Dotan, Aron
(früher: Aron Deutscher)
Geb. 12.1.1928 in Stuttgart.
1933 emigrierte er mit der Familie nach Palästina (illegal eingewandert). Er war aktiv in verschiedenen, auch paramilitärischen Jugendorganisationen. 1947 begann er bereits mit dem Studium an der Hebräischen Universität in Jerusalem, unterbrach es aber für den Militärdienst (er nahm am Unabhängigkeitskrieg 1948 teil). 1952 schloß er mit dem M.A. ab, 1964 wurde er promoviert. Von 1951 bis 1964 war er bei der Hebräischen Akademie angestellt. 1961-1973 Lehrtätigkeit an der Hebräischen Abteilung der Univ. Tel Aviv; seit 1964 auch an der Univ. Ramat Gan (Isr.); seit 1973 dort Professur für Hebräisch und semitische Sprachen. Gastprofessuren in Frankreich und USA, u.a. 1990 eine Forschungsstelle in Lyon beim CNRS.
D. hat umfangreiche Forschungen zur hebräischen Sprachgeschichte vorgelegt, z.T. verbunden mit philologischen Editionen, in der Spannweite von nordwestsemitischer Epigraphie bis zur gegenwärtigen Soziolinguistik Israels. Sein Hauptarbeitsgebiet ist die sprachwiss. Begleitung der Edition der kanonischen (masoretischen) Überlieferung des biblischen Textes, deren Apparat er ebenfalls z.T. neu ediert hat. Die Grundlage dazu legte er schon mit seiner Dissertation zu dem im modernen Judentum als grundlegend angesehenen Masoreten Aaron ben Asher (10. Jhd., dessen eigene Textbearbeitung allerdings nicht überliefert ist). Die für die modernen Editionen (jüdisch wie christlich, s. hier bei Kahle) grundlegenden Manuskripte werden mehr oder weniger direkt auf Ben Asher zurückgeführt. Die wichtigste dieser Handschriften, den Leningrader Codex, hat er 1973 ediert,[1] außer in der philologischen Aufbereitung im Textaufbau abgestellt auf dessen liturgische Nutzung im Judentum (diese Ausgabe bildet den autorisierten Bibeltext der israelischen Armee). Die ausführliche Einleitung (VII-XXII) faßt seine vorausgehenden Arbeiten an dieser Überlieferung zusammen. Bei der erneuten Bearbeitung der Stuttgarter hebräischen Bibel, die von einem internationalen Herausgebergremium vorbereitet wird, betreut er den Masorah-Apparat.[2]
D. hat den wohl maßgeblichen Handbuchartikel (im Umfang einer Monographie) »Masorah« in der Encyclopedia Judaica[3] verfaßt, die die in der tradierten philologischen Textbearbeitung sedimentierte Grammatikreflexion systematisch extrapoliert und einen umfassenden Forschungsbericht liefert. Zu diesem Feld hat er eine Reihe von Einzelstudien erstellt, die z.T. philologische Probleme in einen systematischen sprachwissenschaftlichen Kontext stellen,[4] etwa der Abgrenzung von Homonymen gegenüber Polysemen in der Überlieferung in: »Homonymous hapax doublets in the Masorah«.[5] In diesem Bereich ist er auch als Mitbegründer der »International Organization for Masoretic Studies« hervorgetreten.
Die Folie für diese Arbeiten bilden seine Untersuchungen zur vergleichenden semitischen Sprachwissenschaft, nicht zuletzt als Horizont für spezifische Fragen des Hebräischen. Ein Beispiel für seine vergleichenden Studien ist seine Untersuchung der Lautentwicklung im Phönizischen/Punischen, zu der er seit 1969 breit publiziert hat (zusammenfassend in »Stressposition and vowel shift in Phoenician and Punic«).[6] Auf der Grundlage einer systematischen Quellenkritik (insbes. der griechischen und lateinischen Überlieferung phönizisch-punischer Wörter) kann er zeigen, daß die phönizisch-punischen Entwicklungen (hier von a > o) nicht als gemeinsamer Prozeß mit dem analogen des Hebräischen gesehen werden können, der nur weniger beschränkt als dieser abgelaufen sei (im Hebräischen eingeschränkt auf betonte Langvokale), sondern eine eigene Struktur aufweist.
Außer zu Einzelfragen hat D. auch grundlegende Arbeiten zur Entwicklung der hebräischen Sprachwissenschaft vorgelegt, der schon seine M.A.-Arbeit über die frühe phonetische Terminologie (zum Vokalismus) gegolten hat, ebenso wie die Dissertation zu einem Traktat von Ben Asher (s.o.), schließlich 1997 eine kommentierte Ausgabe der ersten hebräischen Grammatik (auf Arabisch) des Saadiah Gaon (10. Jhd. – das Kitāb faṣīḥ lughat al-ʿibrāniyyīn [»das Buch der Eleganz der Sprache der Hebräer«]).
Q: BHE; Materialien im IfZ, München; E/J 2006; Lebenslauf und Bibliographie als Manuskript von D.
[1] Neubearbeitung: »Biblia Hebraica Leningradensia«, Peabody/Mass.: Hendrickson 2001.
[2] »Biblia Hebraica Editione Quinta«, Stuttgart: Dt. Bibelgesellschaft 2004- , zuletzt erschienen Teil 7: »Judges« 2012.
[3] Bd. 16/1971; Sp. 1401-1482.
[4] D.s einschlägige Arbeiten gehören zu den Standardreferenzen in den neueren sprachwissenschaftlichen Untersuchungen zum Hebräischen, s. z.B. Dresher in Lg. 70/1994: 1-52.
[5] In: Textus 14/1988: 131-145.
[6] In: Israel Orient. St., Jg. 1981: 71-121; bibliogr. Hinweise zu seinen älteren Arbeiten dazu dort in Anm. 10 (S. 74-75).