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Bin-Nun, Yechiel

 (bis 1941 Familienname: Fischer)

Geb. 10.4.1911 in Rohatyn (Galizien, heute Ukraine), gest. 1983.[1]

 

B.-N. stammte aus einer jüdischen Familie, von der einige im Ghetto Rohatyn umgekommen sind. Er selbst war in einer zionistischen Jugendorganisation. Nach dem Abitur (»Ma­tura«) in Rohatyn Studium in Berlin und Heidel­berg; dort 1936/1937 Pro­motion mit der Dissertation: »Jiddisch und die deutschen Mund­arten un­ter besonderer Berück­sichtigung des ostgalizischen Jid­disch«.[2] 1937 als Rabbiner ge­weiht. Danach Unterrichtstä­tigkeit an verschie­denen Lehran­stalten (u.a. als Dozent für den Talmud an der Hochschule f. d. Wissenschaft des Ju­dentums in Berlin) und politi­sche Aktivitä­ten für die polnische jüdi­sche Gemeinschaft (bis 1938 war er pol­nischer Staatsbürger). 1938 war er 4 Monate in­terniert, danach Emigration nach Palä­stina (seit 1941 dort Staats­bürger). In Palä­stina bzw. in Israel war er Lehrer (u.a. an von ihm selbst gegründe­ten Schulen bzw. Lehrerseminaren in Haifa) und hatte admini­strative Funktio­nen im kul­turellen Bereich (u.a. beim Erziehungsministe­rium).

Veröffentlichungen zum Hebräisch-Jiddischen und zur Bi­belexegese (nach der Emigration nur noch auf He­bräisch). Die Dissertation ist nach wie vor ein Standardwerk zum Jiddi­schen (1976 nach dem Teil­druck für die Promotion in voll­ständiger Form wieder neu auf­gelegt):[3] Sie bie­tet eine umfas­sende »histo­rische« Darstellung des Jiddischen als deutschem Dia­lekt (die Dar­stellung nimmt - wie in der germani­stischen Dialekto­logie üblich - das lite­rarische Mittel­hochdeutsche als Bezugs­größe; das Nieder­deutsche wie das westliche Mit­teldeutsche schei­det er als Einfluß­faktoren weitge­hend aus). Den Einfluß des He­bräischen begrenzt er für die frühe Zeit auf rein Äußer­liches: Schrift und einzelne Fremdwörter. Eine andere Rolle erhält es erst in den Ostgebieten unter der ghetto­erzwungenen Abschneidung sowohl von der slawischen wie von der deutschen (deutschsprachigen) kul­turellen Entwick­lung: Hier kommt es zu einer »Kompromißentwicklung« mit dem He­bräischen. Diese Argu­mentation konnte er damals of­fensichtlich problemlos bei sei­nem deutschna­tionalen Doktorva­ter Panzer vertre­ten. B.-N. hat diese Posi­tion auch später nicht revidiert: In einer Stellung­nahme an das Insti­tut f. Zeitgeschichte vom Februar 1979 bezeich­net er diese Arbeit als die »erste und bis jetzt einzige histori­sche und ver­gleichende Grammatik [zum Jiddischen] von wissen­schaftlichem Wert«.[4]

Wieweit ein Zusammenhang zwischen seiner in der Jiddi­stik einge­nommenen Position und der in der Sprachpolitik in Is­rael be­steht, läßt sich für mich nicht eruieren. Dort war er von 1943 bis 1969 an der Hebräi­schen Sprach­akademie in Jeru­salem tätig, bis er nach eigenen Worten »aus sprachideologi­schen Grün­den« ausschied. In dieser Zeit veröffent­lichte er (neben einigen bibelexegetischen Ar­beiten) eine Reihe von Aufsätzen zu syntakti­schen Fra­gen im Ivrit (1951 auch noch einen Aufsatz über hebräi­sche Ele­mente im Jiddi­schen). Ein Schwerpunkt seiner Ar­beit betraf die Schaffung bzw. Standar­disierung der tech­nischen Terminologie, für die er von 1955-1969 eine Kommission lei­tete.

Q: BHE; Materialien im IfZ, München; Hinweise von E. Timm.

 


[1] Todesdatum s. online-Artikel zum Jiddischen aus der »YIVO Encyclopedia of Jews in Eastern Europe«, http://www.yivoencyclopedia.org/article.aspx/Language/Yiddish (Nov. 2011).

[2] Zum Abschluß des Verfahrens lieferte er 1937 bei der Universität einen Teildruck ab, s.u.

[3] Tübingen: Niemeyer.

[4] Eine Würdigung der Arbeit auch bei Hutton 1999: 205-211.