Cunz, Dieter
Nach dem Abitur 1929 in Wiesbaden Studium der Geschichte, Germanistik und Theologie in München, Leipzig und Frankfurt. Promotion 1934 in Frankfurt/M. im Fach Geschichte (s.u.), 1935 emigrierte er aus politischer Opposition in die Schweiz.[1] Dort lebte er von Gelegenheitsarbeiten: Nachhilfestunden, journalistische Beiträge (insbesondere für die Baseler National-Zeitung) und literarischen Arbeiten. Zu den letzten gehört insbesondere eine Reihe von Kriminalromanen, die er gemeinsam mit zwei Freunden (Lebensgefährten) unter dem Pseudonym Stefan Brockdorf verfaßte.[2] Daneben verfaßte er auch historische Arbeiten zur Schweizer Geschichte, ohne allerdings Aussichten, damit dort eine Anstellung zu finden. 1938 ermöglichte ihm die Unterstützung eines Verwandten die Immigration in die USA, wo er nach einer Reihe von Gelegenheitsjobs 1939 ein Stipendium der Carl-Schurz-Stiftung erhielt, um für diese die Geschichte der deutschen Einwanderung in Maryland aufzuarbeiten. Der abschließende Band, dem eine ganze Reihe von Aufsätzen zu Detailfragen (auch sprachlichen wie z. B. zu Straßennamen) vorausgegangen waren, erschien 1948.[3] Die Sprachenfrage spielte dabei eine zentrale Rolle (C. hatte u.a. die Kirchenbücher der verschiedenen Gemeinden ausgewertet), aber außer bei der Anglisierung der Namen fehlen formale Aspekte. Von 1939 bis 1957 lehrte er an der Deutschen Abteilung der Universität Maryland, bis er 1957 an die State University von Ohio berufen wurde, wo er die Deutsche Abteilung systematisch ausbaute.[4]
Seine Arbeitsschwerpunkte lagen in der (Kultur)Geschichte. Die Dissertation (»Die Regentschaft des Pfalzgrafen Johann Casimir in der Kurpfalz 1583-1592«)[5] behandelt ein landesgeschichtliches Thema im Horizont der Konfessionskonflikte. Nach der Emigration in die USA blieb die Geschichte der deutschen Immigration nach dort bzw. die deutsch-amerikanischen Beziehungen sein Hauptarbeitsgebiet; 1939 war er Mitbegründer der Carl-Schurz-Gesellschaft. Darüber hinaus arbeitete er schwerpunktmäßig zur Literaturwissenschaft (neuere deutsche Literatur), wo er insbes. auch als Editor tätig war (u.a. zu Jung-Stilling, R. Huch). Im Rahmen seiner Vertretung der Auslandsgermanistik nahm er auch fremdsprachdidaktische Belange wahr und arbeitete an Lehrwerken mit, s. (mit C. Vail) »German for beginners«,[6] weshalb er hier berücksichtigt ist. Methodisch steuert das Werk der damals dominierenden direkten Methode (mit Sprachlaborübungen als Kern) entgegen, indem es einerseits auf die Integration von Sprache und Literatur setzt, andererseits auf eine explizite Grammatikunterweisung.
In seiner Darstellung der deutschen Immigration in den USA (»They came from Germany. The story of famous German Americans«)[7] singt er das hohe Lob nicht nur der problemlosen Integration deutschsprachiger Immigranten, sondern ihres konstruktiven Beitrages zur US-amerikanischen Kultur – von Carl Schurz bis W. von Braun, wobei die Journalisten einen bevorzugten Platz einnehmen. Darin spiegelt sich unter Verdrängung der Probleme (die es nach ihm nur in der anti-deutschen Welle im Ersten Weltkrieg gegeben hat, S. 17) sicherlich die Autobiographie eines erfolgreichen Immigranten, dem zu Ehren seine letzte Universität eines ihrer Hauptgebäude benannt hat.
Q: BHE; IGL (T. Evans); Hinweise von H. Penzl; Gedenkschrift: The Report 34/1970 (Society for the History of the Germans in Maryland) mit Nachrufen/Würdigungen S. 9-17, und einer Bibliographie S. 19-22; [O.Seidlin], »Our department« (d.h. German department der Univ. Ohio), http://germanic.osu.edu/our-department (Juli 2012); M. Poser, in: Kritische Ausgabe v. 8. April 2008 (http://kritische-ausgabe.de/index.php/archiv/1192/, Jan. 2009).
[1] Welche Rolle seine offen gelebte Homosexualität dabei gespielt hat, bleibt zu klären, s. dazu Poser (Q).
[2] Richard Plant (1910-1998) und Oskar Koplowitz (später Seidlin, 1911-1984), s. Poser (Q). Plant und Seidlin emigrierten ebenfalls in die USA, wo ihre enge Beziehung fortgesetzt wurde. Koplowitz/Seidlin lehrte bereits seit 1946 an der Ohio State University, wohin er gewissermaßen C. nachholte.
[3] The Maryland Germans. A history. Princeton: Princeton UP 1948.
[4] S. »The Cunz Administration (1957-1969)« in Seidlin (Q).
[5] Limburg: Vereinsdruckerei 1934.
[6] New York: Ronald Press Company 1958, Neuauflage (mit U. Groenke, geb. 1924) 1965. C. hatte den ausgesprochenen Sprachwissenschaftler Ulrich Groenke 1959 nach Ohio geholt, um dort die methodischen Aspekte in der Lehre stärker zu verankern, s. Seidlin (Q). Groenke kehrte 1967 wieder nach Deutschland zurück, wo er seitdem eine nordistisch ausgerichtete Professur an der Universität Köln hatte.
[7] New York: Dodd, Mead & Co 1966.