Falk, Felix
Geb. 16.11.1879 in Koschmin (heute: Koźminek), gest. 25.10.1944 Auschwitz.[1]
Über F.s Biographie ist wenig bekannt. Nach der Promotion war er zumindest 1917 Dozent für deutsche Literatur an der Universität Genf. Neben seinen wissenschaftlichen Arbeiten zur jiddischen Sprache und Literatur publizierte er auch (deutsche) Gelegenheitsliteratur in jüdischen Zeitschriften, so z.B. ein Gedicht »Laubhüttenfest«.[2]
Sein Lebenswerk war die kritische Herausgabe des zuerst 1543/1544 in Augsburg gedruckten Schmuelbuchs, die erst postum veröffentlicht wurde: »Das Schemuelbuch des Mosche Esrim Wearba. Ein biblisches Epos aus dem 15.Jhd.«.[3] F. hatte zu diesem Druck bereits 1908 publiziert, als er mit ihm eines der Hauptwerke der altjiddischen Literatur avisierte. Damit war er auf ein großes Echo in der damals neu entstehenden Jiddistik gestoßen, worauf sich spätere Beziehungen zum YIVO (Max Weinreich) gründeten. In den Yivo bletern [4] publizierte er auch eine Studie zu der parallelen Legendenüberlieferung (Hagadah) mit der Edition eines Prosa- wie eines Reimtextes (jeweils textphilologisch und auch sprachlich-etymologisch erläutert): »Di talmudische agode fun schlomo hamelech«.
Laut seines Nachlaßherausgebers Fuks soll F. in späteren Aufsätzen M. Weinreichs These von der (west-)jiddischen Sondersprache übernommen haben, die von der neueren Forschung gerade auch in Bezug auf das Schmuelbuch nicht bestätigt wird.[5] In seinen mir zugänglichen veröffentlichten Arbeiten liest sich das anders: er verortet die von ihm bearbeiteten altjiddischen Texte ausdrücklich in der deutschen Dialektlandschaft, s. etwa noch »Zwei Psalmen in jüdisch-deutscher Übersetzung...«.[6] In seinen frühen Aufsätzen zur Rezeptionsgeschichte des Schmuelbuches betonte er immer wieder, daß gerade die frühe jüdisch-deutsche Literatur eine Volksliteratur war, wie insbes. die frühen Übersetzungen aus dem Hebräischen zeigen.[7] So erklärt er auch die Dominanz populärer Formstrukturen wie epische Strophenformen in den originären Dichtungen.
Diese Arbeiten sind durchzogen von geradezu patriotischen Bekenntnissen zur einheitlichen deutschen Volkskultur, die die Juden einschließt, s. seine Aufsatzfolge »Die Bücher Samuelis in deutschen Nibelungenstrophen des 15. Jhds.«.[8] Dabei wandte er sich explizit gegen die diskriminierenden Ausfälle rassistisch ausgrenzender Germanisten.[9]
F. unternahm für seine geplante Edition immer umfangreichere Studien, so daß er bei seiner Flucht 1933 in die Niederlande immer noch in den Vorarbeiten steckte. 1938 hatte er wohl das Manuskript fertig, fand aber keinen Verleger mehr. Bereits im Januar 1939 war er ausgebürgert worden.[10] Nach der Besetzung der Niederlande wurde er in ein Konzentrationslager verschleppt und dort umgebracht.
Q: L. Fuks in der Einleitung zu seiner Hg. des Schemuelbuchs; Archiv B/J.
[1] Quelle: www.yadvashem.org, Jan. 2009).
[2] In: Israelisches Familienblatt v. 22.9.1904.
[4] 15/1938: 246-274.
[5] B. Simon erweist es als in hebräischen Buchstaben gedrucktes Frühneuhochdeutsch, das vom Gegenstand her zwangsläufig allerdings lexikalische Besonderheiten hat, s. dies., »Jiddische Sprachgeschichte«, Frankfurt: Suhrkamp 21993, bes. S. 66ff.
[6] In: Almanach des Schocken Verlages auf das Jahr 5698, Berlin 1937/1938: 176-177.
[7] Für die Mehrheit der Juden also aus der nichtzugänglichen Bildungssprache; allerdings lasen sie aufgrund ihres Elementarunterrichts Deutsch nur in hebräischen Buchstaben.
[8] In: Mitt. z. jüdischen Volkskunde 26/1908: 79-85; 27/1908: 97-116; 28/1908: 129-150.
[9] S. z.B. gegen Zarncke, ebd. in Heft 28: 143ff.
[10] S. http://www.genealogienetz.de/reg/BRG/neumark/ausbuerg.htm.