Gumperz, John Joseph
(früher: Hans-Josef G.)
Geb. 9.1.1922 in Hattingen, gest. 29.3.2013 in Santa Barbara/ Kalifornien (USA).
1936 wurde G. mit seinem Bruder von den Eltern in Reaktion auf die rassistische Gesetzgebung auf eine italienische Internatsschule geschickt. Als sich 1938 (»Stahlpakt«) die Verhältnisse in Italien für deutsche Staatsbürger änderten (insbesondere für Juden), kehrte er nach Deutschland zurück, wo die Geschwister mit den Eltern die Pogrome im November 1938 in Köln erlebten. Daraufhin bemühte sich die Familie um die Emigration in die USA, nachdem der elterliche Betrieb inzwischen »arisiert« war. 1939 reisten die Geschwister illegal in die Niederlande, wo sie bis zur gemeinsamen Emigration mit den Eltern in die USA in einem Flüchtlingslager lebten. G. war bis dahin ohne engere religiöse Bindung an das Judentum gewesen, bekam im Lager aber Kontakte zu zionistischen Gruppen und war danach in den USA zunächst auch militant engagiert, brach diese Verbindung später aber wegen politischer Differenzen ab. In den USA lebte er von unterschiedlichen Hilfsarbeiter-Jobs, um sich das Studium zu finanzieren (zunächst Studium der Chemie). 1943 bis Kriegsende absolvierte er seinen Militärdienst, u.a. mit organisatorischen Aufgaben als »Area specialist« für die US-amerikanische Militärregierung in Deutschland. Erst dadurch, daß er als Nebentätigkeit Deutschunterricht erteilte, kam es bei ihm zu einer Verlagerung der Studieninteressen zur Sprachwissenschaft/Germanistik, die er zusammen mit der Sozialwissenschaft an der Universität Michigan studierte. Dabei setzte er sich mit der deskriptivistischen US-Linguistik auseinander, einige von deren prominente Vertreter seine Lehrer waren und an deren Projekten er z.T. mitarbeitete (Ch. Hockett, G. Trager, H. L. Smith, M. Joos u.a.). Darüber hinaus nahm er an einem Linguistic Institute der Linguistic Society of America mit Einar Haugen teil, das für seine weitere Arbeit prägend wurde.
Sein Dissertationsprojekt (»The Swabian Dialect of Washtenaw County, Michigan«)[1] verband die verschiedenen biographischen und fachlichen Stränge: die methodischen Orientierungen der US-Linguistik setzte er in einer Teilstudie im Rahmen des Linguistic Atlas of the USA um (dessen Leiter, Hans Kurath, war Mitglied der Promotionskommission; ein weiterer Atlas-Mitarbeiter, R. McDavid, betreute die Arbeit; ein anderer Emigrant, Herbert Penzl, war der externe Hauptgutachter). Der Gegenstand ist sicher nicht zufällig: eine isolierte deutschsprachige Gemeinschaft von ca. 750 Menschen, die im 19. Jhd. in die USA eingewandert ist. Sie haben ihren Dialekt in ihren Siedlungen und in deren Umgebung nicht nur weitgehend bewahrt, sondern pflegen ihn auch vor allem über den religiösen Kultus (und markieren damit nicht zuletzt auch die dialektale Verschiedenheit von den Nachbardörfern). Das war für G. Ansatzpunkt für eine vielfältige Auseinandersetzung mit seiner Herkunft – nicht nur als Spiegelung der Integrationsprobleme (die G.sche Familiensprache war allerdings nach der Immigration bald Englisch), sondern auch in der Auseinandersetzung mit der älteren deutschen Dialektologie, die schon früh in den 20er und 30er Jahren gerade in der »Sprachinselforschung« (bei den »Auslandsdeutschen«) ein recht komplexes, durchaus »soziolinguistisch« zu nennendes Forschungsdesign entwickelt hatte.
Grundlage für die Dissertation war 1951/1952 ein Studienaufenthalt in der Stuttgarter Region, bei dem er Material für den Sprachvergleich mit dem heutigen Dialekt der Herkunftsregion der Siedler in Michigan sammelte; bei dieser Gelegenheit besuchte er in Tübingen dialektologische Lehrveranstaltungen. Entsprechend handelt es sich auch um eine relativ traditionelle germanistische Dissertation, in der er die dialektalen Verhältnisse in Washtenaw von einem idealisierten Mittelhochdeutsch aus entwickelt. Ist diese Arbeit auch (gerade auch in G.s Selbsteinschätzung) sicherlich primär als akademische Graduierungsübung zu sehen (er hat sie wohl nicht von ungefähr auch nicht veröffentlicht), so enthält sie in diesem Amalgam von »kulturellem« Erbe und Adaptierung an die deskriptive US-Linguistik schon viele Elemente, die das Thema von G.s bahnbrechenden späteren Arbeiten ausmachen, etwa Hinweise zur Auswirkung der konfliktgeladenen Sprachbewertungen auf das Gesprächsverhalten in den leider nur sehr kursorischen Beobachtungen über die sprachliche Adaptierung im Code-Switchen, in hybriden Kompromißbildungen Schwäbisch-Amerikanisch u. dgl.
Ethnologisches Interesse auf der einen Seite, eine Vorliebe für Indien, die ihn vorher schon zum Studium des Sanskrit gebracht hatte, brachten ihn dann 1955-1957 zur Beteiligung an einem zweieinhalbjährigen anthropologischen Feldforschungsprojekt in Indien (als einziger sprachwissenschaftlicher Mitarbeiter einer ansonsten soziologischen Forschergruppe), in dem er im Rahmen einer »community«-Studie die Rolle der sprachlichen Selbstdarstellung für die Markierung sozialer Verhältnisse analysierte.[2] Dieses Arbeitsfeld bildete seitdem einen seiner empirischen Arbeitsschwerpunkte. Institutionelle Voraussetzung dazu war, nach einer Gastprofessur in Indien 1957, zunächst eine Stelle an der Universität Berkeley für »Angewandte Sprachwissenschaft« in Bezug auf Süd-Asien, die er von 1957 bis 1965 innehatte. Dort baute er vor allem den Unterricht in Hindi/Urdu auf. Aus diesem Unterricht sind seit 1955 mehrere Sprachbücher hervorgegangen, die in der US-Tradition der »direkten Methode« stehen, und zunächst als Ergänzung zu dem Lehrwerk von Hoenigswald angelegt waren. Später setzte G. hier eigene Akzente, bei denen seine ethnographisch-soziologische Orientierung produktiv wurde, z.B. durch den systematischen Einsatz fotographischer Gesprächsanreize wie in »Conversational Hindi-Urdu« (gemeinsam mit June Rumery).[3]
In den in diesem Rahmen unternommenen indischen Studien[4] vollzieht er den Bruch mit dem traditionellen Korrelationsmodell soziolinguistischer Arbeiten: G. kann zeigen, daß die beobachtbaren Sprachvarietäten keineswegs durch eine eindeutige Korrelation sprachlicher Variablen zu soziologischen Indikatoren definiert werden können, sondern nur Ressourcen definieren, über die die Menschen in diesen Gemeinschaften allerdings unterschiedlich verfügen. In einem der letzten Aufsätze aus dieser Serie[5] extrapoliert er aus diesen Befunden ein wichtiges Korrektiv für die gängigen Modelle der Sprachkontaktforschung/Areallinguistik, indem er zeigen kann, daß im zweisprachigen Kontakt von strukturell sehr verschiedenen Sprachen keinesfalls eine strukturelle Verarmung (Pidginisierung) eintreten muß, sondern durchaus eine Bewahrung des jeweiligen Sprachbaus auf den Schienen einer intern in jeder der Sprachen angelegten Entwicklungsdynamik. Als Hintergrund für diese Untersuchungen hatte er sich sehr systematisch in die sprachlichen Verhältnisse in Indien eingearbeitet, wie eine ganze Reihe von Überblicksartikeln zu den einschlägigen sprachlichen Varietäten dort zeigen bis hin zu den Munda-Sprachen. Darauf basieren die bereits erwähnten Sprachlehrwerke, die entsprechend systematisch die differenzierte Sprachpraxis in Situationen in den Vordergrund stellen (sowohl zum Hindi wie zum Urdu – er differenziert zwischen beiden Sprachen in einem Lesebuch).[6]
In inhaltlichem Zusammenhang mit dieser Arbeit stehen seine späteren Forschungen zu den sprachlichen Problemen indischer und pakistanischer Einwanderer in Großbritannien und den USA, vor allem im Anschluß an eine Gastprofessur 1971-1972 am University College in London, die die Grundlage für ein größeres Forschungsprojekt über sprachliche Konflikte von Migranten aus Indien und auch aus der Karibik war (im einzelnen dazu s.u.). Mit diesen Projekten war der Rahmen für seine weiteren Forschungen neu definiert: dabei ging es ihm um die Modellierung sprachlicher Heterogenität, die als Resultat der globalen Verschiebungen der Weltbevölkerung zunimmt, weil sprachlich-kulturell homogene Gemeinschaften aufgelöst werden, nicht nur in den Metropolen durch die zunehmende (Im-)Migration, sondern auch an der Peripherie durch die fortschreitende Kolonialisierung der Lebenswelten. Die bürokratische Durchsetzung der Politik gibt dabei sprachlichen Konflikten eine wachsende Bedeutung, die im institutionellen Raum umso gravierender werden, je weiter sich die Domäne bürokratisch geregelter Verhältnisse ausdehnt (gerade auch in Formen informeller, »klientenorientierter« Kommunikation).
Im Gegensatz zu der vorherrschenden Ausrichtung der Soziolinguistik verschob sich damit für G. die Perspektive von der Korrelation sprachlicher Erscheinungen mit anderen gesellschaftlichen Faktoren zu der Untersuchung, wie in konkreten Situationen sprachliche Ressourcen genutzt werden – wozu die sprachliche Inhomogenität konstitutiv gehört. Den methodischen Zugriff zur sprachlichen Heterogenität entwickelte er bewußt in der Tradition der europäischen Dialektologie weiter, in der immer schon das regionale Nebeneinander unterschiedlicher Sprachformen auf Sprachbewertungssysteme abgebildet wurde, die den Sprechern damit umzugehen erlaubten.[7]
Nicht nur das: methodisch richtungsweisende Forschungen führte er auch in Europa durch, so seine Forschungen in Norwegen in Verbindung mit einer Gastprofessur in Oslo 1962 bis 1963. Davon ist insbesondere eine Studie zu dem norwegischen Ort Hemnesberget einflußreich geworden, die die unterschiedlichen Muster des Code-Switchens relativ zu den sozial unterschiedlich strukturierten Lebensentwürfen der Bewohner interpretiert, s. etwa »Social meaning in linguistic structures: Code Switching in Norway«.[8] Diese Untersuchung hat inzwischen einen klassischen Status in der Soziolinguistik, weil sie zeigte, daß die Nutzung von sprachlichen Variablen nicht durch sprachexterne Faktoren (die soziale Zusammensetzung der Gesprächssituation, thematische Vorgaben u. dgl.) gesteuert ist, sondern daß sie den Gesprächsbeteiligten als symbolische Ressource dient, um die jeweilige Situationsdefinition zu etablieren (G. spricht hier von »metaphorischem Code-Switchen«).
Diese Studie ist vor allem auf der methodologischen Ebene einflußreich geworden, weil sie, anders als die Arbeiten zum Indischen, für die das Material mit Hilfe von Fragebögen erhoben worden war, auf Tonbandaufnahmen spontaner Gespräche beruhte.[9] Hier entwickelte G. ein Modell für das Code-Switchen, das die Konnotationen der verwendeten Formen als konventionalisiertes lokales Sprachbewertungssystem rekonstruiert. Statt der üblichen soziologischen Stratifikationsmodelle nutzt er hier ein Modell der sozialen Beziehungen in »Netzwerken«, wodurch diese Arbeit trendsetzend geworden ist.
Damit bildete seine Arbeit einen Orientierungspunkt für ansonsten sehr unterschiedliche jüngere sprachwissenschaftliche Ansätze, denen nur gemeinsam war, daß sie die grammatiktheoretische Engführung der dominanten Sprachwissenschaftsausrichtung zu überwinden trachteten, s. in diesem Sinne seinen Beitrag zu einer internationalen Pragmatik-Konferenz in Antwerpen 1987: (gemeinsam mit C. Roberts) »Understanding intercultural encounters«,[10] basierend auf den genannten Studien zu indischen und pakistanischen Immigranten in Großbritannien.
Eine ähnlich ausgerichtete Studie führte er im Gailtal (Kärnten)[11] durch (vielleicht nicht zufällig die Heimatregion von Kurath), wo er die methodische Analyse des Code-Switchen mikroskopisch durch die systematische Auswertung von prosodischen Faktoren verfeinerte.[12] In dieser Studie führt er die expliziteste Modellierung des von ihm »metaphorisches Code-Switchen« genannten Nutzens von Registerdifferenzen vor. Auch in der Modellierung der gesellschaftlichen Dynamik, die mit sprachlichen Mitteln inszeniert wird, geht diese Untersuchung am weitesten. Vor dem Hintergrund einer traditionell zweisprachigen Region (deutsch und slowenisch) rekonstruiert er den Wandel in den Sprachbewertungssystemen bei den unterschiedlichen Generationen (die Feldforschungen wurden im Jahr 1977 durchgeführt).
Seit Mitte der 60er Jahre gehörte G. zu den prominentesten Vertretern der empirischen Sprachwissenschaft in den USA, der in Abgrenzung zu Makroanalysen, sei es dialektologischen Zuschnitts (Labov) oder sprachsoziologischen Analysen (Fishman), die ethnographische Mikroanalyse repräsentierte, für die sich infolge der von ihm mitherausgegebenen Sammelbände dann auch die Bezeichnung »Ethnographie der Kommunikation« eingebürgert hat.[13] Beiträge von G. figurieren seitdem in zahlreichen Sammelbänden und werden in allen Einführungen und Überblicksdarstellungen gewürdigt.
Die spezifische Position von G. ist im Schnittfeld der methodologischen Auseinandersetzungen um die disziplinäre Identität in der Sprachwissenschaft und in der Soziologie zu sehen, die in den USA in den 60er Jahren einen breiten Raum einnahmen und in Deutschland phasenverschoben in den 70er Jahren einsetzten; in diesem Rahmen wurden auch die Arbeiten von G. in Deutschland rezipiert. In beiden Fächern wurden die dominanten Idealisierungen in Frage gestellt: in der Soziologie der sog. Strukturfunktionalismus, der bei empirischen Datenerhebungen diese nur in kodierter Form zu berücksichtigen erlaubte, in der Sprachwissenschaft die mit der Generativen Grammatik maßgeblich gewordene Modellierung »grammatischer Wissensstrukturen«, die unter dem Stichwort der anzustrebenden »Kompetenztheorien« die beobachtbaren Verhältnisse der Sprachpraxis als Fragen der Performanz ausklammerte. Der paradigmatische Monopolanspruch dieser Richtungen wurde verbreitet im Rückgriff auf ältere Traditionen beider Fächer in Frage gestellt.
G. entwicklete und systematisierte seinen Neuansatz an der Universität in Berkeley, die damals auch in der Soziologie ein Zentrum für eine Neuorientierung bildete, mit der sogenannten »Mikrosoziologie«, die sich einerseits in die Tradition der ethnologischen Forschung stellte (in den USA »anthropology« genannt), die immer schon sogenannte »reiche Beschreibungen« situierten Verhaltens betrieben hatten, andererseits auf einer theoretischen Ebene der Rückgriff auf phänomenologische Traditionen (in der Tradition von Husserl, in den USA vermittelt über den Emigranten Alfred Schütz [1899 – 1959]). In den Vordergrund gestellt wurde hier die Art, wie soziale Situationen produziert werden, wobei mit dem Fokus auf der Interaktion sprachliche Fragen immer mehr in den Vordergrund rückten (unter dem Stichwort der Ethnomethodologie oder auch direkt der Gesprächsanalyse). Schlüsselfiguren für diesen Neuansatz waren damals in Berkeley: H.Garfinkel (1917 – 2011), E.Goffman (1922 – 1982), ebenso wie Aktivisten der jüngeren Generation wie H.Sacks (1935 – 1975). Auch die sprachphilosophische Reflexion hatte hier mit P.Grice (1913 – 1988) einen derjenigen Vertreter, die nach einem Weg von der formallogischen Modellierung zu einer der Alltagssprache suchten. Seit Ende der 1960er Jahre rückt bei G. die Auseinandersetzung mit diesen Ansätzen immer mehr in den Vordergrund, z.B. mit dem Rückgriff auf „Implikaturen“ im Griceschen Sinne bei der Rekonstrukton von Gesprächsabläufen gegenüber der Beschränkung auf „grammatisierte“ Strukturen.
Dem korrespondierte damals in der US-amerikanischen Sprachwissenschaft der erneute Rückbezug auf die ethnographischen Traditionen, der mit einigem Erfolg von Dell Hymes[14] unter dem bewußt polemisch gewählten Stichwort einer Theorie der kommunikativen Kompetenz zum Programm erhoben wurde. G. verbindet beide Richtungen: so arbeitete er in Berkeley eng mit einem der führenden Ethnomethodologen, Aaron Cicourel, zusammen[15] und saß u.a. auch in der problematischen Promotionskommission von Harvey Sacks 1966.[16] Erving Goffman zitiert ihn wiederholt als sprachwissenschaftlichen Gewährsmann für seine soziologischen Sprachanalysen,[17] ebenso ist es bei Cicourel.[18] In einem jüngst erschienenen Rückblick auf sein Werk hat G. dieses denn auch direkt in diesen Zusammenhang gestellt.[19]
G. präsentierte seine Analysen denn auch auf interdisziplinären Tagungen vor Soziologen bzw. Ethnologen, z.B. »The conversational analysis of interethnic communication«[20] (aufbauend auf den schon erwähnten Forschungen zu indischen Migranten in Großbritannien). In diesem Sinne analysiert er die Sprachpraxis als eine, die über die Interpretation der Äußerungen durch die daran Beteiligten gesteuert ist, also als Rekonstruktion der situierten Interpretation. Die methodischen Probleme bestehen vor allem darin, daß die diskurs- und interpretationssteuernden Elemente der Äußerung keine konstant interpretierbaren Einheiten sind, die i.S. einer grammatischen (oder lexikalischen) Beschreibung extrapolierbar wären, sondern daß sie selbst ihrerseits nur kontextgebunden, also situiert, interpretierbar sind: sprachlich festgelegte symbolische Ressourcen müssen situativ (»indexikalisch«) erst noch verankert werden, um handlungsrelevant interpretiert werden zu können.[21] Er spricht von contextualisation clues, um deutlich zu machen, daß der interpretierende Kontext selbst sprachlich produziert wird (um so die Gegenüberstellung von Sprache und nicht-sprachlichem Kontext aufzulösen). Eine (vorläufig) abschließende Darstellung lieferte er mit dem methodisch angelegten Band »Discourse strategies«.[22]
In diesem Sinne tritt er konsequent für ethnographische Fallstudien ein (in Abgrenzung zu dem dominanten quantitativ ausgerichteten Forschungsdesign der Soziologie und daran orientiert der Soziolinguistik). Sein Ziel ist es, die deskriptiven Verfahren so auszubauen, daß die interpretative Leistung der Gesprächsbeteiligten in den Protokollierungen nachvollziehbar wird, indem die Annotation der Transskripte um die Kontextualisierungsindikatoren erweitert wird, wozu er außer prosodischen Faktoren auch paralinguistische und nonverbale heranzieht: Stimmlage, Gesten, Blickrichtungen bzw. -kontakte u. dgl. Auf diese Weise arbeitete er Steuerungselemente heraus, die wenig auffällig und daher auch metasprachlich wenig zugänglich sind, sodaß sie im Alltagsdiskurs über Sprache ebenso wenig wie in der normativen Sprachreflexion vorkommen. Das gilt so vor allem für die prosodischen Strukturen, die die Informationsstruktur der Äußerung und darüber die Kohäsion diskursiver Interaktion steuern. In diesem Feld hat er mehrere ausdrücklich methodologisch intendierte Beiträge verfaßt, bei denen er auch die Analyse von Videoaufzeichnungen vorsieht, z.B. (mit N. Berenz) »Transcribing conversational exchanges«.[23] In den methodologisch orientierten Arbeiten zitiert er systematisch die (mittel)europäische Forschungstradition, vergleichbar mit den Bemühungen etwa von Paul Garvin.[24]
Vor dem Hintergrund seiner methodischen Entwicklungen stehen auch G.s Interventionen in die Debatten zur kompensatorischen Erziehung in den 60er Jahren, bei denen sprachanalytische Fragen in den Vordergrund rückten. Sprachwissenschaftliche Beiträge zu dieser Debatte fokussierten u.a. die tatsächlichen Vorgänge im Unterricht (»Kommunikation im Klassenzimmer«). Mit Beispielen von Unterrichtskonflikten in Kalifornien (mit mexikanischem Spanisch und »Black English«) zeigte er, daß auch hier die Gefahr besteht, bei der kontrastiven Betrachtung der vorkommenden Varietäten auszublenden, daß deren stilistische Nutzung eine kulturelle Ressource ist, die mit dem normativen Modell der Förderung in der Hochsprache konfligiert, gerade auch dann, wenn die anderen Varietäten kontrastiv im Unterricht thematisiert werden.[25] Diesen argumentativen Strang hat er später in Zusammenarbeit mit Jenny Cook weiterverfolgt, die aus dem pädagogischen Umfeld von Basil Bernstein kam.[26] Ihre Bekanntschaft geht auf den Forschungsaufenthalt G.s in London Anfang der 70er Jahre zurück, 1972 heirateten sie.
Bei diesen Arbeiten werden zunehmend auch die politischen Prämissen von G. explizit, in denen sich seine biographischen Erfahrungen spiegeln. Migration ist für ihn das dominante Element der von ihm so genannten »postindustriellen« Gesellschaft, die eben nicht zu einem sprachlich-sozialen Ausgleich tendiert, sondern in zunehmendem Maße soziale und sprachliche Heterogenität freisetzt, die ein entsprechend größer werdendes Krisenmanagement erfordert. Mit seinen englischen Fallstudien zeigt er detailliert auf, wie sich infolge der vordergründig zunehmenden Sprachkenntnisse (vor allem bei den Folgegenerationen der Einwanderer) die Erwartung ausbildet, daß mit der scheinbar unauffälligen sprachlichen Form auch die Verständigung möglich sein müßte. Gerade aber da, wo in alltäglichen Routinesituationen Äußerungen in grammatischer und phonologischer Hinsicht weitgehend unauffällig sind, zeigt er an rekonstruierten Gesprächstranskripten aus institutionellen Kontexten, wie dramatische Mißverständnisse auftreten, die zu einer Eskalation des Konfliktes bis hin zu juristisch sanktionierten Konsequenzen führen (so, wenn z.B. ein solcher Sprecher vor Gericht als unglaubwürdig bzw. einer Falschaussage beschuldigt wird).
In der Rekonstruktion solcher Gespräche mit den Gesprächsbeteiligten kann er zeigen, wie die Erwartungen an eine Verständigung aufgrund der sprachlichen Form den Beteiligten nur noch die Möglichkeit einer Deutung des Mißverständnisses als ethnisch begründet zuläßt und damit die Freisetzung rassistischer Vorurteile begünstigt, s. dazu die Fallstudien, basierend auf Untersuchungen in Großbritannien und in den USA in dem von ihm herausgegebenen Band »Language and social identity«.[27] In einer ganzen Reihe von Arbeiten, gestützt auf Aufzeichnungen in unterschiedlichen institutionellen Kontexten, hat er die Konfliktebenen der impliziten »Kontextualisierungen« gegenüber der sprachlich offen liegenden Artikulation herausgearbeitet, die für alle Beteiligten eine Art double bind schaffen können, deren Folgekosten die Migranten zu tragen haben.[28] Die Bedeutung dieser Arbeiten für die Migrationsforschung ist noch keineswegs hinreichend erschlossen, G. selbst hat schon früh darin die Möglichkeiten gesehen, die naiven Erfolgsversprechungen der interkulturellen Pädagogik bzw. interkulturellen Psychologie in Frage zu stellen, s. seinen oben schon genannten Beitrag in dem Sammelband Ross 1978.
Darin zeigt sich eine Akzentverschiebung in seinen Arbeiten: neben den weiterführenden Explorationen der sozialen Funktion formaler Differenzen in der Sprachpraxis (wie in »Language and social identity« 1984) verstärkt jetzt auch eine methodologische Reflexion (in Auseinandersetzung mit der »Gesprächsanalyse«), bei der G. auch die polemische Auseinandersetzung mit der herrschenden Tendenz zur grammatiktheoretisch begründeten Subsumption der Sprachwissenschaft unter die (kognitive) Psychologie nicht scheut und ihr eine sozialwissenschaftlich begründete Theorie der Sprachpraxis entgegenstellt (deren Kontrollinstanzen, die Sprachbewertungssysteme, als bewußtseinszugänglich zu begreifen sind), so in dem Band »Discourse strategies« (1982). Gegen die gängigen Idealisierungen der Sprachwissenschaft, etwa das Isolieren von Variablen als Indikatoren der Verhältnisse der Sprachgemeinschaft, stellt er die Rekonstruktion der sprachlichen Praxis in der Sprechgemeinschaft (speech community).
In seinen jüngeren Arbeiten entwickelt er diese Perspektive systematischer, nicht zuletzt als Antwort auf das, was er die »biosoziale Reduktion« der Sprachproblematik im Paradigma der generativen Grammatik, so in: »Language standardization and complexities of communicative practice«[29]. Dort trennt er die sich überlagernden Horizonte der sozialisatorisch eingeübten Regularitäten des Sprachverhaltens gegenüber den daraus extrapolierten idealisierten Strukturen der Sprache: nur bei isolierten kleinen Sprachgemeinschaften fällt beides zusammen, nicht aber unter den Bedingungen der modernen Industriegesellschaften. Dramatische Konflikte entstehen dadurch, daß eine solche Gleichsetzung normativ vorgegeben wird; umso gravierender ist es, wenn sie konzeptuell in der herrschenden Lehre der Sprachwissenschaft festgeschrieben wird.
Gegen dieses Forschungsprogramm stellt G. nicht nur die Analyse mehrsprachiger Konfliktsituationen, sondern er explorierte auch Konflikte, die an der schriftlichen Artikulation des formellen Registers festgemacht sind. Die entsprechenden Fragen ergaben sich für ihn durch die Analyse der Verhältnisse in kalifornischen Schulen (s.o.), die ihn zu einer systematischen Analyse der Differenzen schriftlicher (literater) gegenüber mündlicher (orater) Praxis führten: in »Cohesion in spoken and written discourse: Ethnic style and the transition to literacy«[30] zeigt er, daß orate Diskursstile unterschiedliche strukturelle Barrieren aufweisen, die eine Umsetzung in einen literaten Text ermöglichen, aber auch blockieren können. Damit überwindet er die sprachwissenschaftlich übliche Sichtweise, die in der schriftlichen Praxis nur eine mediale Umsetzung der gesprochenen sieht.
In seine fachliche Entwicklung ist so eine deutliche politische Reflexion eingeschrieben, die zugleich die Biographie eines (deutschen) Emigranten spiegelt:
Seine ersten Arbeiten standen noch sehr stark im akademischen Kontext der soziolinguistischen Forschung: sie sind bestimmt durch das traditionelle Modell der Dialektologie, und auch die späteren großen empirischen Gemeinschaftsstudien bleiben dem traditionellen (heute anachronistischen) Modell von abgeschlossenen kleinen Gemeinschaften im ländlichen Raum verhaftet. Die systematische Reflexion entwickelt sich bei G. gewissermaßen quer zu dieser Tradition in Arbeiten über gesellschaftliche Konflikte, die auf sprachlichem Territorium ausgetragen wurden, dafür steht der Sammelband zur »social identity« (1982), der explizit auch die Forderung beinhaltet, das sprachwissenschaftliche Methodeninstrumentarium für gesellschaftliche Konflikte nutzbar zu machen. Die Ausgangsfrage zielt auf die Gründe dafür, daß sprachliche Konflikte in den modernen Industriestaaten einen so viel größeren Stellenwert erhalten als in den traditionalen Gesellschaften, in denen sprachliche Heterogenität eine eher problemlose Randbedingung bildet.
Auf diesem Feld hat G. versucht, seine Analysen praktisch-pädagogisch umzusetzen, etwa in dem gemeinsam mit der BBC nach seinem Englandaufenthalt 1971/1972 produzierten Werk »Cross-Talk: a study of cross-cultural communication«,[32] das zeigt, wie jenseits einer Ebene, auf der mithilfe einer Art »Basic English« eine alltagspraktische Verständigung durchaus möglich ist, kommunikative Konflikte durch unterschiedliche Registerbewertungen auf der einen Seite, inkongruente Kodierungen vor allem auf der grammatischen und der prosodischen Ebene auf der anderen Seite entstehen – allem guten Willen der Beteiligten zum Trotz (die vorgeführten Beispiele stammen, vor G.s Forschungshintergrund verständlich, aus konfliktträchtigen Gesprächen, bei denen Sprecher asiatischen Englischs mit Sprechern britischen Englischs zu tun haben).
Dabei macht er deutlich, daß die grammatisch gefilterten Probleme (also grammatische „Fehler“ in Äußerungen) zwar irritieren können, nicht aber in dem Sinne konfliktträchtig sind, wie es unpassende „Kontextualisierungen“ hinter dem Rücken der Akteure sind, für die auch keine mehr oder weniger konventionalisierten Reparaturmechanismen zu Verfügung stehen. In dem Maße, wie die sprachwissenschaftliche Forschung auf die grammatisierten Strukturen ausgerichtet ist, spielt sie für G. aber bei der Etablierung gesellschaftlicher Ungleichheit mit, bei der die Diskriminierung in sprachlichen Akten im Alltag hergestellt wird. Auf diese Weise hat die Stellungnahme zu diesen Problemen (und die Kritik an der herrschenden Sprachwissenschaft) bei G. in seinen letzten Jahren an Schärfe zugenommen – am Ende einer erfolgreichen akademischen Karriere auch eine Art, sich seiner Biographie als Verfolgter und Vertriebener zu stellen.
Dabei warnt G. davor, in rein sprachlich analysierten Problemen die Quelle für soziale Konflikte zu sehen, und zeigt in solchen Analysen, wie das Unverständnis der Situationsbeteiligten für die sprachlichen Probleme sie geradezu nötigt, rassistische Deutungsmuster für die Erklärung der erfahrenen Konflikte zu suchen. Auch hier trifft sich bei G. sein wissenschaftliches Projekt mit der Bearbeitung seiner biographischen Erfahrung. Diese Materialien sind ein Modell für die Umsetzung hochkomplexer theoretisch orientierter Forschung in die praktische Arbeit im Bildungsbereich. Zugleich machen sie allerdings auch deutlich, welche Anforderungen eine derartige migrationspädagogische Arbeit stellt.
Die Rezeption dieser Arbeiten ist bisher noch sehr unzureichend erfolgt.[33] Symptomatisch dafür ist, daß auch G. in der o.g. Würdigung seines Werks in dem Band von Eerdmans u.a. (2003, s. FN [19]) zwar einmal beiläufig auf »Cross-Talk« verweist (S. 7) – seine Gesprächspartner in den dort abgedruckten Interviews aber ebensowenig darauf eingehen wie die seinem Werk gewidmeten Aufsätze in diesem Band. Auch G. selbst nimmt sie in seinen »akademischeren« Veröffentlichungen nicht mehr auf; vielmehr sieht er sie selbst nach eigenen Worten (persönliche Mitteilung) eher als Ergebnis seines bürgerrechtlichen Engagements denn als wissenschaftliche Arbeit. Zwar wurden und werden diese Materialien wohl noch in England und in den USA in der Erwachsenenbildung eingesetzt, sie waren aber in der politischen Diskussion nicht unumstritten: vorgeworfen wurde ihnen, rassistische Konflikte durch die Fokussierung von »sprachlichen Begleiterscheinungen« zu verharmlosen und durch die Darstellung solcher Konflikte rassistischen Stereotypen Vorschub zu leisten. In einer Stellungnahme zu dieser Diskussion machen G. und seine Mitarbeiter sehr deutlich, daß es darum gehen muß, die im Alltag hergestellten sozialen Konflikte praktisch in den Griff zu bekommen; das verlangt ein Analyseinstrument, das eben unauffällige Handlungsmuster analytisch zugänglich macht.[34] Diskursanalytisch hat G. allerdings die so sichtbaren Konflikte in diesen Konstellationen weiterverfolgt, s. »Linguistics and social characteristics of minorization/majorization in verbal interaction«.[35]
Die Rezeption von G.s Arbeiten in Deutschland folgte den Konjunkturen der Soziolinguistik. Einem breiteren Fachpublikum wurde er Mitte der 70er Jahre in der Diskussion zur kompensatorischen Spracherziehung vorgestellt,[36] vor allem dann im Kontext der Konjunktur von Untersuchungen zum Sprachverhalten von »Gastarbeitern«, wo sein Ansatz als Alternative zu dem sehr viel strikter an der deskriptiven Sprachwissenschaft orientierten Vorgehen rezipiert wurde, das an die Variablenanalyse von Labov anschloß (in Deutschland vor allem durch das Heidelberger Forschungsprojekt von Norbert Dittmar, Wolfgang Klein u.a. vertreten),[37] vor allem aber auch weitergehend als Alternative zur kognitivistischen Orientierung der generativen Grammatik, die sich damals durchzusetzen begann. Als Zentrum der Rezeption fungierte die allgemeine Sprachwissenschaft an der Universität Konstanz, mit einem Forschungsprojekt zur Integration italienischer Arbeitsmigranten (Leitung von Aldo di Luzio, Mitarbeit von Peter Auer u.a.).[38]
Diese Arbeiten hatten eine produktiv-kritische Funktion in der dialektologischen Tradition, indem hier die Sprachentwicklung nicht eindimensional auf Ausgleichsprozesse abgebildet wird, sondern die Heterogenität in einer Sprachgemeinschaft als Ressource für soziale Differenzierungen gesehen wird, s. in diesem Sinne die Würdigung der Arbeiten von G. durch P. Auer und A. di Luzio in der Einleitung zu dem von ihnen 1988 hgg. Band.[39] G. war zu mehreren Forschungs- und Studienaufenthalten in Konstanz, wo er u.a. auch eine Gastprofessur hatte.[40] Sein Engagement dort wurde 1987 mit einem Ehrendoktorat gekrönt. Mit der neuen Konjunktur soziolinguistischer Forschung der 80er Jahre, die weniger direkt anwendungsbezogen operierte, kam es zu einer neuen Rezeption, für die vor allem das große Stadtsprachenprojekt des Instituts für deutsche Sprache steht, das 1981 in Mannheim begann und zu dessen Forschungsbeirat G. gehörte.[41] Das Forschungsdesign dieses über mehrere Jahre hindurch geführten Projektes war ausdrücklich an dem G.schen Modell ausgerichtet: mit der Rekonstruktion von sozialen Netzwerken und einer reichen, situierten Analyse der aufgenommenen Gespräche. G. selbst beteiligte sich auch mit einem Aufsatz an der Auswertung zum abschließenden Befund, der zugleich einen instruktiven Rückblick auf seinen eigenen wissenschaftlichen Werdegang enthält.[42]
Eine neue Phase der Rezeption lief über das Max-Planck-Institut für Psycholinguistik in Nijmegen, wo Stephen Levinson G.s Arbeit für die ethnographisch orientierte Forschung aufgenommen hat (s.o.). 1991 führte er mit G. eine Konferenz über Fragen sprachlich gebundener Kulturformen durch, s. den von ihnen beiden herausgegebenen Sammelband »Rethinking linguistic relativity«,[43] der das Tabu einer Diskussion um das sprachliche »Weltbild« aufhob, das anzusprechen in der sprachwissenschaftlichen Diskussion zeitweise geradezu als politisch unkorrekt galt. Ausdrücklich im Rückgang auf die ältere Forschungstradition, die in den USA nicht zuletzt von europäischen Migranten bestimmt war (s. hier bei Boas und Sapir), machen sie deutlich, daß in diesem Horizont überhaupt erst die Frage nach einer strukturellen Analyse aufgekommen ist, die Sprachen als Systeme differenziert. Dabei ist allerdings systematisch zu trennen zwischen den gewissermaßen »objektivierten« Strukturen (dem Lexikon und den grammatikalisierten Strukturen) gegenüber der habitualisierten Nutzung solcher strukturaler Ressourcen. Entscheidend ist, daß durch die inzwischen verfügbaren Forschungsinstrumente (vor allem die apparative Dokumentation von sprachlichen Interaktionen) die Möglichkeit besteht, eine operationalisierte Forschung zu Fragen durchzuführen, für die früher nur spekulative und anekdotisch belegbare Vermutungen eintreten konnten. G. hat zu diesem Band nicht nur einleitende und systematische Überlegungen beigesteuert, sondern auch eine empirische Analyse zu den kulturellen Konflikten durch unterschiedliche Kontextualisierungsmechanismen, die er durch Beispiele aus seinen Untersuchungen über institutionelle Erfahrungen von Migranten aus dem indischen Sprachraum veranschaulicht (allerdings auch hier, ohne auf das praktisch ausgerichtete Unternehmen von »Cross-Talk« zu verweisen).
Q: BHE; eine Bibliographie, die auch die Rezensionen zu G.s Arbeiten verzeichnet, findet sich unter http://www.lib.berkeley.edu/ANTH/emeritus/gumperz/gumppub.html (Jan. 2009); Interview mit G. am 7.6.1985 in Mannheim; Laudatio von A. di Luzio zu G.s Ehrenpromotion in Konstanz 1987 (Manuskript); S.Sarangi (Hg.), Text & Talk 31/4: Special issue on J.G. (2011); Nachrufe: M.Fox, in: New York Times 2.4.2013; P.Auer u.a. in: Gesprächsforschung 14/ 2013 (http://www.gespraechsforschung-ozs.de/fileadmin/dateien/heft2013/ga-gumperz.pdf); I.Hasnain in: Linguist List 24 / 2013 (http://linguistlist.org/issues/24/24-4078.html); Heller, M. in: Journal of Sociolinguistics 17/ 2013: 394–399. Materialien und Hinweise von G.; Hinweise von P. Auer.
[1] Ph. D.-Diss., Ann Arbor (Mich.) 1954 – maschinenschr.
[2] S. seine Beiträge in dem Ergebnis-Band »Linguistic diversity in South Asia: studies in regional, social and functional variation«, Bloomington: Indiana UP 1960.
[3] Berkeley: ASUC Bookstore 1962.
[4] Wieder versammelt in dem Sammelband seiner Schriften, hrsg. von A. S. Dil, »Language in social groups«, Stanford: Stanford UP 1971.
[5] Mit R. Wilson in »Convergence and Creolization: A case from the Indo-Aryan/Dravidian Border«, zuerst in: D. H. Hymes (Hg.), »Pidginization and Creolization«, Cambridge: Cambridge UP 1971, repr. in A. S. Dil, op. cit.: 251-273.
[6] S. die Bibliographie in dem Band von Dil 1971 (s.o.).
[7] So war insbesondere in der deutschen Dialektologie der ersten Jahrhunderthälfte bereits der »kulturelle Mehrwert« sprachlicher Formen eine zentrale analytische Figur, s. dazu etwa Maas, »Volkskundliches (Kultur) in der Sprachwissenschaft«, in: Brekle/Maas (Hgg.), »Sprachwissenschaft und Volkskunde«, Opladen: Westdeutscher Verlag 1986: 33-69.
[8] (Zusammen mit J.-P. Blom) in: A. S. Dil (Hg.), »Language in social groups. Essays by John J. Gumperz«, Stanford: Stanford UP 1971: 274-340; in diesem Band noch 16 weitere Aufsätze, vor allem auch zu den indischen Studien, sowie eine Bibliographie von 1955 bis 1971 (ohne die Dissertation!), insgesamt 54 Titel. Der Aufsatz mit Blom erschien auch in: Gumperz/D. Hymes (Hgg.), »Directions in sociolinguistics«, New York: R. Holt & Winston 1972: 84-108.
[9] S. den schon genannten Aufsatz mit J.-P. Blom (1971).
[10] In: J. Blommhelt/J. Verschueren (Hgg.), »The Pragmatics of intercultural and international communication«, Amsterdam: Benjamins 1991: 51-90.
[11] Die Gail ist ein Nebenfluß der Drau, in die sie bei Villach mündet.
[12] »Discourse strategies«, Cambridge: Cambridge UP 1982.
[13] Mit D. Hymes (Hgg.), »The ethnography of communication«, (= American Anthropologist 66:6), Washington: American Anthropological Assoc. 1964.
Die Zusammenarbeit mit Dell Hymes ist signifikant: dieser steht einerseits explizit in der anthropologischen Boas-Sapir-Tradition, bemüht sich aber andererseits auch ausdrücklich um die ältere europäische »kulturwissenschaftliche« Tradition. Mit Hymes hatte G. schon bei dessen einflußreichem Lesebuch »Language in Culture and Society« (New York: Harper & Row 1964) zusammengearbeitet (wo auch eine seiner indischen Studien abgedruckt ist, die er dort ausdrücklich in der deutschen dialektologischen Tradition situiert: »Speech Variation and the Study of Indian Civilization«, S. 416-424).
[14] Dell Hymes (1927-2009), zuletzt Professor für Sprachwissenschaft an der University of Virginia, schloß explizit an die Tradition von Franz Boas an.
[15] Er dankt ihm wiederholt in Anmerkungen zu seinen Arbeiten.
[16] S. dazu die Einleitung von Schegloff zu der postumen Ausgabe der Vorlesungen von Harvey Sacks »Lectures on Conversation«, Oxford: Blackwell 1992.
[17] Z.B. in dem einflußreichen Aufsatz über die Verankerung von Interpretationen sprachlicher Äußerungen: »Footing« (1979), wieder abgedruckt in E. Goffman, »Forms of Talk«, Oxford: Blackwell 1981, Kap. 3, S. 124ff.
[18] S. etwa dessen »Cognitive Sociology« (1973), auf dt. »Sprache in der sozialen Interaktion«, München: List 1975, zeitgleich mit der breiteren Rezeption von G. in Deutschland.
[19] S. L. Eerdmans/C. L. Prevignano/P. J. Thibault (Hgg.), »Language und Interaction. Discussions with J. J. G.«, Amsterdam: Benjamins 2003, bes. in seinem »Response Essay«, S. 105-126.
[20] In: E. L. Ross (Hg.), »Interethnic Communication«, Athens, Georgia: Univ. Georgia Pr. 1978: 13-31.
[21] Damit setzt er in der Sprachwissenschaft ein grundlegendes ethnomethodologisches Theorem um (s.o.). Den terminologischen Gegensatz von symbolisch und indexikalisch (letztlich auf Peirce zurückgehend) benutzt er später im Rückgriff auf M. Silverstein.
[22] Cambridge: Cambrigde UP 1982, dort bes. Kap. 5, S. 100-129. Eine ausführiche Rekonstruktion dieses analytischen Strangs in G.s Werk findet sich bei P.Auer / C.Roberts, Introduction – J.G. and the indexicality of language, in dem Band von Sarangi (2011, Q): 381 – 393.
[23] In: J. Edwards/M. Lampert (Hgg.), »Talking Data: Transcription and coding in discourse research«, London usw.: L. Erlbaum 1993: 91-121.
[24] Dessen entsprechende Sammelbände er auch wiederholt anführt.
[25] Mit E. Hernández-Chavez, »Bilingualism, bidialectalism and classroom interaction«, zuerst 1970, repr. in: C. Cazden u.a. (Hgg.), »Functions of language in the classroom«, New York: Teachers College Press 1972: 84-108; vgl. dazu hier auch bei Politzer.
[26] S. ihre Dissertation von 1971, veröffentlicht schon unter dem neuen Namen: Jenny Cook-Gumperz, »Social control and socialization: A study of class differences in the language of maternal control«, London-Boston: Routledge & K. Paul 1973.
[27] Cambridge: Cambridge UP 1982.
[28] S. etwa mit J. Cook-Gumperz, »Narrative accounts in gatekeeping interviews: Intercultural differences or common misunderstandings?«, in: Language and Intercultural Communication 2/2002: 25-36.
[29] Gemeinsam mit J. Cook-Gumperz in: Susan McKinnon, Sydel Silverman (Hgg.), »Complexities: Beyond nature and nurture«, Chicago: Chicago UP 2005: 268-288.
[30] Mit H. Kaltmann u.a. in: D. Tannen (Hg.), »Cohesion in Spoken and Written Discourse«, Norwood/N.Y.: Ablex Publishing 1984: 3-19.
[31] Diese Studie ist parallel zu der von G.s Forschungen bestimmten Arbeit von. S. Gal, »Language shift. Social determinants of linguistic change in bilingual Austria«, New York: Academic Press 1979, die die deutsch-ungarische Sprachpraxis im burgenländischen Oberwart untersucht (im übrigen ist diese Arbeit an Labov orientiert).
[32] Mit J. Jupp/C. Roberts (Hgg.), Southall: National Centre for Industrial Language Training 1979 – eine Broschüre zusammen mit einem Video-Band.
[33] J. Rehbein hat sie (in mir nicht nachvollziehbarer Weise) kritisiert, s. seine Einleitung zu dem von ihm hg. Band »Interkulturelle Kommunikation«, Tübingen: Narr 1985: 19-22; s. dagegen S. C. Levinson (der sich übrigens explizit als G.s Schüler bezeichnet), »Pragmatics«, Cambridge: Cambridge UP 1983.
[34] Mit Theodor C. Jupp, C. Roberts, »Cross talk: The wider perspective«, Southall: ILT 1981 (vervielfältigt).
[35] In: B. Py u.a. (Hgg.), »Minorisation linguistique et interaction«, Neuchâtel: Université de Neuchâtel 1989: 21-37.
[36] S. den im pädagogischen Verlag Schwan erschienenen Sammelband mit seinen Aufsätzen 1975.
[37] S. Heidelberger Forschungsprojekt »Pidgin-Deutsch: Sprache und Kommunikation ausländischer Arbeiter«, Kronberg: Scriptor 1975 – im Literaturverzeichnis fehlt bemerkenswerterweise G.s Beitrag in dem Sammelband von 1975.
[38] S. P. Auer/A. di Luzio (Hgg.), »Interpretive Sociolinguistics. Migrants – Children – Migrant Children«, Tübingen: Narr 1984, mit einem einleitenden Beitrag von G.
[39] P. Auer/A. di Luzio (Hgg.), »Variation and convergence. Studies in social dialectology«, Berlin: de Gruyter 1988 (bes. S. 6).
[40] P. Auer dankt ihm in seiner Dissertation für die Betreuung an der Universität Konstanz, s. ders., »Bilingual Conversation«, Amsterdam: Benjamins 1984.
[41] S. Friedrich Debus/Werner Kallmeyer (Hgg.), »Kommunikation in der Stadt«, 4 Bde., Berlin: de Gruyter 1994.
[42] »Sprachliche Variabilität in interaktionsanalytischer Perspektive«, in Bd. 1: 611-639.
[43] Cambridge: Cambridge UP 1996.