Benjamin, Walter Bendix Schoenflies
Geb. 15.7.1892 in Berlin, gest. (Freitod) 26.9.1940 in den östlichen Pyrenäen auf dem Weg nach Port-Bou (Spanien)
B. war »unabhängiger Forscher und Schriftsteller« (Selbstbezeichnung, s. VI: 220),[1] der seine jüngere Aufmerksamkeit der literaturwissenschaftlichen Rezeption verdankt. Bei ihm gibt es aber Gründe, sein Werk als Beitrag zur Sprachforschung zu sehen (sogar noch mehr als bei den hier aufgenommenen anderen Vertretern der Kritischen Theorie Korsch, Marcuse). In seinen Selbstdarstellungen, vor allem so in seinen Briefen, bezog er sich durchgängig auf seine Arbeiten als Sprachtheorie.
Seine weitere Arbeit ist an seine prekäre Lebenssituation gebunden. Nachdem seine schriftstellerischen Bezüge aus Deutschland nach 1933 gekappt waren (zunächst erhielt er noch für Veröffentlichungen unter einem Pseudonym Honorare), war er auf Unterstützungen angewiesen. Solche erhielt er vor allem über Max Horkheimer (1895-1973) von dem Institut für Sozialforschung, das 1934 von Frankfurt nach New Yok exiliert worden war, und für dessen exilierte Zeitschrift B. systematisch angelegte Arbeiten übernahm (s.u.). Außerdem erhielt er zeitweise auch Zuwendungen von der Alliance Israélite in Frankreich.
Ausgangspunkt für seine sprachtheoretischen Überlegungen sind die mystischen Sprachvorstellungen der religiösen Überlieferung, bes. in der Genesis (obwohl praktizierender Jude konnte B. kein Hebräisch und bezieht sich auf späte, vor allem deutsche Übersetzungen; allerdings benutzte er durchgängig Schlüsselbegriffe der hebräischen Bibelauslegung. Über seinen Freund Gershom (Gerhard) Scholem erhielt er auch Zugang zur jüdischen Mystik. [4] Nicht zuletzt vermittelt über diesen, der sich früh mit der zionistischen Bewegung identifiziert hatte und 1923 nach Palästina ausgewandert war,[5] machte er zwar mehrfach Anläufe, Hebräisch zu lernen, und er spielte auch mit dem Gedanken einer eigenen Emigration nach dort,[6] vor allem auch später, als die rassistische Verfolgung zunahm und ihn auch in Frankreich bedrohte. Dabei stellte er aber für sich nur fest, daß sein Leben in Europa verankert war (faktisch war bei ihm damit Frankreich gemeint) – als Intellektueller und auch als europäischer Jude. Dieses Spannungsfeld mit den Polen eines europäischen (deutschen) Juden gegenüber dem eines jüdischen Europäers (Deutschen) bestimmte durchgehend seine Überlegungen.
Seine sprachtheoretischen Überlegungen entfaltete B. entlang dessen, was Scholem explizit als theologische Basislinie von B.s „Metaphysik der Sprache“ ansprach.[7] Eine frühe Ausarbeitung »Über Sprache überhaupt und über die Sprache des Menschen« (1916 – erst postum publiziert, II: 140-157) ist geradezu als Interpretation zu den entsprechenden Abschnitten der »Genesis« angelegt: In der Sprache (dem Benanntsein) kommt das Wesen der Dinge zu sich, indem sie mit ihrem Namen angerufen werden. Insofern ist für B. im Namen die Grundstruktur der Sprache verankert. Allerdings gilt das so nur für die eine (»reine«) Sprache der Schöpfung, an der der Mensch nur im Paradies partizipierte, wie es der biblische Mythos darstellt.
Empirischer Gegenstand der Sprachreflexion ist die Vielheit der Sprachen, in die B. melancholisch die Trauer über das nicht mehr reine Benanntsein der Dinge fundamental eingeschrieben sieht (hier ist auch einer der Ausgangspunkte für sein »Trauerspielbuch«: Sprache hat ihre grundlegende Bestimmung in der Klage, vgl. II: 138). Diese Denkfigur ist für B. Anlaß für weitgehende semiotische Überlegungen. Dazu beschäftigte er sich auch mit der logischen Theorie der Namen bis hin zum logischen Kalkül Russells (s. VI: 9-15), da ja Kalkülsprachen vorgeblich auch dazu dienen sollen, die Vielheit der natürlichen Sprachen (in Analogie zu B.s Rede von der »menschlichen Sprache«) zu überwinden. Eine gewisse Schlüsselrolle erhielt so für ihn das Verhältnis von Sprache zu Mathematik: einerseits gibt es eine Entsprechung zwischen »reiner Sprache« und per Abstraktion »gereinigtem« mathematischen Kalkül, andererseits liegt die "reine Sprache", in der das Wesen der Dinge im Namen »zu sich kommt«, auf einer ganz anderen konzeptuellen Ebene als der mathematische Kalkül, der eine formale Ressource für die begriffliche Arbeit ist und insofern nur einen approximativen Weg zur Erkenntnis darstellt;[8] s. in diesem Sinne auch seine späteren Notizen zur Überarbeitung dieser frühen Schrift in VII: 785-791.
Seine Überlegungen sind recht assoziativ. Folgerichtig von seinen mystischen Prämissen aus ist für ihn die Genese des Urteils und damit der grundlegenden Sprachstruktur der Prädikation im Akt des Sündenfalls zu sehen, der in der Anmaßung eines Urteils (über Gut und Böse) besteht, also dem Heraustreten aus dem reinen Zustand des wesenhaft Nennens (s. IX: 154). Die theoretische Fundierung der logischen Kalküle (deren praktischer Sinn für ihn nicht zur Debatte steht!) ist ein konventionalistisches Sprachverständnis, das das Wahrheitsproblem als ein vordergründiges Abbildverhältnis (re-)konstruiert und so die existentielle Grundbestimmung von Sprache eskamotiert (vgl. II: 150). Reflexion auf Sprache muß demgegenüber von dem ausgehen, was sich in Sprache zeigt, also auch gebrochen an der Vielheit der Sprachen. Diese stellt die Negation der einen, reinen Sprache dar. Der Weg der Wahrheit liegt in der Negation dieser Negation, die als Spracharbeit an der Artikulation des Gemeinten praktisch wird, vor allem bei der Übersetzungsarbeit (II: 152). Systematisch hat B. das im Vorspann zu seiner eigenen Baudelaire-Übersetzung entwickelt (IV/1: 1 - 21). Mit der Übersetzung wird die kontingente Setzung einer sprachlichen Form in einer bestimmten Sprache transzendiert - aber nur, wenn die Übersetzung nicht vorgibt, sich an die Stelle des Originals zu setzen, sondern wie bei einer Interlinear-Übersetzung den Blick auf das Gemeinte freimacht. Dadurch wird die jeweilige textuelle Form als eine "Art des Meinens" für das Gemeinte durchsichtig. Sie bleibt nicht einfach ein Zug im historisch kontingenten Verlauf sprachlicher "Mitteilungen", sondern sie artikuliert auf der einen Seite die "reine Sprache", auf der anderen bewahrt sie "Wert und Würde der Sprache", die mit der Fetischisierung der vorgefundenen (zufälligen) Form ignoriert werden (zwar nicht hier, aber in anderen Arbeiten seit der Mitte der 1920er Jahre benutzte B. das Marxsche Konzept der Fetischisierung,s.u.). Wenn auch nur in sehr abstrakter Form angesprochen umriß B. damit die Perspektive einer dynamischen Sprachanalyse, die Sprachen nicht als statische Größen behandelt. Grundlegend ist dabei der Sprachausbau, der mit jeder Übersetzung, die über die von einfachen Mitteilungen hinausgeht, aufgerufen wird, wie B. es als Aufgabe des Übersetzers formulierte: "er muss seine sprache durch die fremde erweitern und vertiefen" (IV/1: 20), statt die fremde Sprache auf die eigene zu kalibrieren.
An diesen mystischen Prämissen hat B. sich in seinem Werk durchgehend abgearbeitet, vgl. z.B. in einem nachgelassenen Fragment aus den 1920er Jahren: Wahrheit ordnet sich »konstitutiv« zum Schweigen, Lüge zur Rede (VI: 64). Dazu gehört auch die Grundfigur seiner entsprechenden Überlegungen: Bedeutung wir jäh präsent (so in vielfachen Abwandlungen, häufig spricht er von blitzartig). Sie kann aber analytisch bearbeitet werden. Dazu unternahm er es, Deutungen sprachlicher Ausdrücke anhand ihrer Konsequenzen in der Auseinandersetzung mit empirischen Problemen auszutesten. Wichtig war dafür, daß er gerade von seinem Ausgangspunkt bei der religiösen Überlieferung für seine sprachtheoretischen Bemühungen das besondere Verhältnis von Sprache und Schrift mitreflektierte. In diesem Sinne hatte er sich dazu in seinem Studium auch recht breit umgetan – z.B. in München mit Studien zur Maya-Schrift (bzw. zur aztekischen Mythen-Überlieferung) bei dem Amerikanisten Lehmann (s. Scholem 1975: 47).
In dieser Hinsicht war sein Studium bei Ernst Lewy in Berlin von entscheidender Bedeutung, wie er in einem späteren Lebenslauf schrieb, der nicht mehr taktisch auf die sprachwissenschaftliche Empfindlichkeit germanistischer Literaturwissenschaftler Rücksicht nahm (s. Lebenslauf VI von 1939/1940, VI: 225-228).[9] Lewy brachte ihn zu einer gründlichen Auseinandersetzung mit Humboldt, von dessen sprachtheoretischen Schriften B. Mitte der 20er Jahre sogar einen Auswahlband vorbereitete (und darüber auch mit Lewy Kontakt hatte, s. VI: 26 und 648-651). Lewys sprachtypologischen Überlegungen ermöglichten es ihm, die Einseitigkeit seiner Namentheorie anzugehen: das, was er zuvor nur als Verfallserscheinung gefaßt hatte: die syntaktische Struktur der Sprachen (des »Urteils«), sieht er jetzt als ihr Spezifikum. Am weitesten vorangetrieben hat er seine sprachtheoretischen Überlegungen in dieser Richtung in seinem Aufsatz »Die Aufgabe des Übersetzers« (1923 als Einleitung zu seinem Band mit Baudelaire-Übersetzungen erschienen, IV: 9-28). Im Anschluß an Humboldt betont er hier die kulturelle Arbeit an Sprache in der Schrift/Literatur, die die sprachlichen Potentiale entfaltet: Damit ist ein Bezug auf anderes, das in Sprache Gemeinte, gegeben, das eine Bewertung von Übersetzungen erlaubt; wo das nicht der Fall ist, bei der unmittelbaren (mündlichen) Kommunikation, ist die sprachliche Form an die soziale Besonderheit der Gemeinschaft gebunden, ist Übersetzung im strikten Sinne nicht möglich (IV: 20). Lewys Einfluß ist deutlich bei der Art, wie er hier die Basis für die Übersetzbarkeit in Gemeinsamkeiten der Sprachen sieht (verschiedene Sprachen als verschiedene Arten sich auszudrücken, IV: 18) – wobei die typologischen Entsprechungen vor allem in der Syntax für den Übersetzer wichtig sind. Dabei wird für ihn aber bei der Übersetzung der Sprachausbau aufgerufen, wenn die Auseinandersetzung mit dem fremden Text den Übersetzer dazu zwingt, die strukturellen Festlegungen durch die eigene Srpache zu ändern.
Die Kontakte zu Lewy waren auch auf der persönlichen Ebene zunächst sehr eng. Als er sein Zeitschriftenprojekt Angelus Novus plante, hatte er ihn auch als Mitarbeiter vorgesehen, der für deren ersten Band eine Diskursanalyse der Wilhelminischen Gesellschaft beisteuern sollte (s. die Diskussion darum in II,1; zu dem geplanten Beitrag von Lewy II,3: 983-4). Lewy unterstützte auch B.s sprachtheoretisches Habilitationsprojekt. Das spätere persönliche Zerwürfnis zwischen beiden (für das Scholem Lewys Frau die Schuld gibt!) fällt mit der von Scholem diagnostizierten Wende in B.s Denken vom systematischen zum kommentierenden zusammen.[10]
Einen ersten Abschluß fanden B.s sprachtheoretischen Überlegungen in der geplanten Habilitationsschrift. Als literaturwissenschaftliche Arbeit bemühte sie sich, Grundstrukturen des Barockdramas herauszuarbeiten, in genauer Auseinandersetzung mit den Quellen, gegen eine anachronistisch-normative Literaturgeschichtsschreibung gerichtet, genauso wie gegen eine historisch leere Form-(Gattungs-)Analyse. Indirekt versuchte er mit dieser Arbeit, sein sprachtheoretisches Projekt umzusetzen: Die analytische Schlüsselfigur ist die Allegorie, die B. als sprachliche Grundkategorie entwickelt: einerseits gegen eine konventionalistische Zeichentheorie, die Bezeichnendes und Bezeichnetes (sic bei B.) nur äußerlich verknüpft, und bes. auch gegen ein kommunikativ reduziertes Sprachverständnis, andererseits aber auch als Bearbeitung seines mystischen Symbolverständnisses, bei dem Bedeutung unmittelbar („jäh“) präsent ist . An der Allegorie zeigt sich Sprache als Ausdruck: In ihr drückt sich (in einzelsprachspezifischer Weise) ein Inhalt aus, der nicht assoziativ mit den Zeichen verknüpft ist und daher nicht durch begriffliche Schlußoperationen erschlossen werden muß, sondern der, wenn er erfaßt wird, allerdings »jäh« gegeben ist (er wendet sich explizit gegen eine Fundierung des Verstehens in einer Reproduktion gelernter sozialer Praxis, I: 219). Insofern ist die Allegorie eine Figur der Sprachpraxis, in einer Spannung zu ihrer konventionellen Fixierung, wie er es für die Barock-Dichter philologisch akribisch untersuchte. Allegorien stehen in einem Spannungsfeld zu ihrer symbolischen Fixierung, insbesondere, wenn diese an eine schriftliche Festlegung gebunden ist. Die Grundüberlegungen dazu hatte er in mehreren argumentativen Anläufen zu einer „mimetischen“ Rekonstruktion der Sprache entwickelt, s. „Über das mimetische Vermögen“ (II/3: 204 – 231) und die Fragmente dazu im Nachlaß (II/3: 950 – 960).
Das Einleitungskapitel des Trauerspielbuchs (das vor allem die Befremdung der Gutachter im Habilitationsverfahren provozierte), entwickelt diese mystische Sprachtheorie relativ ausführlich. Der Ausdruck (hier die Allegorie) liegt auf der Linie seiner früh entwickelten »Namentheorie«. Auf der anderen Seite steht, von ihm an den Texten genau diagnostiziert (eben auch mit sprachanalytisch-formaler Genauigkeit: etwa zur Wortbildung I: 236, zur Formulierung der Titel, I: 376ff. u.a. mehr) die Stereotypisierung der Ausdrucksformen, deren Ambivalenz er als Hieroglyphen faßt (bes. I: 376-377): einerseits als Erstarrung des Ausdrucks, die die analytischen Potentiale der Sprache/Schrift ausschaltet (hier mit deutlichen Anklängen an Humboldt, vor allem auch, was die explizite Anwendung dieser Überlegung auf die Schrift betrifft), andererseits (bzw. gerade dadurch) eine Sakralisierung der Sprache bewirkt (aus Briefen B.s wird deutlich, daß er den Problemen der Schrift eigentlich ein ganzes Schlußkapitel hatte widmen wollen).
In einigen Passagen der Arbeit wird aber eine Ambivalenz gegenüber seiner mystischen Sprachauffassung deutlich: soziale Strukturen werden nicht durchweg ausgeklammert (er wirft ja gerade der damals herrschenden Literaturgeschichtsschreibung ihre Ignoranz gegenüber soziologischen Fragen, etwa der Wirkungs- bzw. Rezeptionsforschung, vor). Sein Bezugshorizont hatte sich gegenüber den frühen Arbeiten entscheidend durch die seit 1924 begonnene Auseinandersetzung mit dem Marxismus geändert, bei der auch seine zeitweise sehr enge Beziehung zu der lettischen Marxistin Asja Lacis eine wichtige Rolle spielte,[11] und dann der Kontakt zu B. Brecht seit den späteren 1920er Jahren, den er u.a. auch in Dänemark besuchte und mit dessen "Versuchen" er sich systematisch auseinandersetzte. Die Auseinandersetzung mit dem orthodoxen Marxismus der kommunistischen Parteien, deren Linie er für sich reklamierte, stand in einer Spannung zu seiner analytischen Praxis, wie vor allem Scholem wiederholt in seinen Briefen an ihn monierte. Aus anderer Richtung kritisierte Adorno den voluntaristischen Gebrauch, den B. von der marxistischen Begrifflichkeit machte, vor allem beim Fetisch, so in einer Reihe umfangreicher Briefe aus dem Jahr 1938.[12]
Die Neuausrichtung seiner Überlegungen hatte ihn in das Umfeld des Frankfurter Instituts für Sozialforschung gebracht. Dabei fand er auch bei Horkheimer große Unterstützung, der bei dem Habilitationsverfahren noch entschieden gegen seine Arbeit votiert hatte (s. VI: 772). Bei der Aneignung der materialistischen Theorieansätze konnte seine Abwertung der sozialen Praxis, der Sprache als Mitteilung, nicht unproblematisiert bleiben – die Spannung hat er auch deutlich gespürt (s. etwa eine Tagebucheintragung auf seiner Moskau-Reise Ende 1926, VI: 331), aber er hat sie zunächst ausgeklammert und sich umso intensiver mit der sprachwissenschaftlichen Forschung auseinandergesetzt (einer der massiven Vorwürfe, die er an die Adresse der zeitgenössischen Sprachphilosophie richtet, ist es gerade, rein »spekulativ« ohne Bezug zur Sprachwissenschaft den Gegenstand abzuhandeln, s. seine bissige Rezension zu R. Hoenigswald [1937] 1939, III: 564-569).[13]
Entsprechend war es für B. selbstverständlich, sich auch für seine literaturwissenschaftlichen Arbeiten mit den einschlägigen sprachwiss. Veröffentlichungen auseinanderzusetzen (s. seine Rezensionen 1927-28 zu Hankamer, VI: 59-61, Fiesel u.a. VI: 96-97). Er betonte aber auch hier wieder die für eine historische Analyse unerläßliche genaue, sprachwissenschaftlich kontrollierte Beschreibung (s. seine sehr positive Rezension von Gumbels »Deutsche Sonderrenaissance in deutscher Prosa«, III: 375-377). Daher arbeitete er sich durch die sprachtheoretisch und sprachsoziologisch intendierte Forschungsliteratur hindurch. Ein Niederschlag davon ist sein erstaunlich informiertes Sammelreferat dazu.[14] Hier faßte er den Gegenstand systematisch-breit, also unter Einschluß der sprachpsychologischen Forschungen, soweit diese Konstitutionsfragen behandeln. Gerade hier ist seine Abgrenzung von seiner früher doch relativ naiv vertretenen »Ausdruckstheorie« besonders deutlich: Onomatopoetischen Spekulationen stellte er Analysen von Gesten- und Signalstrukturen gegenüber und argumentiert mit dem Primat des Werkzeugdenkens bei der Sprachentwicklung (mit Vygotski gegen Piaget, 262). Seine Rezeption der Forschung ist ohnehin breit: Delacroix (263), eine explizite Kritik des US-amerikanischen Behaviorismus (264 f.); in Bühlers Arbeiten, bes. der »Sprachtheorie«, sieht er einen Angelpunkt für einen theoretischen Neuanfang (S. 249, 259-261) – aus seinen Briefen wird deutlich, daß er von hier aus offensichtlich vorhatte, seine eigenen sprachtheoretischen Überlegungen nochmal aufzugreifen (s. VI: 674): Bühlers Feldtheorie und das Organonmodell werden von ihm sehr instruktiv referiert. In Bühlers ‚Sprachtheorie‘ sah er einen Ansatzpunkt, um seine sprachtheoretischen Überlegungen weiter auszudifferenzieren, s. dazu seinen Brief an Scholem vom 26.12.1934 (Briefe II: 638).
Bei seinem politisch-wertend intendierten Durchgang durch die Aufsätze zu »einer fortschrittlichen Gesellschaftswissenschaft« (261) diskutierte er methodische Entwicklungen in der Sprachwissenschaft (vor allem die »Wörter und Sachen«-Richtung, und in Verbindung damit Weisgerber, 256-257, 264, die neue Stilistik, s. zu Bally, 253); die materialistischen Ansätze Marrs, die gesellschaftliche (»Klassen«) an die Stelle von naturhaften (»Rassen«) in der Analyse setzen; empirische Befunde der (Sozial-)Psychologie (außer Vygotski, Delacroix u.a. bes. noch H. Werner, 267 und K. Goldstein, 267) sowie eben auch den Wiener Kreis: Sein Versuch, das Anliegen von Carnaps »Logischer Syntax« darzustellen (258-259) sticht bemerkenswert von literaturwissenschaftlichen Berührungsängsten gegenüber Formalisierungen ab (vgl. die Parallele bei Korsch). Diesen "fortschrittlichen" Ansätzen gegenüber steht die durch sie entwertete Reaktion: »Sprachmythologie« (sic!) bei Levy-Bruhl und Cassirer, und, von ihm recht ausführlich besprochen, Schmidt-Rohrs »voluntaristische Sprachphilosophie«, die sie dienstbar für reaktionäre Politik macht, wobei er den Antirassismus von Schmidt-Rohr durchaus anerkennend registriert (263-264). Wie ernst er den Vorwurf an Schmidt-Rohr meinte, auf zu dünner Materialbasis über sprachsoziologische Probleme »Tiefsinniges« von sich zu geben, zeigen seine positiven Rezensionen von Arbeiten, die sprachpolitische Probleme auf der Basis materialer Forschungen abhandeln (auch wo er Einwände gegen die Ansichten der Verfasser hat, vgl. die Rezension zu Brunot über die französische Sprachpolitik, III: 569-572). Merkwürdigerweise fehlt in diesem Sammelreferat eine Auseinandersetzung mit seinem früheren sprachwissenschaftlichen Bezugspol Lewy (bzw. der sprachtypologischen Tradition von Humboldt zu Finck) – vielleicht jenseits der inzwischen eingetretenen Verwerfungen im persönlichen Bereich (s.o.) ein Indiz dafür, daß er hier noch nicht bis zu einer Kritik gekommen war. Dieses nahezu positivistisch gearbeitete Referat steht einigermaßen quer zu seinem sonstigen Werk, und so hat er es selbst auch verortet.[15]
Das von ihm als sprachtheoretische Grundstruktur bestimmte Problem der Mimesis griff er immer wieder von neuem auf, [16] insbes. auch anknüpfend an seinen sprachsoziologischen Forschungsüberblick (auch hier wieder die Spannung von Schrift zu gesprochener Sprache reflektierend: Schriftpraxis erscheint ihm in ihrer Materialität noch fundamentaler, näher an der umfassenden mimetischen Fähigkeit zu sein als die gesprochene Sprache, s. II: 955ff.).[17] Als Ergebnis seiner Auseinandersetzung mit dem Marxismus benutzte er später dialektischen Bilder als Analysefigur, um die analytische Spannung zu bezeichnen zwischen dem sich jäh (s.o.) egebenden Eindruck und dem erst analytisch aus dem konzeptuellen Hof des so Gefaßten zu Extrapolierenden.[18].Diese Konzeption entwickelte er in Schriften wie »Das Kunstwerk im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit« (1936, I: 431-508) und dann vor allem in seinen Vorarbeiten zu dem nicht abgeschlossenen (nachgelassenen) »Passagenwerk« (V/1+2). Was er in zunächst nur in aphoristischen Bemerkungen fixiert hatte: Daß Sprache in ihrer physischen Materialität die unmittelbare Partizipation an anderem, nicht physisch Präsentem erlaubt (vgl. etwa pointiert: »Die magische Funktion des Alphabets: der unsinnlichen Ähnlichkeit den dauerhaften semiotischen Fond zu liefern, auf dem sie erscheinen kann«, im: Nachlaß, VII/2: 796), entfaltete er hier zu einer historischen Theorie, wie er es im Trauerspielbuch begonnen hatte.
Das Trauerspielbuch war durch einen literaturgeschichtlich fokussierten Blick auf das 17. – 18. Jhd. bestimmt gewesen. Dem stellte er im "Passagenwerk" einen auf die Moderne ausgerichteten Blick gegenüber, material festgemacht am 19. Jhd., das er in einem „dialektischen Bild“ faßte (bei ihm ein Schlüsselbegriff, den er durchgängig benutzte, z.B. V/1: 580 u.ö.). Gewissermaßen verdichtet ist die Moderne in Paris greifbar, das er sich als Flaneur erschlossen hatte (dabei eben vor allem auch die "Passagen" der Innenstadt) – so verfiel er im Text auch schon mal vom Modus des „man“ in den des „ich“ als Subjekt der Darstellung, z.B. V/1; 1041 vs. 1043). Hier setzte er seine Marx-Lektüre um, besonders die analytische Figur des Fetischcharakters (bei Marx als Element der Warenform, bei B. als kulturanalytischer Grundbegriff). Die Wahrnehmung stellt sich mit ihren Erscheinungsformen jäh ein (durchgehend sprach er metaphorisch vom Blitz, Blitzhaften u.a.). Sie muß analytisch lesbar gemacht werden für die darin sedimentierte Geschichte des Wahrgenommen, weshalb er für Paris (bzw. die Passagen) extensiv sozial- und wirtschaftgeschichtliche Quellen heranzog und collagenhaft verarbeitete. Dabei ist das Fragmentiert-Rhapsodische der Darstellung nicht (nur) ihrem Status als Arbeitsnotizen geschuldet, sondern genuiner Ausdruck der Struktur des Dargestellten. Dieses spiegelt sich in momentanen Eindrücken, die nicht zu einem homogenen System zu fügen sind, sondern nur in den Konfigurationen von Montagen die Sinnhaftigkeit des Dargestellten zeigen.
Insofern löst das „Passagenwerk“ indirekt B.s Suche nach einer angemessenen Form der Repräsentation der sprachlichen Grundverhältnisse ein – gerade, weil es aus der Fiktion einer begrifflich stringent entwickelten (im Grenzfall axiomatischen) Entfaltung der Gedanken ausbricht. Die Art wie B. an diesem Unternehmen von 1927 bis in die letzten Jahre 1939/1940 vor seiner seinem Fluchtversuch aus dem besetzten Frankreich gearbeitet hat, zeigt sehr deutlich, daß er es mit dem Niedergeschriebenen noch nicht eingelöst fand. In gewisser Weise fertig waren nur Teile davon, insbesondere die Abschnitte über Baudelaire, der für ihn (auch als Flaneur in Paris) die Spannungen der Moderne verkörperte.[19]
Diese Überlegungen hat B. in seinen literarischen Kritiken ausgebaut, wobei er Argumentationsformen einer historischen Pragmatik skizzierte; so entwickelte er in seiner Lesskow-Studie »Der Erzähler« (ca. 1936, II/2: 57) nicht nur ein soziales Verständnis der sprachlichen kulturellen Formen, gebunden an eine spezifische interessierte Interaktion der Beteiligten (Erzähler wie Hörer/Leser), er thematisierte auch die literarische Progression als eine, die sich nicht in Wiederholungszwängen erschöpft und insofern auch nicht über das Wiedererkennen in tradierten Formen angemessen »benennbar« ist. Das Mimetische erscheint so als negativer Grenzwert, wenn kollektive Erfahrungen zwar ihren Ausdruck finden können, aber nicht vermittelbar sind, weil die kulturelle Tradition keine Sprachform bereitstellt, um sie zu artikulieren.[20] Sprache/Denken werden von B. hier in der Perspektive der praktischen Bewältigung historisch sich ändernder Situationen gesehen. Damit wird die Fragestellung aus dem Mythos gelöst (s. auch die Absage an einen simplen Parallelismus von Sprechen und Denken in dem dazugehörigen Fragment »Kunst zu erzählen«, VI/1: 435).
Obwohl bei ihm nicht so formuliert, handelt es sich hier in Abkehr von seinen früheren mystischen Auffassungen um eine genetische Theorie, die die symbolische Praxis als sozial fundierte und so auch erlernte faßt: Der Umgang mit anderen sedimentiert sich gewissermaßen als Verweisungszusammenhang in den dabei benutzten Dingen (eben auch sprachlichen Dingen), die dadurch auratisch werden, in denen das Abwesende jäh präsent werden kann (hier war für B. die Proustsche Rekonstruktion von Gedächtnisleistungen wichtig – B. hatte eine Übersetzung der Proustschen Werke seit 1925 unternommen, die nur z.T. veröffentlicht ist, s. II: 1044ff.). War aber in seinen früheren Arbeiten dieses jäh-Präsente (ideal im Namen gefaßt) für ihn das Zentrale, das in allen »konventionellen« semiotischen Zuordnungstheorien verloren geht, so ist es jetzt die historische Tiefendimension der auratischen Sprachstruktur. Er hatte das an der Allegorie im Trauerspielbuch schon exploriert, war aber wohl in historisch-dilettierendem Abstand ambivalent geblieben bzgl. der »Hieroglyphisierung« bzw. »Sakralisierung« erstarrter Formen. Seine detaillierte semiotische Spurenlese in den späteren Arbeiten zeigt ihm deren konstitutive Rolle bei einer menschlichen Praxis, die die Potentiale zur Geltung bringt (in dem Sinne wie eben nur beim Menschen das Wesen sprachlich ist): Darin besteht seine rhapsodische Rekonstruktion der Großstadt-»Lektüre« (im »Passagenwerk«), aber auch seine Rekonstruktion der semiotischen Strukturen im ontogenetischen Lernprozeß in einer Reihe von Arbeiten zum Kinderspiel bzw. Spielzeug (vgl. z.B. III: 213ff., IV: 623ff., VII: 98ff., 105ff. u.ö.): Hier entwickelte er auch seine Überlegungen zur mimetischen Fähigkeit in einer anamnestischen Rekonstruktion der Kindheit, am deutlichsten (s. bes. VII: 791ff.).
Sehr explizit hat B. diese Überlegungen in einem Beitrag zu Karl Kraus dargestellt.[21] Dieser Artikel, der auch ausgesprochen schwungvoll abgefaßt ist, ist 1931 erschienen, aber, wie bei Scholem nachzulesen ist, hat B. sich damit in den Jahren vorher durchgehend auseinandergesetzt. Was Kraus programmatisch mit seiner „Fackel“ anging,[22] sah B. auch als sein Projekt: gegen den öffentlich inszenierten Leerlauf der Sprache in Phrasen anzugehen und demgegenüber Sprache als Ressource zu erweisen, das Wesen des sprachlich Aufgerufenen zu zeigen. Im Kraus‘schen Sinne sprach Benjamin auch schon mal ironisch von Phrasen als der „Befreiung der Sprache“ von der Bindung an die Artikulation von Inhalten (dabei ist „Befreiung“ zu lesen wie beim Leerlauf eines Autos, wenn der Gang rausspringt und der Motor nicht mehr greift).
In dem Maße, wie B. sich auf eine materiale Analyse der Veränderungen der Produktionsweise einließ (seit Ende der 1920er Jahre mit dem dazu unternommenen Materialismusstudium, das sich auch im Kraus-Aufsatz spiegelt), analysierte er das Aufkommen einer sekundären symbolischen Praxis, der der Zugang über eine historische »Verflüssigung« der sedimentierten Praxisformen versperrt bleibt. In der Konfrontation mit dem Faschismus wird ihm das zum Schlüssel für dessen Analyse als moderner Erscheinung (s. bes. das »Nachwort« zum »Kunstwerk«, I: 506-508). Hier findet sich jetzt der Bruch mit seiner frühen mystisch-kontemplativen Ausdruckstheorie artikuliert, wenn er feststellt, daß im Faschismus »die Massen zu ihrem Ausdruck (beileibe nicht zu ihrem Recht) kommen« (506). Es ist nicht von ungefähr, daß eine ganze Reihe der jüngeren Arbeiten zur Sprache im Faschismus, die sich bemühen, von der faszinierten Spiegelungstradition wegzukommen, wie sie etwa Klemperers »LTI« charakterisiert, bei dieser B.schen Bestimmung ihren Ausgang nehmen.[23]
[Dieser Eintrag zu B. reproduziert Passagen aus meinem Aufsatz »Sprachwissenschaftliches im Werke Walter Benjamins«, in: K. Garber/ L. Rehm (Hgg.), »Global Benjamin. Internationaler Walter-Benjamin-Kongreß 1992 (in Osnabrück)«, München: Fink 1999, Bd. 1: 282-297. Die Überarbeitung ist nur in Hinblick auf B.s Texte erfolgt, ohne die umfangreiche Sekundärliteratur einzuarbeiten. Daher habe ich es auch bei den Verweisen auf die ältere Werkausgabe, s. Anm. 1, belassen. Die umfangreiche Forschung zu B. spiegelt sich in der neuen (kritischen) Gesamtausgabe seiner Werke, hgg. von Chr. Gödde u. H. Lonitz, Frankfurt: Surkamp 2010 - 2018, 21 Bde.]
Q: IGL (B. Bergheim); DBE 2005; B. Witte, »W. B.«, Reinbek: Rowohlt 1985; knapp etwa van Reijen/Schmid-Noerr 1988: 30-37; als ältere Einführung mit Hinweisen auf die Literatur N. Bolz / W. van Reijen, »W. B.«, Frankfurt; Campus 1991 (zur Sprachauffassung bes. S. 41-54); G. Scholem, »W. B. – die Geschichte einer Freundschaft«, Frankfurt: Suhrkamp 1975; im einzelnen s. den Apparat zu der Werk-Ausgabe (s. Anm. 1). Die Akten des Osnabrücker Kongresses 1992 (1999), bei dem eine frühe Fassung dieses Textes vorgetragen wurde, bieten auch einen Überblick über die schon damals ungemein breite Rezeption von B.s Werk, bei der in der Regel aber die sprachliche Seite im engeren Sinne ausgeklammert bleibt.
[1] Alle Verweise, soweit nicht anders angegeben, auf die Werkausgabe nur mit Bandangabe: W. B., Gesammelte Schriften, hgg. von R. Tiedemann u. H. Schweppenhäuser, Frankfurt/M.: Suhrkamp 1977 (2. A. 1989); außerdem auf die Briefe, hgg. von G. Scholem / T.W. Adorno, Frankfurt: Suhrkamp 1966 (2. A. 1993), 2 Bde.
[2] S. zu diesem Verfahren B. Lindner, »Habilitationsakte Benjamin«, in: ders. (Hg.), »Walter Benjamin im Kontext«, 2. Aufl. Kronstein/Ts.: Athenäum 1978. 324-341, die zitierte Selbstdarstellung dort S. 330-331. Vorher hatte er schon 1919 vergeblich versucht, in Bern zu habilitieren, ebenso 1921/22 in Heidelberg.
[3] Ihre finanzielle Unterstützung hatten seine wohlhabenden Eltern mit seinem Studienabschluß beendet. B. spielte eine Zeit lang mit der Vorstellung einer buchhändlerischen Praxis, nachdem er mit einige Anitiquariatskäufen und Wiederverkäufen erfolgreich gewesen war. Zu den familiären Verhältnissen von B. gehört auch, daß Clara Stern seine Tante war. Mit deren Sohn Günther (1902-1992), der später unter seinem literarischen Pseudonym Günther Anders publizierte, hatte er in seinen Pariser Jahren auch engeren Kontakt.
[4] Gershom (vorher: Gerhard) Scholem (1897-1982), Judaist und Historiker, emigrierte 1923 nach Palästina und lehrte an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Scholem hatte Mathematik studiert (er gehörte zu den wenigen Hörern von Frege). Zionistische engangiert hatte er die Calija nach Palestina (Zion) von vorherhein geplant, mit der Vorstellung dort als Mathematiklehrer tätig zu werden. In seinem Buch "Walter Benjamin - die Geschichte einer Freundschaft" (Frankfurt: Suhrkamp 1975) gab Scholem eine detaillierte Rekonstruktion auch von B.s intellektuellen Entwicklungen, einschließlich der "jüdischen" Ambivalenzen.
[5] Im Sinne der zionistischen Bewegung, die sich durch die Calija (wörtlich der "Aufstieg") ins "gelobte Land" Zion definierte.
[6] Für die er sogar einen Vorschuß kassierte, s. bei Scholem (1975: 245).
[7] B. selbst hat diesen Ausdruck auch genutzt (übernommen?), so z.B. einem Brief vom 30.1.1936 (Briefe II: 705).
[8] Das sind allerdings bei B. mehr assoziative Bemerkungen, bei denen Mathematik für eine Idealisierung von Wissen steht, nicht für mathematische Analyse, wie Scholem angemerkt hat (Scholem 1975: 65).
[9] Scholem 1975: 134-137. In einem Brief an Hofmannsthal vom 2.8.1925 schrieb B.: "Die Beschäftigung mit Humboldt führt mich unmittelbar auf meine Studentenzeit, wo ich unter Anleitung eines menschlich höchst seltsamen und dem kontemplativen Ingeniums des späten Humboldt auf fast groteske Weise kongenialen Mannes die sprachwissenschaftlichen Schriften im Seminar las. (...) Es ist Ernst Lewy" (Briefe I: 400-401).
[10] Scholem 1975: 144. Zu dem engen Verhältnis zwischen beiden gehörte auch, daß B. gemeinsam mit Scholem Lewy 1921 auf dem Dorf in Wechterswinkel (an der Rhön) besuchte, s. Briefe I: 268-269.
[11] Asja Lacis (1891-1979) war eine lettische Theatermacherin, die u.a. eng mit Brecht zusammenarbeitete. Von 1922 – 1932 war sie in Berlin, zeitweise (und dann danach) aber auch in Moskau, wo sie sich intensiv mit marxistischen Positionen auseinandersetzte. Sie hatte dort auch unter den repressiven „Säuberungen“ in den 1930er Jahren in der Sowjetunion zu leiden. Bs. enge Beziehung zu ihr spiegelt sich in der Widmung an sie, die er seiner Samlung von assoziativ gestrickten Überlegungen "Einbahnstraße" (1928) voranstellt, s. IV/1: 83.
[12] In diesen Briefen firmiert Theodor W. Adorno (1903-1969) als Wiesengrund. Ausführlich kommen diese Fragen auch im Briefwechsel mit Adornos Frau Margarete Kaplus (1902-1993) zur Sprache, die B. in diesen Briefen als Felizitas anspricht.
[13] Diese Rezension ist von Horkheimer nicht veröffentlicht worden, vielleicht weil ohne daß B. es wußte, Hoenigswald als selbst rassistisch Verfolgter inzwischen auch emigrieren mußte.
[14] In der Z. f. Sozialf. 4/1935: 248-268, s. III: 452-480.
[15] In einem Brief vom 30.1.1936 schrieb er dazu: „ es präjudiziert nichts über eine ‚Metaphysik‘ der Sprache. Und es ist von mir (…) so eingerichtet, daß es genau an die Stelle führt, wo meine eigene Sprachtheorie (…) einsetzt.“ (Briefe II: 705).
[16] Hier gibt es Parallelen zu Auerbach, mit dessen Arbeiten B. nicht nur vertraut war ( s. sein Lektüreverzeichnis, Nr. 1100, VII: 461), sondern es gab auch einen Briefwechsel zwischen beiden (hg. von K.H. Barck in: Z. f. Germanistik 1988/688-693).
[17] B. hatte sich gründlich mit den materialen Bedingungen von Schrift/Schreiben auseinandergesetzt und um 1930 auch an einem Forschungsbericht zur Graphologie gearbeitet, von dem nur eine Zusammenfassung erhalten ist (II/1: 596-598). Gelegentlich hatte er sich sogar selbst graphologisch betätigt.
[18] Das wird im Briefwechsel mit Adorno sehr explizit, s. z.B. den Brief vom 31.5.1935.
[19] In der Werkausgabe sind die entsprechenden Passagen thematisch gebündelt abgedruckt: die systematischen (von B. „erkenntnistheoretisch“ überschriebenen) V/1: 570-611; zu Baudelaire V/1: 301-489; zum Flaneur V/1: 524-569.
[20] Das wird von B. hier explizit auf die Situation des Ersten Weltkrieges bezogen, aber die zeitgenössischen Faschismusprobleme bilden für ihn wohl die Folie.
[21] Abgedruckt in II/1: 334-367.
[22] Vgl. in der Vorrede zu Heft 1 / 1899 der Fackel: „Was hier geplant wird, ist nichts als eine Trockenlegung des Phrasensumpfes (…) dem dumpfen Ernst des Phrasenthums (…) den Credit zu schmälern“.
[23] Z.B. auch mein eigener Versuch, Maas 1984.