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Anhegger, Robert

Geb. 1911 in Wien, gest. 27.3.2001 in Amsterdam.


A. wechselte schon als Kind mit der Familie häufig den Wohnort (der Vater war Kaufmann): Wien, Rotterdam, Lindau, Zürich. Als Schüler/Student war er in der Wandervogelbewegung, später auch politisch in sozialistischen Gruppierungen. Er studierte recht breit: Jura, Wirtschaftsgeschichte, Germanistik, Slawistik, Orientalistik mit Schwerpunkt Islamwissenschaften. 1933 ging er wohl aus politischen Gründen von Berlin nach Zürich, wo er seinen Studienschwerpunkt auf die Türkei legte und mit dem Türkischstudium begann. In Zürich gehört er dem antifaschistischen Zirkel um Jochen Rittmeister an, der später nach seiner Rückkehr nach Berlin zum Kern der »Roten Kapelle« gehörte. Darüber hatte er auch Kontakte zu W. Krauss, der damals gelegentlich nach Zürich fuhr.[1]

Seit 1935 absolvierte er mehrere längere Türkeiaufenthalte (1936 gemeinsam mit A. Tietze). 1939 promovierte er in Zürich (zur Dissertation s.u.) und ging 1940 als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an das Deutsche Archäologische Institut in Istanbul. Als er 1941 der Einberufung zum Wehrdienst keine Folge leistete, wurde er 1942 ausgebürgert und aus dem Archäologischen Institut entlassen. Er blieb in Istanbul, wo er im Kulturbereich privat tätig wurde (mit einer Galerie, privatem Deutschunterricht u. dgl.), dann aber auch als Lektor für Deutsch an der Universität bei Auerbach, wofür er 1944 eine reguläre Stelle erhielt (als Nachfolger von Brinkmann). In Verbindung damit publizierte er auch Lehrmaterialien: 1945 ein Lehrbuch »Altdeutsches Schrifttum 800-1500«. Unterstützt durch Auerbach übernahm er auch Aufgaben in der Fakultät, so eine Stelle für »Quellenkunde zur Geschichte der türkischen Kunst«.[2] Außerdem gab er mit Ruben und Tietze eine Schriftenreihe »Istanbuler Schriften – Istanbul Yazıları« heraus, in der auch Auerbach einige seiner Arbeiten veröffentlichte.

Im Rahmen der politischen Säuberungen nach dem Krieg wurde er 1949 von der Universität entlassen, unterrichtete aber weiter Deutsch am Fremdspracheninstitut in Istanbul. 1951 wurde er in der BRD wieder eingebürgert und war seit 1952 Lehrer an der wiedereröffneten Deutschen Schule in Istanbul. Von dort aus war er organisatorisch auch für den Deutschunterricht in der gesamten Türkei aktiv und gab u.a. eine Deutsche Sprachzeitschrift heraus. Privat war er weiterhin im kulturellen Bereich tätig, u.a. mit einer eigenen Galerie in Istanbul, aber auch mit einer Ausstellung zur türkischen Malerei in der Bundesrepublik. 1961 begründete er ein türkisch-deutsches Kulturinstitut in Istanbul, das dann unter seiner Leitung als Goethe-Institut weitergeführt wurde. Wohl aufgrund institutioneller Konflikte[3] verließ er Istanbul und ging 1969 als Leiter des Goethe-Instituts nach Amsterdam. Auch dort bemühte er sich vor allem um eine Vermittlung der türkischen Kultur.[4]

Einschlägig i. S. des Katalogs ist seine Dissertation: »Beiträge zur Geschichte des Bergbaus im Osmanischen Reich«, die er vollständig 1943-1945 in Istanbul publizierte;[5] nur mit einem Teil daraus promovierte er dann 1945 an der Universität Zürich.[6] Bd. 1 enthält die historiographische Studie, Bd. 2 neben der Edition von Quelltexten (die sich z.T. auf Abschriften stützt, die A. Tietze angefertigt hat) auch einen sprachwissenschaftlich-philologischen Teil, der die Quellen von den Graphien bis zur Syntax im Horizont des osmanischen Türkischen charakterisiert (bes. S. 359-365), sowie ein Glossar mit Etymologien zu den Wörtern westeuropäischen und slawischen Ursprungs. Bd. 3 enthält Nachträge.

In Verbindung damit veröffentlichte er noch weitere kleinere historiographische Schriften aus diesem Bereich, z.B. »Ein angeblich schweizerischer Agent an der Hohen Pforte im Jahre 1582«.[7] In den späteren Jahren beschäftigte er sich intensiv mit dem Türkischen; gemeinsam mit einem türkischen Ko-Autor publizierte er (auf Türkisch) einen Band zur osmanischen Geschichte (Ankara 1956). Vor allem wohl in Zusammenarbeit mit A. Tietze) beschäftigte er sich auch mit dem Neutürkischen, in welchem Rahmen er u.a. jüngere literarische Texte herausgab und kommentierte, die sich den normativen Vorgaben des (osmanischen) Schrifttürkischen entzogen.[8]

 

Q: Widmann 1973: 108; Festschrift: J. L. Bacqué-Grammont (Hg.), Türkische Miszellen, Istanbul: Divit 1987; Hinweise von R. Heyd; Hanisch 2001; Hillebrecht, Haymatloz; Ellinger 2006.

 


[1] S. die nachgelassenen Aufzeichnungen von Krauss, hgg. von P. Jehle / P.-V. Springborn (s. Krauss, Q), S. 76. Auch in der Korrespondenz Auerbach-Krauss ist öfters von A die Rede

[2] S. Auerbach in einem Brief an Hellweg vom 22.7.1947 (s. bei Auerbach, Q).

[3] S. die Hinweise von G. Schubert in der FS (Q): 4

[4] S. die Bemerkungen von M. Mooij in der FS (Q): 9ff.

[5] 3 Bde., Istanbul: Universum Matbasi 1943-1945 (außerhalb der Türkei über den Europa Verlag in Zürich/New York vertrieben). Sie erschien in der o.g. von ihm mit-hg. Schriftenreihe

[6] Laupen/Bern: Polygraphische Gesellschaft.

[7] Heft 11 der »Istanbuler Schriften«, 1943

[8] S. dazu in dem Beitrag von A. Tietze) in der Festschrift S. 352ff. (Q).