Bergel, Alice R.
(geb. Berger)
Geb. 15.6.1911 in Berlin, gest. 22.1.1998 in den USA.[1]
Nach dem Abitur in Berlin 1929 Studium in Romanistik, Latein, Geschichte und Philosophie in Berlin und Freiburg/Br.[2] 1933 legte sie ihre Dissertation vor: »Der Ausdruck der passivischen Idee im Altfranzösischen«,[3] die, ausgehend von Gamillschegs Historischer Syntax des Französischen (hier: seinen Vorbereitungen dazu), ein ambitionierter Versuch ist, zu grammatiktheoretischen Kontroversen zwischen der positivistischen Tradition (Meyer-Lübke, Gamillscheg) und den Neuerern (Vossler, Winkler) Stellung zu nehmen. Systematisch trennt sie die (satz-)semantische Ebene von formalen Ausdrucksformen (hier: verbale sowie nominale Formen!), und bemüht sich, ihre Argumentation an der stilistischen Auswertung eines größeren Corpus von Textstellen zu verifizieren - wobei sie nach eigener Einschätzung in der Schlußbemerkung aber ungenügend zwischen chronologischen, dialektalen und schließlich »Arten der Rede« (ausgewertete Textsorten, würde man heute sagen) unterscheidet.[4]
Noch während der Promotionsprüfung im Juni 1933 wurde sie aus rassistischen Gründen (sie gibt ihre jüdische Konfession in der Vita ihrer Dissertation an) und wegen ihrer Mitgliedschaft in sozialistischen Verbänden von der Universität relegiert. Gamillscheg betrieb das Promotionsverfahren aber bis zum Abschluß (in ihrer Autobiographie, s. Q, zeichnet sie ein ausgesprochen positives Bild von Gamillscheg und der von ihm erfahrenen fürsorglichen Betreuung). Danach private Unterrichtstätigkeit in jüdischen Privatschulen (Fachrichtung: Französisch, Deutsch, aber auch Hebräisch). 1939 Emigration nach England, wo sie wieder in Privatschulen jüdischer Gemeinden unterrichtete. 1940 Weitermigration in die USA. Verschiedene Jobs, u.a. auch als Hausmädchen, bis sie (mit ihrem Mann) 1941 eine Lehrerstelle an einer Reformschule (nur für männliche Schüler) in Deep Springs (in der kalifornischen Wüste) erhält. Außerdem Unterichtsaktivitäten an verschiedenen Colleges, bei denen sie ihre traditionelle Ausbildung (mit Griechischkenntnissen) geltend machen kann, bis sie von 1948 bis zur Pensionierung 1976 am East Los Angeles College lehrt, wo sie die Abteilung für Fremdsprachen aufbaut und leitet (vorübergehend auch an der Fordham University tätig). Ihre Unterrichtstätigkeit setzt sie noch bis 1993 fort: sie lehrt die (modernen) romanischen Sprachen, außerdem Deutsch, zeitweise auch Hebräisch, daneben Literatur und Philosophie. Auch nach dem Ruhestand unterrichtet sie weiter.
Nach eigener Einschätzung hat sie seit der erzwungenen Emigration unter dem Druck, den Lebensunterhalt verdienen zu müssen, ihre wissenschaftlichen Projekte nicht mehr verfolgen können.[5] Engere, vor allem freundschaftliche Beziehungen unterhielt sie während der ganzen Exil-Zeit zu Leonie Feiler-Sachs. B. engagierte sich mit ihrem Mann Kurt (gest. 2001) für Albert Schweizer, für den dieser an der Chapman University ein Zentrum aufbaute. Mit ihm unternahm sie nicht nur ausgedehnte Reisen, sondern organisierte auch von 19541-1960 Gruppenreisen nach Europa. Publiziert hat sie nur noch (z.T. gemeinsam mit ihrem Mann) allgemeine journalistische Arbeiten und Übersetzungen.
Q: Christmann/Hausmann 1989;Autobiographie »Sunlit past« (machinenschriftlich).[6] http://www.romanistinnen.de/frauen/bergel.html (Jan. 2009).
[1] Zum Todesdatum s. den Nachruf ihres Mannes Kurt B. auf der Homepage der Chapman Univ. (http://www.chapman.edu/schweitzerInstitute/news.asp, Jan. 2009) sowie http://www.faqs.org/people-search/bergel/.
[2] Sie nennt unter ihren Lehrern zwar auch allgemeine Sprachwissenschaftler wie z.B. Lohmann, hat diesen aber offensichtlich nur in Verbindung mit Gegenständen der Klassischen Philologie gehört - Lewy führt sie daher z.B. nicht auf.
[3] Druck der Arbeit in seiner Buch-Reihe »Berliner Beiträge zur Romanischen Philologie«, als Teildruck Weimar: Uschmann 1934.
[4] Die Arbeit wird neuerdings wieder rezipiert: E. Schiefer rühmt sie in seinem Bändchen »Die passive Idee im Finnischen und im Götz von Berlichingen«, (München: Congregatio Ob-Ugrica 1991: 8) als Pionierleistung.
[5] S. ihre briefliche Darstellung in Christmann/Hausmann 1989: 48-50.
[6] Eine Kopie verdanke ich F. R. Hausmann, s. dazu ds. (2009: 49-50).