entlud sich später mit der Gründung des Staates Israel, s. hier bei Ch. Rosén).

Q: BHE; Magdeburger Biogr. Lexikon (H.Nowak).


[1] Köln: Jüdischer Verlag 1911. Er widmete das Buch auch seinem Bruder.