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Lewy, Ernst

 

Geb. 19.9.1881 in Breslau, gest. 25.9.1966 in Dublin.

Nach dem Abitur 1899 Studium in Breslau, München und Leipzig, zunächst vor­wiegend in der Literaturwissenschaft. 1904 Promo­tion in verglei­chender Sprachwissenschaft in Breslau. Die Dissertation »Die alt­preußischen Personennamen«[1] wertet das altpreußische Urkundencorpus aus – mit allen philologi­schen Problemen einer solchen Arbeit (unzuverlässige Überliefe­rung, graphische Variation). Der Befund wird von ihm etymolo­gisch bearbeitet (Entlehnungen aus dem Slawischen, dialektale Va­riation u. dgl.) und in Hinblick auf die Wortbildung analysiert. Habilitation 1910 in Berlin mit einer sprachvergleichenden Unter­suchung »Zur finnisch-ugrischen Wort- und Satzverbindung«,[2] die seinen späteren Arbeits­schwerpunkt im Bereich der Syntax zeigt. Hier versuchte er, die von ihm extrapolierten Strukturmuster auf »Anschauungsweisen des Finno-Ugriers« zu beziehen, womit er das Forschungsprogramm seines Berliner Lehrers Finck, anging, das er in seinem weiteren Werk gewissermaßen systematisch umsetzte.[3] Einen besonderen Schwerpunkt bildete in der Habilschrift der syntaktische Parallelismus, der in der Finno-Ugristik prominent diskutiert wurde und wird (s. auch bei Steinitz und Austerlitz).

Abgesehen von seinen zum akademischen Betrieb inkongruenten Interessen hat wohl auch die Selbsteinschätzung seiner Karrieremöglichkeiten seine Wahl von eher marginalen Studienobjekten bestimmt: er sah für sich in Hinblick auf die Stigmatisierung als Jude ohnehin keine Chance, auf dem Gebiet der großen Philologien mit Nicht-Juden um eine Professur zu konkurrieren. So verlegte er sich von vornherein auf eher exotische Gegenstände, vor allem auch auf die Bearbeitung gesprochener Sprachen, die keinen philologischen Gegenstand bieten (s. dazu den auf der engen persönlichen Beziehung beruhenden Nachruf von Wagner). Vor allem war er auch außerhalb seines akademischen Arbeitsgebietes tätig: 1909 besorgte er eine Auswahl der Werke des Sturm-und-Drang Dichters J. M. R. Lenz (in einer zweiten Ausgabe 1917), in dessen Biographie er wohl seine eigene (mit bohemienartigen Zügen) spiegeln konnte.[4] 1915 war er vorübergehend auch als Lehrer in einer Privatschule tätig. In dieser Zeit hatte er ein enges, persönlich aber auch wissenschaftlich ausgerichtetes Verhältnis zu Walter Benjamin (s. bei diesem).

Das zunächst vorhandene Familienvermögen mag diese Selbstdefinition unterstützt haben – es überstand allerdings die Inflation nicht. 1925 wurde L. zwar zum Titularprofessor (nicht-beamteter außerordentlicher Professor) mit einer explizit sprachwissenschaftlichen Denomination am Ungarischen Institut in Berlin ernannt, reguläre Bezüge erhielt er aber erst seit 1931, als seine Stelle in eine planmäßige umgewandelt wurde, vorher hatte er nur ein »Privatdozentenstipendium«. Wiederholt war er in dieser Zeit zu mehrmonatigen Studienaufenthalten in Frankreich und Spanien, vor allen Dingen, um dort Studien zum Baskischen zu betreiben. Die Arbeiten zum Baskischen waren Bestandteil eines von ihm in einer gewissen Systematik angestrebten Versuchs, anhand von kleineren Sprachen, die Potentiale des menschlichen Sprachvermögens zu explorieren, weil diese nicht in die nivellierende Dynamik der Großsprachen einbezogen sind (in diesem Sinne spricht er später von deren »exzessiven Typ«, s.u.). So hat er zu einer ganzen Reihe von kleineren Sprachen typologische Skizzen vorgelegt, die allerdings zum großen Teil noch im Nachlaß liegen (s. dazu den Nachruf von Wagner): zum Daghestanischen im Kaukasus (dem „Awarischen“)), paläosibirischen Sprachen: Ket, Nivx (»Gyljak«), australischen Sprachen (Aranda), Sprachisolaten in Ostasien wie Ainu in Japan, in Afrika (Khoisan, »Hottentottisch«) genauso wie im pazifischen Raum (Andamanisch).[5]

Am 17.5.1933 wurde L. aus rassistischen Gründen beurlaubt, am 21.3.1934 aber wieder eingestellt;[6] am 1.11.1934 leistete er den geforderten Treueeid auf Hitler. Dabei war er in der Schußlinie offen geführter rassistischer Kampagnen im Fach.[7] 1935 wurde L. endgültig entlassen: am 31.10. zunächst beurlaubt, am 31.12. in den Ruhestand versetzt. Konfrontiert mit dieser Ausgrenzung deklarierte er nicht nur seine familiale Herkunft aus dem Judentum, sondern stellte sogar den Antrag auf Emigration nach Palästina mit der Fortzahlung seines Ruhegehaltes nach dort. Das REM lehnte diesen Antrag am 2.4.1936 ab. L. bemühte sich aber auch um einen nicht-jüdischen Ausweg aus dieser Situation: er schloß gegenüber Hilfsorganisationen ausdrücklich die Unterstützung jüdischer Komitees aus (Holfter 2008, Q) und bemühte sich um eine Auswanderung nach Spanien, wohin er schon seine Bibliothek verfrachten ließ, die er später zu seinem Leidwesen nicht mehr vollständig zurückerhielt; schließlich nach England, mit Unterstützung des Sprachwissenschaftlers und Ägyptologen Alan Gardiner, der ihm über das britische Hilfskomitee ein Stipendium verschaffte.[8] Am 11.3.1937 genehmigte ihm das REM eine sechsmonatige Ausreise nach England (ohne Devisenzahlung ins Ausland). Tatsächlich emigrierte L. in diesem Jahr nach Irland, wobei ihm die  traditionellen Beziehungen des Berliner Instituts nach dort halfen.[9] Mit ihrer Hilfe konnte L. 1938 in Galway seine irischen Forschungen betreiben, die auf das Interesse der damalige irischen Regierung stießen, vor allem des Premiers de Valera, der in Dublin ein Institut für Keltische Studien etablieren wollte (s. dazu Bd. 1 Kap. 2.2.3). Das verschaffte L. die nötige politische Unterstützung, um sich in Irland zu etablieren (auch bei den Einreiseproblemen seiner Familienangehörigen).[10] Seit 1939 war er an der irischen Akademie tätig und unterrichtete gleichzeitig am Dubliner University College, wo er 1947 zum Professor für Sprachwissenschaft ernannt wurde. In Verbindung damit erwarb er auch die irische Staatsbürgerschaft.

Es ist nicht ganz klar, warum L. nach dem Krieg nicht nach Deutschland zurückkehren konnte. Er selbst bemühte sich offensichtlich gleich nach Kriegsende darum und schrieb z.B. Anfang 1946 wiederholt an den Slawisten Vasmer an die Humboldt-Universität, der ihm wohl als politisch nicht kompromittierter Fachkollege eine geeignete Bezugsperson zu sein schien; von Farkas, sein früherer Institutsleiter, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht wieder in Berlin.[11] Die Universität beschloß damals auch, vermutlich auf Antrag von Vasmer, L. einen Ruf zu erteilen (Schreiben des Rektors Stroux vom 11.9.1946). L. nahm diesen Ruf grundsätzlich an, machte die Annahme aber von explizit aufgelisteten materiellen Wiedergutmachungsleistungen abhängig, wobei er auf seine dramatische Notlage und seine Verpflichtungen gegenüber den Menschen in Irland hinwies, die ihn unterstützt hatten.[12] Die Universität operierte daraufhin hinhaltend, verwies die Forderungen an andere Institutionen, die ebenfalls hinhaltend agierten und bot L. schließlich nur noch eine Gastprofessur an (Schreiben des Rektors vom 7.7.1947). In der Zwischenzeit hatten sich die politischen Konstellationen an der Humboldt-Universität offensichtlich geändert, wobei nicht zuletzt auch Konflikte zwischen Vasmer und dem zunehmend dominanten, inzwischen zurückgekehrten Steinitz eine Rolle spielten.[13] Auch Wissmann, der L.s Rückberufung zunächst unterstützt hatte, setzte sich später nur noch für eine solche Gastprofessur ein (s. seine Stellungnahme im Verfahren vom 5.4.1948); auch diese ist dann nicht zustande gekommen. Aber auch auf L.s Seite bestanden Vorbehalte. Bemühungen von F. Sommer, ihn nach München zurückzuholen, scheiterten wohl vor allem an L. selbst (Hinweis von J. Bechert).

Zu Beginn seiner wissenschaftlichen Laufbahn hatten ihm seine traditionelle indogermanistische Ausbildung und seine philologisch gearbeiteten Studien den Eintritt in die Berliner Schule von W. Schulze verschafft. Seine entscheidenden Orientierungen erhielt er aber von Finck, dem er auch 1925 als a.o. Professor am Berliner Indogermanischen Seminar nachge­folgt war, s.o. Von diesem hatte er das Projekt übernommen, die charakterisierenden Eigenschaften des Sprachbaus in grundlegenden, anthropologischen Eigenschaften zu verankern, die er wie auch Finck in den Fußstapfen von Byrne als »Temperamente« bezeichnete.[14]

Sein erstes großes Projekt radikalisierte diesen Ansatz, indem er nach einer Homologie zwischen der Formierung von Sprachtypen und Entwicklungsverläufen in der Sprachbiographie suchte, was auch schon von Finck in einer Verallgemeinerung der Extrapolation von Typen aus dem, was als Sprache bobachtbar ist, als Forschungsgegenstand definiert worden war.[15] Vermutlich hatte er es schon in Berlin als Habilitationsvorhaben angelegt, wo es am Widerstand Schulzes und vor allem des Germanisten G. Roethe scheiterte. Daher habilitierte er 1910 mit einer akademischer ausgerichteten Arbeit zum Finno-Ugrischen (s.o.). 1912 versuchte er dann, dieses Projekt  in eine angestrebte Umhabilitation nach Göttingen einzubringen, die aber an den gleichen Widerständen scheiterte.[16] Seinen Antrag hatte er mit den schwierigen Lebensumständen begründet (er lebte damals unter recht beschränkten Umständen mit seiner Familie in Wechterswinkel, einem Dorf in der Rhön) – und der Tatsache, daß ihn nach Fincks Tod nichts mehr an Berlin band. Der Antrag wurde in der Fakultät unterstützt (insbesondere auch von Wackernagel), und die Berliner Habilitationsschrift wurde angerechnet. Auch das (im Verfahren als Prüfungsteil vorgesehene) Kolloquium im Januar 1913 verlief positiv (L. hielt einen finno-ugrischen Vortrag »Zum Bau des Wotjakischen«); aber die im engeren Sinne nur noch formal geforderte öffentliche Vorlesung, in der L. sein sprachbiographisches Projekt vorstellte (angekündigt mit dem Titel »Die Sprache des einzelnen Menschen«), stieß in der Fakultät auf kategorische Ablehnung: ein förmliche Beschlußfassung wurde zwar ausgesetzt, aber der Vorsitzende der Habilitationskommission, der Historiker Karl Brandi (1868-1946), sollte L. auffordern, seinen Antrag wieder zurückzuziehen – was L. auch tat.[17] Den Vortrag selbst hat L. danach veröffentlicht: »Zur Sprache des alten Goethe. Ein Versuch über die Sprache des Einzelnen«,[18] wie er auch später noch an diesem Projekt festgehalten hat (s.u.).

L. reagierte mit diesem Vorhaben auf die beiden von ihm zeitlebens bekämpften Reduktionen der Sprachwissenschaft: auf den junggrammatischen Positivismus, der sprachliche Daten von den darin artikulierten »geistigen« Verhältnissen ablöst, und auf den in seiner Diktion »modischen« Soziolo­gismus, der Sprache als soziale Struk­tur faßt. Mit gewissen Paral­lelen zu Saussures Anagramm-Stu­dien versuchte er, die mehrfache Ar­tikulation der Sprachpraxis an­zugehen: über das sozial Vorgege­bene, vom Individuum als kulturel­les Muster Übernommene hinaus das persönliche Gepräge, das sich mit den le­bensgeschichtlichen Verän­derungen ebenfalls ändert. Ge­gen eine psychologistische Re­duktion bestand er darauf, daß die so in der individuellen Per­spektive faßbaren Strukturmerkmale solche der Sprache sind, die insofern den gleichen Strukturmustern zuzuordnen sind, die auch für den Ma­kro-Sprachvergleich gelten. Entsprechend der von Finck (im Anschluß an Byrne) versuchten völkerpsychologischen In­terpretation bzw. Homologie von Sprachen und Temperamenten fand er so in der Goetheschen Alters­sprache Ent­sprechungen zum türkischen und eski­moischen Sprachbau. So wenig das anspruchsvolle Unternehmen durch die kursorischen Beispiele und die aphoristischen Anmerkungen als eingelöst gelten kann, so sehr hat L. an ihm festgehalten.[19] Eine kürzere Fassung seiner Stu­die veröffent­lichte er noch 1930 »Die Sprache des alten Goethe und die Möglichkei­t ihrer biologischen Fundamentierung«;[20] und noch in den späten Jahren sieht er in seinem bei sich selbst im Exil und der Alterung beobachteten Sprachwandel eine Be­stätigung seiner Ansich­ten (s. »Etymologie und Sprachbegriff«).[21]

Diese Art fachlicher Grenzüberschreitungen war pro­vokant: in Berlin stieß er nicht nur auf Vorbehalte bei Schulze (s.o.); in der Fa­kultät widersetzte man sich der Behandlung solcher Themen in Lehr­veranstaltungen durch einen Sprachwissenschaftler (KlSch 105). So sehr L. sich aber auch als reiner Sprachwissen­schaftler fühlte, der seine Arbeiten mit Seitenhieben gegen die Philologen spickte, so sehr lag ihm zeitlebens die Beschäftigung mit der Literatur, die er in seinen ersten Semestern schwer­punktmäßig studiert hatte (nach denen er vorübergehend auch die Kunstakademie be­sucht hatte).[22] Wiederholt behandelte er literarische Themen (s. z.B. »Episches. Eine Geschichte J. Gotthelf’s«),[23] und in Anmerkungen zu seinen Aufsät­zen betont er immer, wie aufschlußreich die literarisch artiku­lierten Sprachreflexionen für die Sprachwissenschaft sind.[24]

Vor diesem Hintergrund hat er von Anfang an den Vosslerschen Ver­such einer Rekonstruktion der Sprachwissenschaft mit positiver Kritik begleitet (s. seine Rezension von dessen »Geist und Kultur in der Sprache«,[25] in der er aber das Fehlen einer methodischen Kontrolle moniert – und Vosslers »pseudoaristokratische« Rede über das Volk, S.103). Er selbst hatte sich auch direkt mit Croce auseinandergesetzt, dessen Ein­fluß auf sein Denken er auch noch in späten Jahren Rechnung zollt.[26] So entspricht sein eigenes Vorhaben den zeitgenössischen Bemühungen um eine Stiltheorie, die er generell als Ausweg aus den »junggrammati­schen Sackgassen« begriff (s. mit einer expliziten Kritik an Del­brück etwa »Zur Wesensgestalt des Französischen«)[27] – denen er sich aber nicht zuordnet, da sie ihm methodisch zu ungeklärt schienen, wenn sie direkt vom beob­achteten De­tail auf globale Interpretamente kommen, wie er am Bei­spiel von Spitzer kritisiert (s. »Das Problem des Sprachstils«),[28] der sich seinerseits ausdrücklich auf L. für sein Programm berief.[29]

Andererseits beteiligte er sich in dieser Zeit an fachlich eher abgelegenen Unternehmungen, wie an Benjamins geplantem gesellschaftskritischen Zeitschriftenprojekt, zu dem er eine Diskursanalyse der Wilhelminischen Gesellschaft beisteuern wollte, wozu es aber, vor allem wohl auch aufgrund eines persönlichen Zerwürfnisses mit Benjamin, nicht mehr kam (s. hier bei Benjamin). Ein später Nachklang dieser frühen Versuche findet sich noch in seiner späteren Synthese im »Bau der europäischen Sprachen« (1942, s.u.), in dem er den zentral-europäischen Sprachbau mit der in diesem Raum dominant werdenden »Maschinenkultur« und »Fabrikarbeit« korreliert, wobei er explizit kapitalismuskritische Untertöne einfließen läßt (s. dort bes. 103-106).[30]

L.s wohl nicht nur für unsere heutigen Lesegewohnheiten irritie­render aphoristischer Schreibstil, der ein bohemienartiges Chaos geradezu affektiert (durchzogen mit Bemerkungen über verlegte No­tizen, nicht greifbare Bücher, Dank für vergessene hilfreiche Be­merkungen u. dgl.), artikuliert sicher auch sein Bewußtsein, daß ihm die methodischen Mittel für sein ambitioniertes Unternehmen nicht zur Verfügung standen. Sein wissenschaftliches Renommee hat er vor allem durch seine deskriptiven Arbeiten zum Finno-Ugrischen erworben, das er seit 1904 in wiederholten Feldforschungsreisen, im Ersten Weltkrieg besonders aber auch an russischen Kriegs­gefangenen studierte (als Mitarbeiter an dem Doegenschen Projekt eines »Sprachmuseums«, s.u.). Das gilt außer für die o.g. Habilitationsschrift (1911) insbesondere für seine »Tscheremissische Grammatik«,[31]eine strikt deskriptive Arbeit auf allen grammatischen Ebenen, von der Phonetik über die Morphologie und Wortbildung bis zur Syntax (mit Einschluß wieder von stilistischen Problemen wie insbes. dem Parallelismus); seine rigoros deskrip­tive Einstellung wird besonders da deutlich, wo er sorgfältig auch eigene (Wahrnehmungs-)Unsicherheiten notiert. Einen großen Raum nehmen dabei wie auch später noch in einer seiner letzten Schrif­ten prosodische bzw. »satzphonetische« Erscheinungen ein, s. »Zur Betonung des Erdzja-Mordwinischen von Orkino«[32] und auch seinen Überblicksartikel »Die finnisch-ugrischen Stämme im euro­päischen Ruß­land«,[33] außer mit einer sprachlichen auch mit volkskundlicher Charakteristik und Textbei­spielen.

In diesen Arbeiten wird sein Ansatz deutlich, mit deskriptiven Methoden die Charakteristik einer Sprache herauszuarbeiten, die sich nur im Vergleich der Erscheinungen auf allen Ebenen der Beschreibung erschließt.[34] Damit führte er Fincks Ansatz konsequent weiter, der sich gegen die Atomisierung sprachstruktureller Erscheinungen und deren direkte Koppelung an außersprachliche Vorgaben (zeitgenössisch in der Regel: psychologische Sachverhalte) gerichtet hatte. Strukturelle Analysen, auf die das Konzept des Baus einer Sprache zielt, zeigen sich in einer spezifischen Bündelung statt eines Konglomerats von Einzelerscheinungen – so bestimme schon Finck Typ als analytischen Begriff. L.s frühe Versuche der Fundierung solcher Baustrukturen (was für ihn im engeren Wortsinne ein Pleonasmus ist!) in Temperamenten beruhten allerdings ihrerseits auf einer »Materialentgleisung« (wie Bühler dergleichen nannte). In seinen späteren Arbeiten überwand er diese Herangehensweise, weil er deskriptiv die charakterisierenden Bindungen zwischen Strukturen aufzeigte, die bei den üblichen Darstellungen isoliert werden. In diesem Sinne stellte er in der schon erwähnten Arbeit zum Erdzja-Mordwinischen (1961) Zusammenhänge zwischen Betonung und Kasussystem fest und schrieb: »Es ist selbstverständlich, daß ein so fundamentaler Zug des Lautbaues mit anderen Zügen des Baues der Sprachen zusammengeht« (S. 108) – was er in diesem Fall als »Art des Übergewichts des Satzes über das Wort« charakterisiert (ibid.).

Eine solche Analyse ist zugleich aber auch (wie auch bei seinem Lehrer Finck) gegen die seit dem 19. Jhd. etablierte holistische Typologie gerichtet, die Sprachen auf einen generellen Nenner zu bringen sucht (der dann auch essenzialistisch: ethnisch, und ggf. auch »rassisch« interpretierbar ist). Demgegenüber extrapolierte L. strukturelle Faktoren im Sprachbau, die im theoretischen Sinne einen universalen Status haben, die in den Einzelsprachen unterschiedlich genutzt werden; die typologische Charakteristik resultiert aus dem Zwang zu ihrer Harmonisierung, die zu einer spezifischen Architektur der jeweiligen Sprachsysteme führt, ihrer »inneren Form«. In dieser Hinsicht war L. radikal struktural – und argumentierte gegen die (junggrammatisch sanktionierte) etymologische Sichtweise, die einzelne Formelemente isolierte und Sprachen nur als deren Konglomerat sehen konnte.[35]

Nicht zuletzt wohl durch die Rezeption der Arbeiten Schuchardts, dem er in seinen Arbeiten immer den größten Respekt bezeugte (s. dazu auch die Korrespondenz bei Hödl, Q), spielte in seinen späteren Arbeiten das Baskische eine zentrale Rolle, dem er in seinen typologischen Bemühungen als Repräsentant des »atlantischen Sprachbaus« eine Schlüsselstellung einräumte, s. insbe­sondere seine »Skizze einer elementaren Syntax des Baskischen«.[36] Dort charakterisiert er den baskischen Sprachbau als »flexionsisolierend« bis hin zur Gruppenflexion, ohne den Ausbau von Satzperioden/Satzgefügen, sondern nominale (gerun­diale) Integration von »satzwertigen« Komplementen usw.. Eine Reihe von offensichtlich verfrühten Urtei­len darin, insbeson­dere zur allokutiven Struktur der Verbalflexion, hat er in späteren Arbeiten korrigiert, s. z.B. »Subjekt und Ob­jekt”,[37] s. auch seine knappen Bemerkungen dazu in »Stammform und Nominativ«.[38]

Ohne eine explizite phonologische Analyse bemühte er sich darum, die Lautsysteme der Sprachen in einer funktionalen Betrachtung zu fassen – vor allem auch in Hinblick auf die Möglichkeit phonographisch fundierter Schriftsysteme, wie in seinen Beiträgen zu Heepe (1928).[39] Systematisch konfrontierte er die dialektale Variation, etwa bei den finno-ugrischen Sprachen, mit der Notwendigkeit einer Vereinheitlichung im Horizont der weiteren Sprachgemeinschaft, dabei aber auch die sprachstrukturellen Fragen mit den Bedingungen der jeweiligen kulturell-religiösen Tradition (arabisch-orientierte islamische Tradition bei den altaischen Sprachen, die Kyrilica bei den finno-ugrischen Sprachen). Die Beschäftigung mit dem Irisch(-Keltischen) gehörte zwar schon zu seiner Berliner Zeit (sie bildete auch einen Schwerpunkt bei Finck), wurde L. aber letztlich erst durch seinen Irland-Aufenthalt abverlangt (und in gewisser Weise auch erst ermöglicht): eigene Arbeiten zum Irischen stammen offensichtlich erst aus der Zeit dort, s. etwa seinen »Versuch einer kurzen Beschreibung des Alti­rischen«.[40]

Durch seine Arbeiten gehörte er zum engen Kreis der internationa­len Sprachwissenschaftler-Szene, wie seine Teilnahme am Internationalen Linguistenkongreß 1933 in Rom zeigt, auf die auch seine Unterstützung in Großbritannien zurückgeht (s.o. zu Gardiner). Auf dem Pa­riser Linguistenkongreß 1948 gedenkt der Vorsitzende (und Keltologe) Vendryès in seiner Begrüßungsrede, nachdem er die Unmöglichkeit erläutert hat, deutsche Wissen­schaftler gleich nach dem Krieg wieder einzuladen, ausdrücklich mit Bedauern des durch Krankheit an der Teilnahme verhinderten »Freundes« L.

Das Bemühen um eine Klärung der Sprachtypologie zieht sich durch sein ganzes Werk. Die zunächst von seinem Lehrer Finck übernommene Begrifflichkeit versuchte er, in Auseinandersetzung mit Humboldt zu klären (in seinem letzten Berliner Semester WS 1934/1935 las er in einer Veranstaltung über Humboldt, in der anderen über Baskisch!). Im Sinne einer begrifflichen Handhabe zur Klärung der theoretischen und faktischen Prämissen hat er die strukturalisti­schen Ansätze aufgenommen – wie sich in Rezensionen zeigt, wie aber vor allem der Kreis seiner Berliner Schüler deut­lich macht (unter ihnen insbesondere W. Steinitz, der mit Lohmann und Wissmann auch die KlSch herausgab, und H. Kahane; Hinweise auf L.s Lehre verdanke ich einem anderen seiner Hörer, K. Menges).

Konstitutiv für seine Überlegungen ist die relative Autonomie der Sprache, die verlangt, sie als System zu fassen und in ihrer Struktur zu explizieren (System und Struktur sind zentrale Termini bei ihm, die er nahezu in jeder Veröffentlichung benutzt). Als dezidierter Sprachwissenschaftler wendet er sich gegen jeden Versuch, direkt vom sprachlichen Detail auf Außer­sprachliches zu schließen (gleich ob psychologistisch wie in der junggrammatischen Tradition, ob »soziologistisch«, wie er es der Vossler-Schule vorhält, oder auch im Sinne einer Kommunikations­theorie, die Sprache auf Verständigungsmechanismen zurückführen will – wie im amerikanischen Strukturalismus nicht anders als, wie er es sieht, bei Bühler); insofern argumentierte er in der Linie einer phänomenologischen Re­duktion, auf die auch seine Rede vom Wesen einer Sprache verweist.

Dergleichen formulierte er meist nebenbei, so z.B. in einer typologischen »Betrachtung des Russischen« (1925, in: KlSch 330-346) »die Erkenntnis, daß die Grammatik eine autonome Wissenschaft ist, und eine Grammatik ein Buch, das irgend welche Ziele außer sich ebenso wenig kennt, als ein Lehrbuch der Mathematik« (S. 331). Auf diese Weise löst er sich in den 1920er und 1930er Jahren zunehmend von den Vorgaben der Finckschen (Byrneschen) Tradition und rekonstruiert die von dort stammende Typologie gewissermaßen kognitiv, gut phänomenologisch im Rückgang auf Denknotwendigkeiten bei der Auseinandersetzung mit Sprachen (»Apriorische Konstruktion der Sprachtypen?«, 1938, KlSch. 21-23). In diesem Sinne hat er später wiederholt zusammenfassende Darstellungen gegeben, z.B. seine schon erwähnten Bemerkungen in Le­xis 1/1948 oder »Die Lehre von den Sprachtypen«.[41]

Unter diesen Prämissen kritisierte er heftig Weisgerber, der sich mit beträchtlicher Wirksamkeit auf die gleiche Tradition berief. Ihm warf L. die Übernahme von vorwissenschaftlichen Sprachbewertungen vor[42] – ein Problem, das ihn zeitlebens, auch in Auseinander­setzung mit dem Finckschen Vermächtnis, beschäf­tigt hat, s. aber schon seinen frühen Versuch, zwischen Bewer­tungen einer Lebens­weise: ihres kulturellen »Niveaus« und der darin sich ausdrücken­den »Geisteshaltung«, und der diese wiederum artikulierenden Sprachstruktur am Beispiel der Zigeuner(sprache) zu unterscheiden, so in dem Aufsatz »Die Zigeuner«[43] (offen­sichtlich waren die Zigeuner[44] neben den Finno-Ugriern und kaukasischen Sprachen [s.o. zum Awarischen] »sein« Ar­beitsfeld beim Projekt eines »Sprachmuseums« auf der Basis der Arbeit mit Kriegsgefangenen, s. Doegen). Auf dieser Linie rekonstruierte er die typologische Grundfrage nach der offensichtlichen Nichtäquivalenz der verschiedenen Sprachbautypen, die sich an ihrer Verbreitung ablesen läßt: es gibt eben die von ihm so genannten »exzessiven Typen«, die die anderen marginalisieren (denen sein vorrangiges deskriptive Interesse gilt) - ein Fragestellung, die ihn zu einem Pionier einer theoretisch fundierten Beschäftigung mit bedrohten Sprachen macht.

Ausgangspunkt für einen erklärenden Versuch muß für ihn eine sprachwissenschaftliche Analyse sein, deren Kategorien sehr viel abstrakter sind als das traditionelle Beschreibungsinventar der Sprachwissenschaft (also struktural: als Äquivalenzklassen von grammatischen Deskriptoren, die für die einzelnen Beschreibungen taugen) – so expliziert er die Humboldtsche »innere« Sprachform gegenüber der »äußeren«. Eine Modellanalyse in diesem Sinne hat er mit »Eine Bemerkung zur systematischen Charakteristik der finnisch-ugrischen Sprachen«[45] vorgelegt. Hier stellt er einer sprachgeographischen Diffusionsanalyse bestimmter Merkmale (Vokalharmonie, Stufenwechsel, »Endungslockerheit«) in einem Großareal (also im Sinne eines Sprachbunds) den Versuch gegenüber, einen bestimmten Sprachbau zu charakterisieren, hier den finno-ugrischen Sprachbau durch die Wortprominenz, die sich im Zusammenspiel dieser Merkmale ausprägt. Eine solche »charakterisierende« Typologie verstand L. ausdrücklich als Weiterführung und Umsetzung einer allgemeinen Sprachwissenschaft im Sinne von Humboldt, also als Untersuchung der Ausprägung der Verschiedenheit der Sprachen im Gegensatz zu einer spekulativ-philosophisch ausgerichteten allgemeinen Sprachwissenschaft, wie sie zu Humboldts Zeiten und in Fortführung davon vorherrschend war (auf heutige Verhältnisse umgelegt entspricht dem eine auf Universalien fixierte Sprachtheorie).

Eine besondere Herausforderung stellte für ihn das Irische dar, nicht zuletzt bestimmt durch seine Exilsituation in Irland. In seiner nachgelassenen typologischen Skizze (1967, s.o.) wird sein charakterisierendes Vorgehen da besonders deutlich, wo er die graphische Praxis der frühen Schreiber des Altirischen als Indikator für die von ihnen damit praktizierten Bauprinzipien nimmt, weil dort die isolierten graphischen Wörter nicht lexikalisch, sondern nur syntagmatisch definierbar sind: er nimmt diese Schreibpraxis direkt als Ausgangspunkt für seine Charakterisierung (dort S. 217).

Die Synthese seiner Bemühungen um eine charakterisierende Sprachtypologie ist seine Klassifikation der sprachlichen Verhältnisse in Europa in seinem ambitionierten synthetischen Versuch: »Der Bau der europäischen Sprachen«.[46] Mit diesem versuchte er eine Reinterpretation der alten Ausgliederungsproblematik, die seit den diffusionistischen Ansätzen am Ende des 19. Jhdts. keine theoretisch befriedigende Lö­sung gefunden hat. Das genetische Modell der kulturellen Tradie­rung in einer Generationenabfolge war für ihn durch die räumlichen Diffusionsprozesse (auf die der von ihm geschätzte Trubetzkoy mit seinen Sprachbünden hingewiesen hatte) zwar nicht entwertet worden, es verlangte allerdings eine Uminterpretation, bei der dem Faktor der langen Dauer Rechnung zu tragen ist.[47] Es mußte auch darum gehen, das Katastrophen-Schema für die Erklärung von nicht gradlinig verlaufenden Entwicklungen zu überwinden: die Sprachgeschichte braucht nicht den (ausschließ­lichen) Re­kurs auf dramatische Eroberungs- und Versklavungsge­schichten (»Be­völkerungsmischungen«), um Wandlungsprozesse zu er­klären. Der sprachliche Wandel ist in der langen Dauer zu analysieren, vor allem in Hinblick auf die Kontaktverhältnisse der Sprachgemeinschaften. Dabei können Bauformen verstärkt werden, aber es kann auch Veränderungen geben, ohne daß biologische Faktoren kausal sind (wie bei einem Sub- bzw. Superstrat).[48] Anders als in Katastrophenszenarien vollzieht sich der Wandel allmählich, dabei ggf. in der Konfrontation verschiedener Sprach­typen, wie er es für die so erfolgte Ausbildung eines europäischen Typs rekonstruiert. Aber ein Wandel tritt auch ohne eine solche Konfrontation eintreten. Dabei kann es auch  zum reinen »Herausmendeln« eines Ty­pus kommen. wie er es für das Isländische (ohne »atlantisches« Sub­strat) feststellt.[49]

Den europäischen Sprachtyp bestimmte er als Bündelung von Strukturmerkmalen, die die Artikulation von Äußerungen in den Sprachen im europäischen Kernraum bestimmen (im Gegensatz zu einer Peripherie, zu der insbesondere das Baskische zählt): mit einem subjektiven Verb (d.h. der Repräsentation des formal isolierten Subjekts einer Prädikation im verbalen Prädikat, unabhängig von der semantischen Rolle, also invariant für transitive wie intransitive Konstruktionen ebenso wie für die Diathese – anders als etwa im Baskischen, das in diesem Sinne keine syntaktische Kategorie Subjekt aufweist) und einem Subjektskasus Nominativ.[50] Hinzu kommt das Grundprinzip der syntaktischen Integration durch Unterordnung, das allerdings eine größere Distribution hat (insbes. so auch in den finno-ugrischen Sprachen). Bei der Formanalyse führt die Schematisierung von Finck weiter, mit den skalierten Bauoptionen von anreihend über unterordnend zu einverleibend, bei denen die elementaren Bausteine einer Sprache unterschiedlich transparent sind – was wieder zu einer Skala von wortisolierend, stammisolieren und flexionsisolierend führt.

Es handelt sich um strukturelle Optionen, die in der langen Dauer aktiviert werden können, aber auch wieder rückgebaut werden können. Daher ist es für ihn auch nicht möglich, von heutigen Verhältnissen her direkt auf vorgeschichtliche Verhältnisse zu schließen – und erst recht nicht, diese ethnisch zu fundieren (in diesem Sinne also als in der langen Dauer robust). In diesem konzeptuellen Rahmen entwarf er ein Modell, um die europäischen Sprach-Ver­hältnisse zu rekonstruieren, und zwar im Sinne seiner materialorientierten Herangehens­weise in einem sozia­len/kulturellen/geographischen Raum. Auf diese Weise ver­weigerte er sich der »po­lyhistorischen« Typologie seiner Vorgänger, deren ambitionierte Unternehmungen sich auf eine viel zu dünne Informationsgrundlage stützten. So steht sein Unternehmen als genuin sprachwissenschaftliches gegen polyhistorische Kompilationen sprachlicher Erscheinungen, für die es letztlich nur eine Sprache gibt (s. etwa bei Cassirer).

Extrapoliert aus den dokumentierbaren Befunden kommt er zu einer Ausgliederung des europäischen Raums, bei dem der »alte« resistente atlantische Typ, wie er am deutlichsten im Bas­kischen zu fassen ist (s.o.), auch die westlichen indo­germanischen Sprachen im ihrer weiteren europäischen Entwicklung bestimmte: Skandinavisch (außer Islän­disch, s.o.), Englisch, Niederländisch und die romanischen Spra­chen in Frankreich, der iberischen und der Apenninen-Halbinsel; dem steht ein zentraler Raum gegenüber, in dem sich der eingewan­derte (!) indogermanische Typ gefestigt hat, wie er konservativ im Hoch­deutschen zu fassen ist, dem sich auch das Ungarische an­genähert hat; schließlich im Osten einerseits der balkanisch-medi­terrane Typ im Süden (mit dem Kern im Albanischen), und der finnische (bzw. noch reiner: der arktische samojedische) Typ im Norden, dem ins­besondere auch das Russische zugehört. Diese typologisch-gene­tischen Zusammenhänge hatte er schon in den 1920er und 1930er Jahren im Kontext der damaligen Substratdiskussion wiederholt vorgetragen (s. z.B. »Sprachgeographische Probleme des mediterranen Gebietes«).[51]

Die typologischen Kriterien sind bei ihm vor allem syntaktisch, also direkt auf die sprachliche Artikula­tion der »Ge­danken« bezogen, ausgerichtet auf die unterschiedlichen Grade der Isolierung des Wortes (Vokalharmonie mit konstantem Wortkörper ge­genüber Variation in der Flexion; syntaktische Grup­pen: Ausbildung eines Artikelsystems, Kongruenz von Subjekt und Prä­dikat u. dgl. gegenüber gleitenden Übergängen vom Wort zum Satz durch Suffigie­rungsmittel ohne Nebensatzgefüge u. dgl.). Unterschiede in der Morpholgie faßte er so als unterschiedliche Artikulation des syntaktischen Baus: mit abgestufter Dominanz bei Wortisolierung, Stammisolierung und Flexionsisolierung in seiner "Bau"-Skizze (1942). Das war explizit ein Gegenentwurf zu der überkom­menen genetischen Klassifikation, bei der die Lautverhält­nisse im Vorder­grund standen. Dabei hat er schon früh dar­auf verwiesen, daß auf der formalen Seite nicht die Laute, son­dern allenfalls das formale Lautsystem typologisch relevant ist (etwa im Germani­schen trotz konsonantischer Lautverschiebung die beibehaltenen Reihendifferenzierungen), womit er pho­nologisch argumentiert (s. seine frühe Skizze der typologischen Verhältnisse in Europa, »Die Heimatfrage«).[52] Zuletzt bemühte sich L. noch um die Ausarbeitung größerer deskriptiv orientierter Studien wie z.B. der zum Erdzja-Mordwinischen (1961).

Trotz dieser Bemühung um Differenzierung schreibt L. das »ganzheitliche« Operieren mit einer Sprachbegrifflichkeit fort, das die Mehrdimensionalität des Sprachausbaus ausklammert. Das ist ihm denn auch vorgeworfen worden: so von Schneider (s. Fn. 19) in Hinblick auf seinen sprachbiographischen Ansatz, der bei einem Autor wie Goethe die Auseinandersetzung mit den sprachlichen Modellen ausblendet, die in dessen Sprachform eingeschrieben sind; nur auf diese Weise sind aber auch Homologien zwischen schriftkulturellen Erscheinungen bei einem Autor und bei dem Sprachverhalten »schriftloser« Völker möglich; Spitzer kritisierte in seiner Besprechung des Buchs (1942), daß der Vergleich von Sprachen, der die darin eingeschriebene kulturelle Praxis ausblendet (und so z.B. Latein und Samisch als strukturell vergleichbar behandelt), nur in die Irre führen kann (s. bei Spitzer – eine Kritik, die mit L. die übliche »sampling«-Basis der typologischen Forschung trifft).

Auch in den späteren Jahren hat L. noch seine deskriptiven Arbeiten weitergeführt, wie schon mit dem Verweis auf die Arbeit zum Erdzja-Mordwinischen (1961) angesprochen. Dazu gehört insbesondere seine Arbeit zu den awarischen (daghestanischen) Texten aus den Aufnahmen mit russischen Kriegsgefangenen.[53]

Über die methodischen Fragen hinaus war L.s alles in allem reichlich essayistischer Versuch von 1942 für ihn offensichtlich auch eine Bearbeitung des Vertreibungstraumas, mit dem er aber an seine Bemühungen um eine politische Sprachwissenschaft in den 20er Jahren anschloß: seine Rekonstruktion von arealen Entwicklungszusammenhängen in Zeiträumen der langen Dauer sollte wohl auch deutlich machen, wie sehr die politischen Formierungen nationalstaatlicher Räume, allen voran der »großdeutsche« Raum, weltgeschichtlich gesehen anekdotisch waren. Nicht zuletzt die Tatsache, daß er gerade auch diese späten Arbeiten auf deutsch verfaßte und publizierte, macht deutlich, wie sehr seine Biographie eines Exilanten für diese Arbeiten bestimmend blieb. [54]

Diese Biographie wird als Subtext seiner Arbeiten oft sehr deutlich. Dazu gehört aber auch die Spannung zwischen seiner polyglotten Beschäftigung mit sprachlichen Fragen und den praktischen Problemen, den Alltag in einer fremden Sprache zu bewältigen – im Englischen war er wohl bis zuletzt nicht wirklich zuhause, und im Irischen, um das er sich wohl aus Dankbarkeit für die Aufnahme im Land sehr bemühte, brauchte und nutzte er fortlaufend die Hilfe von Pokorny (s. Holfter, Q). Seine theoretisch-ambitionierte Reflexion auf die Sprache als conditio humana (mit der er nicht nur an Humboldt anschließt, sondern sich in diesem Punkt wiederholt auch positiv auf Weisgerber bezieht) ist auch eine Verarbeitung seiner Exilerfahrung. Zu diesem Komplex gehört auch sein Umgang mit der Stigmatisierung als Jude, die für ihn vor allem einen Ausschluß aus dem deutschen Kulturraum darstellte (s. die in vieler Hinsicht aufschlußreichen Parallelen bei Boas). Daß er einen offensichtlich intensiven Kontakt zu dem in dieser Hinsicht noch drastischeren Pokorny hielt, bestätigt das. Auch in der Beziehung zu Steinitz, der in der gleichen Konfliktkonstellation war, wird das sinnfällig.[55]

In fachwissenschaftlicher Sicht vollführte L. einen ironischen Balance-Akt zwischen den fundamentalistischen Indogermanisten und dem modernen formalen Strukturalismus, der dem späteren Weg in die Sackgas­sen auf beiden Polen hätte gegensteuern können. Aber nicht erst seine Vertreibung hat seine Isolation bedingt: von seinen Schülern hat nur Steinitz die Auseinandersetzung mit dem Struktu­ralismus und der empirischen Forschung aufgenommen (aber, soweit ich sehe, ohne L.s typologisches Anliegen fortzu­führen); Lohmann hat auf seine Weise das Unternehmen in eine etwas versponnene Richtung geführt;[56] das kritische Verhältnis zur strukturalen Me­thode, bei der Dominanz materialer Untersuchungen, bestimmt die Arbeiten von Kahane, der sich auch als L.s Schüler betrachtete.[57] Einfluß hatte L. wohl auf Jacobsohn, der aber den Faschismus nicht überlebte – sowie im Sinne seiner materialen Studien auf Karl Bouda (Baskisch-Kaukasisch)[58] und Menges (»no­stratische Sprachtheo­rie«). Direkten Einfluß haben wohl nur seine finno-ugrischen Arbeiten gehabt, wo auch einige Fachvertreter als seine direkten Schüler anzusprechen sind, wie z.B. Heinrich Wagner, der bei L. in Dublin studierte,[59] oder auch W. Schlachter und H. Katz. Anders ist es wohl in Irland, wo z.B. P. L. Henry und M. McKenna L.s arealtypologische Überlegungen fortführen.[60]

Später beteiligte sich L. gelegentlich noch »auf dem Kontinent« an Ausbildungsaufgaben,[61] ohne aber greifbare Spuren hinterlassen zu haben. In jüngerer Zeit arbeitete wohl nur J. Bechert auf dem Kontinent explizit an einer Fortführung von L.s Projekt: indirekt patroniert L. so das maßgeblich auf Bechert zurückgehende Eurotyp-Projekt. Anders ist es mit der in jüngerer Zeit aufblühenden »Eurolinguistik«, bei der L. durchgehend als Pionier und Gewährsperson figuriert.[62] Positive Bezugnahmen sind im engeren Fach selten, so verweist z.B. W. Lehmann bei seiner syntaktischen Rekonstruktion des Indoeuropäischen ausdrücklich auf L.s Analyse der Herausbildung des »subjektiven Verbs« (der frühen Form des Prädikates, die nicht mit dem Subjekt kongruiert).[63] Direkte Einflüsse finden sich bei anderen Emigranten, z.B. bei Spitzer (s.o. und weiter bei diesem), wie vor allem bei Polotsky, der öfters auf L. verweist und seine Strukturskizze des Koptischen (»Koptischer Satzbau«, 1987-1990) ausdrücklich im L.schen Sinne als charakterisierende Typologie anlegt und sich auch in Einzelkategorien direkt an L. orientiert (z.B. mit der »Flexionsisolierung«, dort Bd. II: 171).

Allerdings erfährt L.s Werk eine gewisse Wiederentdeckung in neueren Versuchen, die Sprachtypologie aus der Sackgasse von atomistischen Faktenkompilationen herauszubringen: H. J. Sasse beruft sich z.B. explizit auf L.s charakterisierende Typologie,[64] wenn er das strukturale Anliegen der Jahrhundertwende aufnimmt, das sich gegen den damaligen sprachwissenschaftlichen Akademismus einer Faktenakkumulation richtete, der tendenziell jetzt in der jüngeren Typologie durch die Möglichkeiten der elektronischen Datenverarbeitung beim Umgang mit Groß-Datenbanken wieder auflebt: die in der jüngeren Tradition der Typologie (in der Nachfolge von Greenberg) üblich gewordenen Korrelationsanalysen (sog. implikationelle Ordnungen zwischen den Korrelationen) zielen ja gerade auf universale Strukturen, meist als kognitiv motiviert interpretiert, also gerade nicht auf die Charakterisierung einer sozialen Identität Sprache (im Sinne von Saussures »langue«).

Hier wiederholt sich in gewisser Weise die methodologische Debatte, die zu Beginn des Jahrhunderts in der Sprachgeographie ausgetragen wurde, wo die Bündelung von Isoglossen eine gewisse Beliebigkeit zeigte, mit der sozialen Gegebenheiten wie Sprache/Dialekt nicht ohne weiteres Rechnung zu tragen war. In diesem Spannungsfeld argumentierte L., wenn er sich bemühte, einen methodischen Ansatzpunkt zu finden, um signifikante Korrelationen auszumachen, die so etwas wie die Physiognomie eines Sprachbaus zu definieren erlauben. Es charakterisiert das Scheitern seines Lebenswerks an den Bedingungen des Exils, daß L. auch bei den jüngeren Sprachwissenschaftlern nicht vorkommt, die in gleicher Weise bemüht sind, derartige strukturale (charakterisierende, manchmal auch »holistisch« genannte) Argumentationen zur Geltung zu verhelfen, wie etwa David Stampe, Theo Vennemann oder etwa auch Johanna Nichols, die eindrucksvoll die Bedeutung des Faktors Raum in der Sprachentwicklung gezeigt hat,[65] dem L. versucht hat, Rechnung zu tragen (Sasse ist mit seinem expliziten Rückgriff auf L. eine Ausnahme).

L. ist eine Schlüsselfigur in der Entwicklung der modernen (strukturalen) Sprachwissenschaft – aber eine tragische. Die Probleme der Vertreibung sind in das Notizenhafte seines Spätwerkes eingeschrieben: sein Hauptwerk, der »Bau der europäischen Sprachen« (1942) hat er selbst als »aus der Reisetasche« geschrieben bezeichnet (persönliche Mitteilung von J. Bechert). Auch ausgesprochen typologisch orientierte jüngere Kollegen pflegen mit dieser Darstellungsform nichts anfangen zu können. So ist L. derzeit eher eine Figur der Fachgeschichte als des Faches.[66] Eine endgültige Beurteilung seines Werkes wird erst möglich sein, wenn der gesamte Nachlaß veröffentlicht ist, was J. Bechert plante, ihm aber durch seinen frühen Tod nicht mehr möglich war. L.s private Bibliothek (Bücher und eine große Sammlung von Sonderdrucken) hat 1967 die damals neugegründete Universität Odense für ihre Bibliothek erworben, wo sie systematisch katalogisiert ist.[67]

 

Q: V; W. Wissmann (Hg.), E. L., »Kleine Schriften«, Berlin/DDR: Akademie 1961 – diese Ausgabe im folgenden als KlSch zitiert.[68] Nachruf von H. Wagner in: Z. celt. Ph. 31/1970: 288-291; Knobloch in: NDB 14/1985: 48-49; Katz in: Finno-ugrische Forschungen 39/1971: 418-421; P. Hödl, »›Dass es in der Sprachwissenschaft kriselt, freut mich.‹ Die Briefe von E. L. an Hugo Schuchardt«, Grazer Ling. St. 80/2013: 267-321;[69] Stammerjohann (Gulya). Bibliographie (bis 1952) von R. A. Mayer in Lexis 3/1952: 147-157, sowie die Synopse in den »Kleinen Schriften«, VI-XV. Zu seiner Bedeutung für die Finno-Ugristik s. Hajdú/Domokos 1987: 429; G. Holfter, »Akademiker im irischen Exil – Prof. E. L. (1881-1966)«, in: German Life and Letters 61/2008: 363-387. Hinweise zur Vita und zum Werk von J. Bechert und Menges. Personalakte im Archiv der Humboldt-Universität, Berlin; Hinweise von M.-L. Bott.

 

[1] Breslau: Fleischmann 1904 – Teildruck.

[2] Göttin­gen: Vandenhoeck und Ruprecht 1911.

[3] Franz Nikolaus Finck (1867 – 1910), Promotion in der vergl. Sprachwissenschaft Marburg 1895, 1903 Habilitation in Berlin, seit 1907 als Privatdozent Lehre in der Orientalistik. Weit gestreute deskriptive Arbeiten (u.a. Armenisch, Irisch, ozeanische Sprachen, Zigeunersprachen), vor allem aber auch zur Sprachtypologie, dazu seine Haupttypen des Sprachbaus (Stuttgart: Teubner 1910). Im expliziten Rückgriff auf Humboldt mit dem Versuch, in den Sprachstrukturen Leistungen des Geistes aufzuzeigen; dazu auch seine an ein breites Publikum adressierte Vorlesung „Der deutsche sprachbau als ausdruck deutscher weltanschauung“ (Marburg: Elwert1899). Daneben auch Veröffentlichungen zu literarischen Gegenständen.

[4] »Lenz, Jakob Michael Reinhold: Gesammelte Schriften« (hg. von L.), Leipzig Wolff 1917.

[5] Aus dem Nachlaß hat jetzt W. Boeder seine "Awarische[n] Texte mit Übersetzung“ herausgegeben (Oldenburg: Universität - BIS 2016), basiert auf L.s Aufzeichnungen aus der Arbeit mit kaukasischen Kriegsgefangenen, s. u. zu seiner Mitarbeit an diesem Doegenschen Unternehmen.

[6] Warum er nicht entlassen wurde, ist nicht ganz klar und war auch für ihn selbst überraschend (s. Holfter, Q) – einen schützenden Frontkämpfereinsatz hatte er nicht (er war als untauglich ausgemustert worden). Er erhielt seine Bezüge auch bis 1938 ausgezahlt.

[7] So z.B. in einer Attacke von E. Glässer 1934 im Lit. Bl. f. germ. u. rom. Phil., der ihn dort der Gruppe von »rassefremden« Sprachanalytikern (Spitzer vorneweg) subsumiert, dem »Hatzfeld-Lewy-Leo-Spitzerschen Programm« (Sp. 320, s. dazu bei Heyd).

[8] Ein enger Kontakt zu Gardiner war auf dem Internationalen Linguistenkongreß 1933 in Rom entstanden.

[9] In Irland unterstützten ihn Fachkollegen, vor allem solche, die selbst in Berlin studiert hatten (O. Bergin, D. A. Binchy, M. Dillon), aber besonders auch Freunde aus der literarischen Szene wie O. St. John Gogarty (Hinweis von J. Bechert). Der spätere Direktor des Dubliner Instituts für Advanced Studies, an dem L. tätig war, Myles Dillon, hatte in Berlin bei W. Schulze studiert (s. Rockel 1969: 320-321, worauf sich diese Bemerkungen stützen).

[10] De Valera intervenierte direkt bei der irischen Botschaft in Berlin, die ansonsten eine extrem restrikitive, antisemitisch bestimmte Visum-Politik betrieb, um auch Lewys Tochter ein Visum zu erteilen, s. Keogh 2006: 46.

[11] Julius von Farkas (1894-1958), Finno-Ugrist. Seit 1925 Professur in Berlin, seit 1947 in Göttingen. Detailliert zu den Berliner Vorgängen M.-L. Bott, »Der Aufbau der Berliner Hochschul-Slavistik 1946-1951 in der SBZ/DDR«, unveröffentlichtes Manuskript 1999.

[12] Um seine Notlage zu unterstreichen, führt er an: »Ich habe mir zum Beispiel in all den Jahren keine neue Brille beschaffen können«.

[13] Steinitz spielte dabei eine ambivalente Rolle, wohl auch, weil er sich den politischen Zielen des Neuaufbaus strikt unterordnete, was Prioritäten beim Wiederaufbau der Universität implizierte, die mit dem wissenschaftlichen Projekt von L. (und dessen Arbeitsweise, die Steinitz ja sehr gut kannte) nicht kompatibel waren, s. zum Verhältnis der beiden bei diesem.

[14] James Byrne (1820-1897). S. ders. »General principles of the structure of language«. 2 Bde. London: Trübner 1885.

[15] Vgl. „Gibt es doch noch nicht einmal einen Menschen, der sich zu allen Zeiten auf immer gleiche Weise ausdrückte. So würde es den in der Tat keineswegs falsch sein, eine ganze Reihe von Typen der deutschen, der französischen und jeder anderen Sprache aufzustellen.“ (Haupttypen 1910: 3).

[16] Die inneruniversitären Vorgänge dazu sind dokumentiert bei Ch. Wagenknecht, »E. L. in Göttingen: ›Sakrileg an Goethe‹?«, in: Universität Göttingen - Informationen Juli/August 1991: 10-11.

[17] L., der in Briefen aus dieser Zeit alles andere als Ansätze zur Selbstkritik zeigt (s. die Briefe an Schuchardt bei Hödl, Q), konnte das nur als Ergebnis einer Berliner Intrige sehen, die der mit Roethe eng verbundene Göttinger Altgermanist E. Schroeder ins Werk gesetzt hatte, so u.a. in seiner Darstellung gegenüber Schuchardt in einem Brief vom 25.-26.2.1922. Ausgehend von L.s Sicht kursieren in der Literatur verschiedene Versionen dieses Vorgangs, so z.B. Scholem 1975: 32, s. dazu auch Holfter 2008: 374 (Q).

[18] Berlin-Lichten­rade: Selbstverlag (?) 1913, (KlSch. 91-113).

[19] Mit dieser Arbeit war L. im übrigen ein in der damaligen Germanistik bereits etabliertes Thema angegangen (vgl. etwa Paul Knauth, »Goethes Sprache und Stil im Alter«, Leipzig: Avenarius 1898). Eine systematische Kritik an L.s Vorgehen lieferte H. Schneider in: Anz. f. dt. Altertum u. dt. Lit. 39/1920: 75-78, der L. dort mit einigem Recht assoziatives Hantieren mit Stereotypen und eine unzureichende Kontrolle an Goethes Texten (statt Beibringen illustrierender Beispiele) vorwirft – im Sinne eines nicht eingelösten Anspruchs der Arbeit. Eine positive Kurzrezension hat dagegen Benjamin 1932 in der Frankfurter Zeitung veröffentlich (s. W. B. Werke, Bd. 3: 332). Mit einiger Verbitterung hat L. später registriert, daß sein entschiedenster Gegner in Berlin, der Germanist Roethe, ohne ihn zu erwähnen, seine Überlegungen in eigenen Schriften über Goethe nutzte (Hinweis von J. Bechert).

[20] Z. Sexualwiss. 17/1930: 36-42.

[21] Lexis 1/1948: 174-186, hier S. 180.

[22]  In München hat er wohl auch eigene (Kunst-)Werke in Ausstellungen gezeigt.

[23] In: Neoph. Mitt. 53/1952: 129-149.

[24] Vgl. z.B. zu Joyce den erwähnten Aufsatz in Lexis 1/1948: 182; s. auch oben zu seiner Ausgabe der Werke von Lenz.

[25] In: Z. Völkerpsych. Soz. 3/1927: 101-103.

[26] S. z.B. wieder der Aufsatz in Lexis 1/1948: 177.

[27] In: Z. rom. Ph. 42/1922: 71-75.

[28] In: Z. dt. Bildung 5/1929: 588-595.

[29] So im Vorwort zu seinen »Stilstudien« (1928).

[30] Daß für die politisch-ökonomische Entwicklung gerade England eine führende Rolle einnahm, irritiert ihn zwar aufgrund der geographischen Lage, bestätigt ihn dafür aber in der Diagnose der Sonderrolle des Irischen. Diese explizit politisch gemünzten Argumentationen in L.s Arbeiten schließen es aus, ihn einfach dem »völkischen Sprachnationalismus« zu subsumieren, wie es in der Ausdeutung mancher Formulierungen bei ihm (übrigens genauso bei seinem Lehrer Finck) selbst ein sonst so gut informierter Fachhistoriker wie C. Knobloch tut (s. ders. »›Volkhafte Sprachforschung‹. Studien zum Umbau der Sprachwissenschaft in Deutschland zwischen 1918 und 1945«, Tübingen: Niemeyer 2005; Zitat S. 70).

[31] Leipzig: Haessel 1922.

[32] SB der AdW Berlin; Kl. Sprache, Lit., Kunst, Jg. 1961/1, Berlin: Akademie 1961.

[33] In: Doegen 1925: 212-232.

[34] Damit hat L. das umgesetzt, was damals Vilém Mathesius in Prag programmatisch als »Linguistic characterology« entwickelt hatte (so in seinem Beitrag zum 1. Internationalen Linguistenkongreß), s. dazu hier bei Trubetzkoy. Auch Mathesius verstand darunter eine systematische (sprachwissenschaftlich betriebene) Stilanalyse.

[35] Deutlicher noch als in seinen gedruckten Schriften drückte er das in seinen oft polemisch abgefaßten Briefen aus, so in den in Graz erhaltenen Briefen an Hugo Schuchardt, s. Hödl (Q).

[36] In: Caucasica 9/1931: 88-128.

[37] In: Bl. Real. Soc. Vascongada 14/1958: 301-306.

[38] In: FS von Farkas 1959: 163.

[39] Martin Heepe (Hg.), »Lautzeichen und ihre Anwendung in verschiedenen Sprachgebieten« (1928), Neudruck, hg. von E. Ternes, Hamburg: Buske 1983, S. 88-95.

[40] In: FS Pokorny 1967: 217-222, also postum erschienen.

[41] In: Studium generale 4/1951: 415-422.

[42]  S. die Rezension in: Anthropos 46/1951: 1023-1024.

[43] In: Doegen 1925: 167-176.

[44] Die Redeweise von Sinti und Roma hat sich erst in Reaktion auf die rassistische Verfolgung im Nationalsozialismus eingebürgert – sie findet sich bei L. nicht.

[45] In: Verhandl.. Gelehrten d. estnischen Ges. 30/1938: 356-369; auch in KlSch: 378-381.

[46] Zuerst Dublin in den Proc. der Royal Irish Academy, Bd. 48/1942 – 2. Aufl. Tübingen: Niemeyer 1964.

[47] In einer Analogie (die sich bei L. allerdings nicht findet!): gewissermaßen so, wie bei Darwins Rein­terpretation der Evolutionstheorie durch die Sprengung der bibli­schen Vorgabe einer nur 4000-jährigen Vorgeschichte die Notwendig­keit mythischer Schöpfungsphantasien für die Erklärung der Artenvielfalt ent­fällt.

[48] L. teilte zwar gewisse Prämissen der älteren Substratdiskussion – und er bestand so­gar auf dem Bedingungsfaktor Rasse (obwohl er anmerkte, daß das Wort nach dem faschi­stischen Rassismus unbrauchbar geworden ist, S. Lexis 1/1948: 182, Anm. 1). Aber solche Faktoren haben keine erklärende Funktion in der sprachlichen Analyse. So kommt er in seiner nachgelassenen typologischen Charakteristik des Irischen (s.o.) denn auch ohne alle ethnischen Hinweise im Stile von Pokorny aus - Umso sinniger ist es, daß er diese Skizze für die Pokorny-Festschrift verfaßt hatte.

[49] »Sprachbau«, S. 86.

[50] »Sprachbau«, S. 16.

[51]  In: 3. Internationaler Linguistenkongreß Rom 1933, Verhandlungen: 100-101.

[52] In: Z .vgl. Sprachf. 58/1931: 1-15.

[53] S. o. Fn. 5 zu den von W. Boeder hg. Awarische(n) Texte(n, 2016.

[54] Im Vorwort der Neuauflage von 1964 (datiert in Dublin am 30.6.1963) schrieb er: „Es war für mich ein großes Erlebnis (…) gerade zu diesem Zeitpunkt mein Lebenswerk in meiner Muttersprache gedruckt zu sehen.“

[55] In einem Brief an Steinitz 1938 kann er von den Juden in Deutschland sogar von »Läusen im Pelz« sprechen, die nach einer Säuberung verlangen – mit makaberen völkischen Untertönen, Auszüge aus diesem Brief zitiert bei Holfter, Q: 372.

[56] In seinem allerdings schwer verdaulichen Spätwerk »Philosophie und Sprachwissenschaft« (Berlin: Duncker & Humblot 1965) dient L. als Kronzeuge, den er auch über weite Strecken referiert und zitiert. Eine kompakte (und weniger ansprüchlich befrachtete) Darstellung von L.s charakterisierender Typologie liefert er in seinem Beitrag „Die Sprache als Fundament das Menschseins“, in: H.-G.Gadamer / P.Vogler (Hgg.), Neue Anthropologie, Bd. 7: 204 – 234, Stuttgart: Thieme 1975, bes. S. 215ff.

[57] Persönliche Mitteilung von H. Kahane.

[58] Die enge Beziehung zwischen beiden drückt sich u.a. darin aus, daß Bouda L. für die als Geschenk überlassenen Quellen für seine baskischen Arbeiten dankt, s. ders., »Das transitive und intransitive Verbum des Baskischen«, Amsterdam 1933: 5 (Verh. Akad. Wetenshapen, Letterkunde, NR 32/5).

[59] Wagner (1923-1979) war später von 1958-1979 Professor für Keltische und Vergl. Sprachwissenschaft in Belfast, außerdem wie L. am Dubliner Institut tätig. Zwischen beiden bestanden auch enge persönliche Beziehungen, s. Wagner, Nachruf (Q).

[60] Siehe etwa McKenna in: J. Bechert u.a. (Hgg.), »Typology of European Languages«, Berlin: Mouton 1990: 185ff. Dabei ist L.s Einfluß nur indirekt im Zugriff auf die Daten deutlich, nicht notwendig mit Verweisen auf L. verbunden, s. etwa P. L. Henry, »The Icelandic Prepositional System«, in: Z. vgl. Sprachf. 76/1960: 89-135.

[61] S. das Vor­wort von Birgit Benes, »W. von Humboldt, J. Grimm, A. Schleicher. Ein Vergleich ihrer Sprachauffassungen«, Winterthur: Keller 1958 (= Dissertation Basel 1957).

[62] S. z.B. N. Reiter (Hg.), »Eurolinguistik«, Wiesbaden: Harrassowitz 1999.

[63] S. W. Lehmann, »Proto-Indo-European Syntax«, Austin: Univ. of Texas Press 1974, bes. S. 110 mit Verweis auf L.s Buch von 1942: 24 (Nachdruck S. 15).

[64] S. z.B. ders. »Der irokesische Sprachbau« in: Z. Sprachwiss. 7/1988: 173-214.

[65] J. Nichols, »Linguistic Diversity in Space and Time«, Chicago: UP 1992.

[66] In dem großen Handbuch H. Haspelmath u.a. (Hgg.), »Language typology and language universals« (Berlin: de Gruyter, 2 Bde. 2001 figuriert er so in dem Kapitel »Diskurstraditionen«.

[67] s. http://www.sdu.dk/en/Bibliotek/Materiale+efter+type/Om+samlingerne/Dublin-samlingen abgerufen am 11. Juni 2013.

[68] L. selbst hatte an dieser Ausgabe mitgearbeitet, außerdem Steinitz und Lohmann.

[69] P. Hödl hat systematisch die zugängliche Literatur zu L. recherchiert. Darauf stützt sich die Überarbeitung dieses Beitrags, deutlich im Vergleich zu den gedruckten früheren Versionen.