Fuchs, Traugott
Geb. 23.6.1906 in Lohr (Elsaß), gest. 21.6.1997 in Istanbul.
1925 Abitur in Schmalkalden, wohin die Familie wohl nach dem Ersten Weltkrieg umgezogen war. Danach Studium der Romanistik, Germanistik und Philosophie in Berlin, Heidelberg, Marburg und Köln; die letzten beiden Stationen vor allem bei Leo Spitzer, bei dem er schließlich in Köln »Hilfsassistent« am Romanischen Seminar war. Nachdem er eine Solidaritätsaktion für Spitzer gestartet hatte,[1] wurde er von nationalsozialistischen Studenten angegriffen und daraufhin entlassen. Im Wintersemester 1933/1934 nahm er eine (vermutlich vorher schon arrangierte) Assistentenstelle in Caen wahr. Zunächst kehrte er wieder nach Köln zurück, wo er aber Probleme mit den überwiegend pro-NS eingestellten Studierenden hatte. Zu Spitzer (bei dem er schon mit einem Promotionsvorhaben begonnen hatte, s.u.) hatte er weiter Kontakt, der ihn daraufhin nach Istanbul holte, wo er an der von Spitzer geleiteten Sprachschule in Istanbul sowohl Französisch wie Deutsch und Englisch unterrichtete (Spitzer nannte ihn in Veröffentlichungen dieser Zeit als Mitarbeiter bei seinen romanistischen Veranstaltungen, vgl. auch Della Terza 1987: 37). Als eine eigene Abteilung für deutsche Sprache und Literatur gegründet wurde, leitete er diese kommissarisch bis 1942 (wohl bis Brinkmann die Professur dort übernahm).[2]
F. hatte in Köln bei Spitzer mit einer Dissertation über den Phraseologismus je ne sais quoi begonnen, an der er wohl auch in der Türkei noch arbeitete, die er aber trotz Spitzers brieflichen Insistierens nicht abschloß – das Manuskript ist schließlich bei einem Wohnungsbrand vernichtet worden. In Verbindung mit seiner Lehrtätigkeit an der deutschen Abteilung (1946 wieder aufgenommen), hat er wohl noch Sprachstudien zum Deutschen ausgearbeitet (offensichtlich in Anknüpfung an Spitzers späteren wortgeschichtlichen Studien, die dieser ihm schickte), die er aber nicht veröffentlichte. Seit 1943 (bis 1971) hatte er eine reguläre Dozentenstelle für Deutsch an dem (damals) US-amerikanischen Robert-College in Bebek (einem Vorort von Istanbul).[3]
1944 weigerte er sich, nach Deutschland zurückzukehren (er war nicht rassistisch verfolgt)[4], und verweigerte auch die Einberufung zum Wehrdienst. Nach der Kriegserklärung der Türkei wurde er wie die meisten anderen Emigranten auch 13 Monate in Anatolien (in Çorum) interniert.
Nach Kriegsende konnte wieder an seiner Schule unterrichten (die seit 1971 als Boğaziçi Universität firmiert), mußte die Stelle aber nach der Turkisierung der Institution aufgeben, blieb aber (mit einer US-amerikanischen Pension und einer Wiedergutmachungsentschädigung aus Deutschland als anerkannter Gegner des NS-Regimes) in der Türkei. 1995 verlieh ihm die Boğaziçi Universität ein Ehrendoktorat.
Neben seiner Schultätigkeit widmete sich F. der Malerei, intensiver seit seiner Internierung in Anatolien, und veranstaltete auch Ausstelllungen (er gab wohl auch in der Türkei einen mir nicht zugänglichen Band mit seinen Bildern und autobiographischen Aufzeichnungen heraus).[5]
F. hatte sich offensichtlich recht problemlos in der Türkei eingelebt: er sprach nicht nur türkisch, sondern dichtete in dieser Sprache sogar (s. Beispiele bei Vialon, Q). Zu seiner heftigen Abgrenzung von Deutschland, wohl nicht nur dem NS-Deutschland, wird vermutlich auch seine offen gelebte Homosexualität beigetragen haben.[6]
Q: Widmann 1973; Golczewski 1988; Neumark 1980; M. Vialon, »T. F. zwischen Exil und Wahlheimat am Bosporus«, in: Stauth/Birtek 2007: 53-129; 279-280; dort auch eine Bibliographie der Arbeiten über T. F.; http://www.fuchsheritage.org/ s. dort die Biographie »T. F. A life history« (http://www.fuchsheritage.org/fileadmin/redaktion/fuchs_life_history.pdf) (Juli 2012); Hinweise von R. Heyd.
[1] S. Golczewski 1988: 106 und Hausmann 1993: 92 für die dramatischen Umstände.
[2] Er war offensichtlich ein erfolgreicher und beliebter Lehrer, s. E. Meyer o.O., o. J.: 53.
[3] Das erklärt die Bezeichnung »Professor« bei Neumark 1980: 92.
[4] In einem Schreiben des Deutschen Generalkonsulats in Istanbul wird er als »Vollarier« bezeichnet, s. Barck in: Dt. Vj.schrift f. Lit.w. u. Geistesgesch. 68/1994: 574.
[5] Einige seiner Zeichnungen sind in der Nummer 23 der Berliner Zeitschrift Trajekte (Jahrgang 12/2011) als Illustrationen genutzt, s. dazu dort den Beitrag von D. Naguschewski, S. 50-51).
[6] Zu seinen letzten Jahren und dem Umgang türkischer Behörden mit dem toten T. F., s. auch K. König, »Zuflucht bei den Türken«, in: Mittelweg 36 (6)/1997: 69-79 und Hillebrecht, Haymatloz.