Fuchs, Walter
Nach dem Abitur 1921 begann F. ein orientalistisches Studium in Berlin mit dem Schwerpunkt bei Chinesisch und Mandžu. 1925 Promotion mit einer historischen Arbeit zum Turfan-Gebiet. 1924-1926 war er am Berliner Museum für Völkerkunde tätig. 1926 bis 1938 hatte er eine Lektorenstelle für Deutsch und Latein (!) an der (damals:) Japanischen Medizinischen Hochschule der (damals:) Japanischen Südmandžurischen Eisenbahngesellschaft in Shenyang (damals: Mukden) – als Nachfolger von Lessing.[1]
In dieser Zeit explorierte er die Mandžurei, was sich in zahlreichen kleineren geographischen und kulturgeschichtlichen Arbeiten niederschlug, mit einem Schwerpunkt bei der Kartographie. Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt war die Bücherkunde, wo er eine eigene große Forschungsbibliothek zum Mandžu und zum Chinesischen aufbaute.[2] Die politischen und gesellschaftlichen Randbedingungen seiner Tätigkeit brachten es mit sich, daß F. sich intensiv in das Japanische einarbeitete und damit auch in die japanische Forschungsliteratur zum Mandžu und zum Chinesischen.
Bei einem seiner Deutschland-Aufenthalte in dieser Zeit, vermutlich 1937, trat er der NSDAP bei. 1938 erhielt er eine Professur an der Katholischen Fujen Universität in Peking, wo er zugleich bis 1941 das Deutschland-Institut leitete und Mitherausgeber der sinologischen Zeitschrift Monumenta Serica war. Hier publizierte er größere kartographische Werke zur chinesischen Geschichte, neben einer Fülle kleinerer philologisch gearbeiteter Studien zu verstreuten (kultur-)geschichtlichen Einzelfragen. In Peking galt er als sozialer Mittelpunkt der europäischen Gesellschaft (s. dazu mit anekdotischen Anmerkungen den Nachruf von Franke). 1940 erhielt er einen Ruf auf eine sinologische Professur in München, die er aber kriegsbedingt nicht antreten konnte. Der bei Kriegsende angeordneten Repatriierung der Deutschen aus China konnte er sich zunächst noch durch eine Anstellung 1946 an der amerikanisch-chinesischen Yenching Universität entziehen. 1947 wurde er repatriiert und zunächst interniert. Er mußte sich der Entnazifizierung unterziehen, die er zwar unbelastet überstand (so Franke, Q), die ihn aber als ehemaliges Parteimitglied für eine Professorenstelle zunächst disqualifizierte. Mit Unterstützung des Münchener Sinologen Haenisch erhielt er ein Forschungsstipendium zu einer chinesischen Übersetzungsarbeit. 1951 habilitierte er in München und war dort seit 1952 als Kustos am Völkerkundemuseum tätig. 1956 erhielt er ein Extraordinariat für Sinologie an der FU Berlin, 1960 eine ordentliche Professur für Sinologie und Mandžuristik an der Universität Köln, wo er jeweils ein sinologisches Institut und die entsprechende Bibliothek aufbaute. 1953 begründete er die neue sinologische Zeitschrift Oriens Extremus, die er seitdem mitherausgab.
Sein wissenschaftlicher Forschungsschwerpunkt war die Bücherkunde, zu der er auch schon vor seiner Ausreise nach China publiziert hatte. Zu seinem Schwerpunkt der Mandžuristik hat er maßgebliche Überblicksdarstellungen vorgelegt. Im engeren Sinne sprachanalytische Arbeiten waren demgegenüber marginal, wie er auch der sprachbezogenen Universitätslehre wenig Interesse abgewinnen konnte (so Walravens 1981, Q: 240). Allein zum Mandžu veröffentlichte er kleinere sprachbezogene Studien, die seine Berücksichtigung hier rechtfertigen, vor allem zu lexikologischen bzw. wortgeschichtlichen Fragen, zu denen er philologisch abgestützte Quellenbelege beibrachte, z.B. seine »Jušen-manjurische Wortgleichungen«.[3]
Q: DBE 2005; Nachrufe von W. Franke in: Oriens Extremus 27/1980; H. Walravens in: Ural-Altaische Jahrbücher NF 1/1981: 238-241 (leicht verändert auch in: Das neue China 9/1982: 30); von ds. hg. Briefwechsel von F. in: Nachrichten d. Ges. f. Natur- und Völkerkunde Ostasiens 177-178/2005: 117-149; M. Weiers/G. Stary (Hgg.), »Florilegia Manjurica: In Memoriam W. F.«, Wiesbaden: Harrassowitz 1982. Schriftenverzeichnis von M. Gimm in: Oriens Extremus 19/1972: 1-7; ergänzt in der Gedenkschrift S. 3-6; H. Walravens (Hg.), »F. L. (1882-1961)«, Melle: Wagner Edition 2006, ergänzt um eine Edition: ders./M. Grimm (Hgg.), »Wei jiao zi ai ›Schone dich für die Wissenschaft‹ Leben und Werk des Kölner Sinologen W. F. (1902-1979) in Dokumenten und Briefen«. Wiesbaden: Harrassowitz 2010.
[1] Briefwechsel mit F. Lessing, s. Walravens 2006 (Q): 401-406.
[2] Zum Mandžu s. Auswertung, Kap. 3.2.3.
[3] W. Heissig u.a. (Hgg.), »Tractata altaica«, (FS D. Sinor), Wiesbaden: Harrassowitz 1976: 181-188.