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Rosén, Haiim Baruch

(früher: Heinz Erich Rosenrauch)

Geb. 4.3.1922 in Wien, gest. 2.10.1999 in Paris.

 

Verheiratet mit Hannah Rosén, mit der er auch gemeinsam publiziert hat (s. bei dieser).[1]

Im September 1938 mußte R. als Jude in Wien das Gymnasium verlassen und emigrierte im Dezember gleichen Jahres illegal nach Palästina (mit Unterstützung jüdischer Hilfs­organisationen). 1939-1943 Studium an der Hebrew Univ. in Jerusalem (1943 mit dem M.A. abgeschlossen). Daneben war er aktiv in studentischen Organi­sationen und von 1942-1949 in der Miliz (Haganah), nach 1948 auch noch in der Armee; gleichzeitig war er 1944-1949 Lehrer für Latein und Hebräisch an Gymnasien in Palä­stina/Israel. 1948 promovierte er an der Hebrew Univ. in Jerusalem mit einer Dissertation über die Sprache Herodots »Eine Laut- und For­menlehre der herodotischen Sprachform«;[2] daraufhin seit 1949 Lehrtätigkeit dort (1963 als Ass. Prof., seit 1968 als o. Prof.). Sein Arbeitsgebiet war zunächst die Klas­sische Philologie, für die er zahlreiche Studientexte auf He­bräisch publizierte (lateinische Grammatik, auch Schulbücher, klassische Texte mit Übersetzung). In Jerusalem war er bei der von Polotsky initiierten Gründung einer Abteilung für Allgemeine Sprachwissenschaft beteiligt, zu deren zentraler Figur er wurde.[3] Wie bei Polotsky versteht sich die Forschung hier in der europäischen (strukturalistischen) Tradition, bestimmt durch das Bemühen um methodische Kontrolle, aber ausgehend von der Textüberlieferung (im größten Teil von R.s Werk auch verbunden mit genauer Textphilologie, bis hin zur paläographischen Untersuchung der Textzeugen). So sieht er sich vor allem der Prager Schule verpflichtet – aber auch der Glossematik.

R. hat gerade auch bei philologischen Kerntexten entsprechende Analysen vorgelegt, z.B. »Strukturalgrammatische Beiträge zum Verständnis Homers«.[4] Methodologische Schwerpunkte hat er in einer großen Zahl von Einzelarbeiten verfolgt, die grammatische und auch philologische Fragen funktional durch die Kontrolle von jeweils größeren (Text-)Zusammenhängen angehen: »Gedanken zur Geschichte des griechischen Satzbaus« (1975),[5] mehrfach zum Verbalsystem, für dessen Analyse er die Textperspektive zugrundelegt (Vordergrund/Hintergrund; redundanzfreie Markierung der Zeitverhältnisse am Kopf längerer Textperioden): »Satzbau und augmentloses historisches Tempus im homerischen Tatsachenbericht« (1975, hier Überlegungen von P. Kiparsky aufnehmend),[6] bis hin zur Phonologie, wo er die altgriechische Prosodie am Beispiel von Homer gegen die spätere schematische (quantifizierende) Metrik der alexandrinischen Philologie rekonstruiert »Some Aspects of Homeric Greek Accent in Indo-European View« (1970).[7] Parallele Arbeiten hat er, z.T. gemeinsam mit seiner Frau, zum Latein vorgelegt, so z.B. in »On some grammatical uses and functional values of the subjunctive«[8] (dem gemeinsamen Lehrer Polotsky gewidmet), zu einem von Polotskys syntaktischen Hauptarbeitsgebieten, der Entwicklung vom Altlateinischen zum klassischen Latein.

Folge der analytischen Beschäftigung mit der Überlieferung war es, daß das Verhältnis von gesprochener Sprache zur Schrift immer präsent war (weshalb R. sich auch als Jerusalemer Vertreter der Prager Schule verstehen konnte, s.o. zu seinem Vortrag 1995, publ. 2005). In der Analyse geht er bis zur Rekonstruktion der Leseauszeichnungen in alten Handschriften (in scriptio continua): der Markierung von Silben und vor allem Wortgrenzen durch diakritische Zeichen, die in den neueren gedruckten Ausgaben durch eine typographische Normierung, die von einer direkten Laut-Buchstaben-Zuordnung ausgeht, unsichtbar gemacht worden ist (»Ein Überrest eines silbenschnittbezeichnenden byzantinischen Akzentuierungssystems« [1976]).[9]

Von dieser analytischen Position aus hat er sich auch an Debatten zu den archaischen medi­terranen Sprachdenkmälern beteiligt, wo er z.B. einem der wichtigsten Zeug­nisse der Etruskologie außerhalb Italiens, der Inschrift der Säule von Lem­nos, eine ingeniöse archaisch-griechische Leseweise gibt, die dia­lektale Besonderheiten (hier in der Nähe von Lesbos) ebenso wie die metrische Form derartiger Votiv-Inschriften benutzt – statt in etruskologischer Manier Unbekanntes mit noch Unbekann­terem zu »er­klären« (gleichzeitig analysiert er die epigraphische Form als spezifisch frühes Dokument für die Adaptierung der semi­tischen Schrift im griechischen Raum), s. »The stele of Lemnos, its text and alphabetic system«.[10] Auch an anderer Stelle befaßte er sich mit der Übernahme der semitischen Schriftsysteme im Griechischen, z.B. »Le transfert des valeurs des charactères alphabétiques et l’explication de quelques habitudes orthographique grecques anciennes« (1984).[11] Vor diesem Hintergrund beteiligte er sich von Anfang an an der De­batte um die griechische Lesung von Linear B.

Mit der gleichen realistischen Skepsis griff er in die indogermanistischen Debatten um eine Prärekonstruktion ein. In enger Saussure-Nachfolge folgt für ihn die Annahme von »Laryngalen« aus strukturellen Gesichtspunkten der internen Rekonstruktion. Insofern operiert er hier mit einer analytischen Variable X (ähnlich den saussureschen Koeffizienten) und beteiligte sich nicht an den Spekulationen über ihre phonetische Interpretation (und damit der Frage danach, wie viele »Laryngale« anzusetzen seien):[12] »Laryngalreflexe und das indogermanische ›schwache‹ Perfektum« (1957),[13] »W als Laryngalreflex im Frühgriechischen« (1958);[14] »Greek Evidence for Laryngeals. A Rejoinder to Prof. Cowgill« (1961).[15] Seine Interventionen konnten auch polemisch werden, wenn die Argumentation für seinen Geschmack ohne hinreichende materielle Bodenhaftung verlief: so bei extremen Spielarten der Laryngaltheorie, der Glottaltheorie, den Prärekonstruktionen der »nostratischen« Theorien u. dgl., s. die ausführliche Besprechung der dadurch bestimmten Festschrift für A. Kern.[16]

Seine eigenen Beiträge zur Indogermanistik (oft auch auf deutsch publiziert) haben immer eine philologische Grundlage, angefangen bei seiner Dissertation (s.o.), s. z.B. seine Studie zu Präfixbildungen bei Verben: »Die Komposita mit co(n)- in funktioneller und vergleichender Sicht«.[17] Methodisch-theoretische Bemühungen standen immer im Vordergrund, wobei er auf operationale Kontrolle setzt: distributionelle Auswertungen, Neutralisierungen von Kontrasten bzw. komplementäre Verteilungen. Auf solche Analysen gestützt, versucht er, das jeweilige (synchron verstandene) Sprachsystem zu extrapolieren – für ihn zugleich auch die Abgrenzung des sprachwissenschaftlichen Geschäfts von philologischen Unternehmungen, die sich auf das Belegte beschränken müssen (»Die Grammatik des Unbelegten, gezeigt an den Nominalkomposita bei Ennius« [1968]).[18]

Für die Syntax hat er in einer langen Reihe von Einzelstudien gewissermaßen die (europäische) Analysetradition im strukturalen Kontext zu retten versucht, ausdrücklich auch im Rückgang auf die antiken Vorgaben der griechischen Grammatik (etwa »Zu Text und Interpretation der grammatischen Abschnitte in Aristoteles’ Poetik und zur Umdeutung und Umformung der Redeeinteilung bis ins orientalische Mittelalter«, 1990).[19] Das bringt ihn dazu, ganz selbstverständlich informationsstrukturelle Gesichtspunkte in die syntaktische Analyse einzubeziehen (»Rhème et non-rhème: entités de langue. Pour une typologie des moyens d’expression formels«, 1987).[20] Der typologische Vergleich war für ihn dabei leitend: neben dem Indoeuropäischen (mit dem Umbau des Systems der alten Sprachen), das Semitische (vor allem Hebräische), Türkische, in späteren Jahren (gestützt auf Arbeiten seiner Schüler) auch ostasiatische Sprachen (vor allem Japanisch). Indem er die Notwendigkeit herausstellt, die (operational zu kontrollierende) Analyse der Form als Grundlage zu nehmen, um zirkulären Argumentationen zu entgehen, entwickelte er ein systematisches Modell der Analyse des Satzbaus und, davon abgeleitet, der eventuellen (sprachbauspezifischen) Differenzierung von Formklassen in einer Sprache; eine kompakte Synopse gibt er in »Die Periphrase«[21] (dort vor allem zu den semitischen Satzbautypen, S. 96-100).

Satzstrukturen bilden für ihn ein Feld, das durch die Äußerungsfunktionen ThemaRhema aufgespannt wird, für das die verschiedenen Sprachen verschiedene formale Ausdrucksmittel grammatisieren können: dazu gehört in den semitischen (und auch älteren ie.) Sprachen die Möglichkeit verbloser Prädikation, während die jüngeren Sprachen zumeist die grammatische Formatierung mit einem obligatorischen (finiten) Verb vorgenommen haben; die lexikalische Zerlegung in Wortarten: altsemitisch mit einer relativ unbestimmten Wortart Verb, mit der sowohl stativ wie dynamisch prädiziert werden kann, während die ie. Sprachen (wie jüngere semitische) dafür eine spezielle Wortart Adjektive ausdifferenzieren. Er verfolgt diese Dynamik des Umbaus insbesondere für das Prädikat, mit der Ausbildung komplexer Prädikate (im Gegensatz zu komplexen Sätzen), mit der zunehmend lexikalisch fixierten Rhematisierung der entsprechenden Formen (Verlust nominaler Markierungen auch beim modifizierten Element, bei R. auxiliatum). In diesen Arbeiten kommt die philologische Basierung bei R. zur Geltung, wenn er diese Analysen immer in einer Textperspektive vornimmt: die Innovation von satzfunktionalen Grammatisierungen im komplexen Prädikat (im auxilians) auf der einen Seite, die rhematisierende (oder auch: derhematisierende) Funktion von Partikeln auf der anderen Seite u. dgl. Dabei kultiviert er einerseits einen synoptischen typologischen Blick, illustriert seine Analysen aber mit Vorliebe am Deutschen, s. bes. »Funktionale Parameter der neuhochdeutschen Satzstellung« (1985).[22]

Wie bei fast allen nach Palästina/Israel ausgewanderten Sprachwissenschaftlern bildete das in Israel gesprochene und geschriebene Hebräisch (Ivrit) einen seiner Arbeitsschwerpunkte. Gegenüber der orthodoxen Auffassung, die mit der Wiederbelebung der bis dahin nur sakral genutzten Sprache eine puristische Sprachpflege ins Werk setzte und das von den Einwanderern gesprochene Ivrit als Sprachverderbung stigmatisierte, setzte er das Programm der empirischen Analyse einer hier neu entstehenden Sprache, die sich der Einwanderung in Palästina/Israel verdankt und nur in den etymologischen Ressourcen auf der einen Seite, im schriftlichen Register auf der anderen Seite auf die hebräische Tradition verwiesen ist. Ivrit war für ihn die Nationalsprache des neuen Staates Israel, womit er gewissermaßen die Politik von Ben Gurion auf sprachanalytischem Feld umsetzte. In zahlreichen hebräisch publizierten Arbeiten hat er diese Position vertreten, breitenwirksam auch in einer Monographie »Unser Hebräisch«.[23] Daraus resultierten heftige Auseinandersetzungen mit orthodoxen Vertretern in Israel, wie Tur-Sinai und Ben-Hajjim, für die Hebräisch die Sprache des Judentums ist, die in der Bibel und der darauf bezogenen rabbinischen Literatur ihre feste Form gefunden hatte, die unter den gegenwärtigen Bedingungen wieder zu reaktivieren ist (also ein pädagogisches Programm mit einer normativen Basis).[24]

Daß Ivrit eine semitische Sprache ist, steht auch für R. nicht infrage – ihr besonderer Status erklärt sich aus dem, was er im Anschluß an Trubetzkoy den europäischen Sprachbund nennt, in den seine Entwicklung einbezogen ist. Das gilt besonders in Hinblick auf die sprachpraktischen Anforderungen einer modernen Gesellschaft, für die die europäischen Schriftsprachen Modelle anboten – nicht aber die biblische Sprachform. Das entsprechende Kapitel von »Unser Hebräisch« über die Struktur komplexer Sätze (»Perioden«) im Ivrit, das in diesem Sinne besonders heftige orthodoxe Kritik auslöste, schrieb Hannah R. Grundsätzlich gilt für R., daß das Ivrit zwar die Tradition des Althebräischen beerbt hat (wie die westeuropäischen Sprachen die des Lateinischen), daß es aber über die soziale Zusammensetzung der Palästina-Immigra­tion eine strukturell westeuropäische Sprache sei (insofern auch eine Abgrenzung zum Arabisch-Palästinensischen, entsprechend den dominanten politischen Konflikten).

Während diese innerisraelische Auseinandersetzung in Hebräisch geführt wurde, dokumentierte R. seine Sicht des Ivrit als einer eigenständigen modernen Sprache auch auf der internationalen Bühne, so z.B. mit einem Sprachkurs, den er anläßlich einer Gastprofessur an der Universität Chicago 1958/1959 redigierte: »A Textbook of Israeli Hebrew«.[25] Wenn er allerdings zu einem jüdischen Publikum in der Diaspora sprach, konnte er auch die Kontinuität betonen und unterstreichen, daß für ihn auch das heute gesprochenen Ivrit eine heilige Sprache sei »L’Hébreu-Israélien« (1958).[26] Zu dieser Frage hat er zahl­reiche Artikel (meist auf Hebräisch) publiziert (auch Überblicks­darstellungen zur historischen Sprachsoziologie Palästinas bzw. des Hebräischen), aber auch grammatisch-strukturale Analysen, ins­bes. »Contemporary Hebrew«.[27] Dabei zeigt er, analytisch zunehmend differenzierter,[28] die strukturellen Aspekte des Umbaus, die mit zunächst alternativen Konstruktionen (etwa analytischer Ausbau nominaler Gruppen neben der altsemitischen Adjunktion mit dem status constructus des Kopfes) auch verschiedene Konstruktionsbedeutungen freisetzen und so zum grammatischen Umbau führen (»Syntactical Notes on Israeli Hebrew« [1961]).[29] Den eindrucksvollsten Nachweis führt er beim Verbalsystem, das im Ivrit zu einem »eurotypischen« Tempussystem umgestaltet ist. Wo er vor einem entsprechenden Auditorium sprach, konnte er sogar so weit gehen, der antiken griechischen Tradition einen eher größeren Einfluß auf das moderne Hebräisch einzuräumen als der hebräischen Sakralsprache (s. »L'Hébreu et ses rapports avec le monde classique. Essai d 'évaluation culturelle«).[30]

Parallel zu diesen (synchronen) strukturellen Analysen hat R. auch die diachrone Seite bearbeitet und dabei die Diaspora-Varietäten des Hebräischen in Hinblick auf die unterschiedlichen (europäischen) Kontakteinflüsse untersucht, s. z.B. »Hebrew at the crossroads of cultures. From outgoing antiquity to the Middle Ages«[31] (auch hier allerdings wieder, ohne dem Jiddischen eine besondere Rolle zuzuweisen). Vor allem aber weitete er seinen semitischen Ar­beitsbereich über das Hebräische zur vergleichenden Semiti­stik aus – wie bei Polotsky besonders im Bereich der Syntax und der verbalen Kategorien. Mit einigen dieser Arbeiten hat er die weitere semitistische Forschung auch nachhaltig beeinflußt, so z.B. zum Umbau des Verbalsystems durch den Einbezug nominaler (partizipialer) Formen, etwa in »On the Use of the Tenses in the Aramaic of Daniel«.[32]

Seine theoretisch-allgemeinen Studien sind im Horizont der europäischen strukturalistischen Tradition definiert, v.a. auch der Glossematik, und mit kritischer Abgrenzung zum deskriptiven US-amerikanischen Strukturalismus – auch hier wieder in der Nachfolge seines Lehrers Polotsky. Andererseits knüpfte er gelegentlich an die ältere deutsche Sprachtheorie des 19. Jhdts. an, insbesondere an Humboldt, systematisch so in einem Vortrag, den er 1989 in Tokyo gehalten hat (»Wilhelm von Humboldt – Philosopher or the first structural linguist?«).[33] Dabei geht er so weit, daß er bei Humboldt sogar eine phonologische Konzeption angelegt sieht, s. »Wilhelm von Humboldts Begriff des Phonems« (1988).[34] Explizit in die humboldtsche Tradition der Rekonstruktion eines Sprachtyps (also der charakterisierenden Typologie) stellt er ohnehin seine eigene Forschung wie die der Jerusalemer »Schule« (s. den o.g. Vortrag 1995).

Er bemühte sich, komplexe Konzepte der philo­logischen Tradition strukturell zu rekonstruieren, die die opera­tionalistische Richtung zu eskamotieren suchte: Silbenschnittfra­gen in der antiken Textphilologie, die Kategorie des Wortes im An­schluß an Trubetzkoys Theorie der Grenzsignale u. dgl. Das letzte entwickelte er in einer ambitionierten Arbeit: »An outline of a general theory of juncture« in der von ihm hg. FS H. J. Polotsky,[35] indem er auf einer methodologischen Ebene eine Konstituentenanalyse im Rahmen eines Verkettungsmodells entwickelt, mit Indikatoren für die Kohäsion auf der einen, und solchen für die Distraktion auf der anderen Seite. Dabei verbindet er syntagmatische und paradigmatische Bindungen, womit er quer zu den distributionellen Arbeiten der Zeit liegt, aber durchaus schon frühe generativistische entsprechende Überlegungen aufnahm.[36] Sein algebraisch entwickeltes Modell exemplifizierte er detailliert am (biblischen) Hebräischen, dem Altgriechischen (Attischen) und dem Sanskrit.

Eine Auswahl seiner »Kleinen Schriften« (die meisten der hier angeführten) wurde 1982-1994 in Deutschland publiziert: »East and West. Selected Writings in Linguistics« (s. o.).[37] Er argumentiert durchweg unproblematisch in der deutschen Tradition – auch anderssprachige Texte sind bei ihm mit deutschen Schlüsselausdrücken gespickt (ggf. zitiert er auch Polotskys mündliche Äußerungen auf deutsch). Er agierte auch im institutionellen Rahmen der europäischen Sprachwissenschaft: aktiv in der Societas Linguistica Europea, die ihrerseits in Israel (Negev) eine Tagung durchführte, auf der er den oben genannten Vortrag über die Jerusalemer Schule gehalten hat; seit 1951, als er in Paris zu ergänzenden Studien an der École Pratique des Hautes Études gewesen war, als Mitglied der Société Linguistique de Paris, bei der er regelmäßig Vorträge hielt und publizierte, für die er bei dem von dieser 1997 in Paris organisierten 16. Internationalen Linguistenkongreß einen Plenarvortrag hielt: »Un demi-siècle de linguistique européenne« – der er sich hier selbstverständlich subsumiert.[38] So hatte R. ein relativ ungebrochenes Verhältnis zu Deutschland. Er fühlte sich offensichtlich nicht als Vertriebener, sondern als jemand, der mit der zionistischen Auswanderung die Möglichkeit gefunden hatte, eine akademische Karriere zu machen, die sich den Lebens- und Arbeitsbedingungen in Israel verdankt.[39]

Q: BHE; Bronstein u.a.: 178/179; »Kleine Schriften« (»H. B. R.: East and West. Selected Writings in Linguistics«), 3 Bde., München: Finck 1982-1994, Bibliographie bis 1980 dort in Bd. 1, von 1980-1993 in Bd. 3; Nachruf von R. Kuzar (http://titus.uni-frankfurt.de/personal/galeria/rosen1.htm). Nachruf und Bibliographie in P. Swiggers, »H. B. R. Bio-bibliographical sketch«, Leuven: Centre International de Dialectologie Générale 2005; Hinweise von M. Mayrhofer; E/J 2006.



[1] Bei den abgekürzten Verweisen als: H. B. Rosén zur Unterscheidung von Hannah Rosén (H. Rosén).

[2] In überarbeiteter Form gedruckt Heidelberg: Winter 1962.

[3] S. seine Darstellung in »The Jerusalem School of Linguistics and the Prague School«, in: P. Swiggers (Q): 37-61; dazu und zum Folgenden auch Kuzar 2001.

[4] München: Fink 1968, 2. Aufl. 1984.

[5] »East and West. Selected Writings by H. R.« (Q), im folgenden abgekürzt als EW I-III, s. EW I: 389-402.

[6] EW I: 373-388.

[7] EW I: 362-372.

[8] München: Fink 1980.

[9] EW I: 405-422.

[10] In: Scripta Hierosolymitana 1/1954: 1-20. In der etruskologischen Forschung hat er damit allerdings wenig Anklang gefunden, bei der inzwischen von einer größeren sprachlichen Vielfalt in den Quellen ausgegangen wird (mit dem Lemnischen als eigener Varietät einer »tyrsenischen« Sprachfamilie), s. z.B. die harsche Kritik ("absurd") von M. Malzahn, Das lemnische Alphabet (in: Studi Etruschi 63/1999: 259-279, bs. S. 276). Davon können aber R.s methodologische und schriftgeschichtliche Argumente getrennt werden.

[11] EW III: 233-244.

[12] Daß er der in der Laryngaltheorie meist angenommenen indo-europäisch/semitischen Parallele allerdings sympathisierend gegenüberstand, zeigen seine entsprechenden Verweise bei der Diskussion um Spuren (bei ihm: »Reflexen«) ausgefallener Laryngale im Verlauf der Entwicklung.

[13] EW I: 107-126.

[14] EW I: 127-146.

[15] EW I: 147-167 – z.T. mit heftiger Polemik gegen Cowgill.

[16] »Bono homini donum: Essays in Historical Linguistics in memory of J. Alexander Kerns«, in: Bull. Ling. Soc. Paris 79/2 1985: 76-91.

[17] In: »Latein und Indogermanisch. Akten des Kolloquiums der indogermanischen Gesellschaft Salzburg 1986«, Innsbruck: Institut für Sprachwissenschaft 1992: 357-367.

[18] EW I: 231-253.

[19] EW III: 37-73.

[20] EW III: 113-140.

[21] Innsbruck: Institut für Sprachwissenschaft 1992.

[22] EW III: 385-399.

[23] Ha-ivrit šelanu, Tel Aviv 1955/1956. Nicht zufällig publiziert im Verlag der israelischen Sozialisten (Am Oved), s. Kuzar 2001: 137-196 für eine ausführliche Darstellung der daraus resultierenden Konflikte, der auch ausführliche Zitate in englischer Übersetzung der hebräisch geführten Auseinandersetzungen bringt.

[24] Zu dem kulturellen Schock, den R.s Publikationen damals ausgelöst haben, s. auch von einer gemäßigt konservativen Position aus Blau 1981, bes. S. 186, s. bei diesem.

[25] Chicago etc.: Chicago UP 1962, 2. Aufl. 1966. Dort hatte er Verbindung zu anderen Emigranten, insbesondere zu Landsberger, dem er im Vorwort dankt. Der Kurs beginnt mit Ausdrücken in lateinischer Umschrift, geht dann bei den geläufigeren Texten zur Wiedergabe in kursiver hebräischer Schrift über und erst im letzten Teil zum biblischen Hebräischen, das er allerdings als konstitutiven Bestandteil der hebräischen Sprache in Israel herausstellt und für das er vorgibt, daß es genauso wie die vorherigen Texte des Ivrit gelesen werden kann.

[26] EW II: 70-101.

[27] Den Haag: Mouton 1977.

[28] In gewisser Weise löst er damit die Kritik ein, die gerade aus methodischer Sicht Haim Blanc gegen sein Buch 1955/1956 vorgebracht hatte (bei wohlwollender Gesamtwürdigung, s. dessen Rezension in: Lg. 32/1956: 794-802). Dort hatte Blanc im übrigen auch moniert, daß R. bei seinem europäischen Sprachbundhorizont die europäischen Bildungs- bzw. Schulsprachen im Blick hat, nicht aber das für die Palästina-Emigration bestimmende Jiddisch (mit einer slawischen Komponente) – auch in diesem Punkt hat R. sich in seinen späteren Arbeiten korrigiert.

[29] EW II: 102-107.

[30] Paris: Geuthner 1979 – der Band doku­mentiert eine Gastvorlesung 1975 in Paris.

[31] Leuven – Paris: Peeters 1995.

[32] In: J. of Semitic Studies 6/1961: 183-204. S. dazu z.B. D. Cohen, »La phrase nominale et l’évolution du système verbal en sémitique«, Paris: Peeters 1984: 393ff.

[33] EW III: 37-73.

[34] In: Jörn Albrecht (Hg.), »Energeia und Ergon« (FS Eugenio Coseriu), Tübingen: Narr 1988: 11-17; EW III: 30-36.

[35] Jerusalem: Israel Exploration Press 1964: 153-189.

[36] Seine Vorgehensweise, die er schon in seinen frühen Arbeiten zum Hebräischen demonstriert hatte (z. B. in »Unser Ivrit«, 1955, s.o.), ist entsprechend auch heftiger Kritik unterzogen worden, z.B. die Kritik an seinem »verfehlten« Phonembegriff bei H. Blanc in der Besprechung des Buchs von 1955 in: Lg. 32/1956: 794-802. Vorher offensichtlich auch schon von Bar-Hillel, s. den Hinweis dort S. 802.

[37] Bd. I und Bd. II erschienen 1982-1984 als eine Art Festschrift zu seinem 60. Geburtstag (mitherausgegeben von Hannah Rosén); Bd. III stellte er als Ergänzung selbst zusammen.

[38] Erweitert publiziert als Mémoires de la Société de Linguistique de Paris, Paris – Leuven: Peeters 2001. Durchzogen von heftiger Abgrenzung gegen die nichteuropäische Sprachwissenschaft generativistischer Provenienz – aber auch gegen »philosophische« Auswüchse in Europa, zu denen er insbes. auch E. Lewy rechnet (S. 13).

[39] Hinweis des mit ihm eng befreundeten V. Mayrhofer (Wien).

Zuletzt aktualisiert am Montag, 15. Juli 2013 um 10:14 Uhr