Krauss, Werner Rudolf
Geb. 7.6.1900 in Stuttgart, gest. 28.8.1976 in Berlin (DDR).
Nach dem Abitur 1918 in Stuttgart nahm er noch am Krieg teil; danach zunächst Jura-Studium in München, ab 1920 Studium der Literatur- und Kulturwissenschaften, Schwerpunkt zunächst Kunstgeschichte, dann Romanistik. 1922-1926 war er zu einem Studienaufenthalt in Spanien,[1] bei dem er wegen »politischer Agitation« verhaftet und schließlich abgeschoben wurde. 1929 promovierte er in München bei Vossler mit einer literaturgeschichtlichen Dissertation (s.u.). 1931 holte ihn Auerbach als Assistenten nach Marburg, unter dessen Einfluß er sich fachlich deskriptiver ausrichtete und sich insbesondere auch um sprachwissenschaftliche Grundlagen bemühte; allerdings schloß er die bei Vossler begonnene Arbeit an einer literaturgeschichtlichen Habilitationsschrift über den spanischen Schäferroman noch ab und habilitierte damit 1932 in Marburg (die nicht gedruckte Habilitationsschrift ist verschollen). Nicht zuletzt auf Auerbachs Betreiben hin wurde er 1935 zum Vertreter von dessen Stelle bestellt, bis 1936 der »Parteigenosse« Friedrich Schürr[2] darauf berufen wurde.
Von dieser formalen Seite seiner Ausbildung wie auch seiner späteren Laufbahn her wird K. in der Fachgeschichtsschreibung als Literaturwissenschaftler angesehen, was bei ihm aber mehr noch als bei vielen anderen hier berücksichtigten Vertretern der »Philologien« eine unzulässige anachronistische Vereindeutigung darstellt. K. teilte nicht nur mit seinen Lehrern Vossler und (dem nur wenig älteren) Auerbach ein Verständnis von Literatur als künstlerisch gestalteter Sprachpraxis, sondern er setzte sich expliziter noch als diese mit sprachwissenschaftlichen Methoden- und Theoriefragen auseinander, schrieb dazu – und hielt (insofern tatsächlich zuletzt ein Anachronismus) bis in seine letzten Jahre im Amt daran fest, daß eine literaturwissenschaftliche Habilitation von Kandidaten auch eine sprachwissenschaftliche Grundqualifikation verlangte.[3] Dem entsprach auch die Art, wie er das Fach in der Lehre vertrat (gelegentlich sogar mit Veranstaltungen, die mit Sprachwissenschaft betitelt waren).[4] Daß Sprachwissenschaft und Literaturwissenschaft nicht im Sinne der jüngeren institutionell verfestigten Arbeitsteilung isoliert werden können, hat K. immer deutlich gemacht, z.B. in seinem Nachruf auf seinen Lehrer Vossler, bei dem er die »dienende Stellung der Sprachwissenschaft [in dessen] literarische[m] Lebenswerk« herausstellt: zwar eine Unterordnung, aber in einem symbiotischen Verhältnis (WW 1: 67), womit er sich letztlich selbst charakterisierte (s. auch bei Vossler).
Entsprechend wird er auch so in den Nachrufen von Kollegen aus der DDR gewürdigt, die ihn persönlich kannten, während die Fachvertreter aus der BRD, die ihn schätzen, ihn in der Regel nur als Literaturwissenschaftler vereinnahmen.[5] Das gilt so auch für die Gedenkveranstaltung, die 1998 in Marburg stattfand: in dem daraus hervorgegangenen Band ist von 17 Beiträgen allein einer seinen sprachwissenschaftlichen Arbeiten im weiteren Sinne gewidmet.[6]
K. hatte sich mit seiner Dissertation als profilierter Vertreter der Vossler-Schule präsentiert: die Dissertation: »Das tätige Leben und die Literatur im mittelalterlichen Spanien«[7] ist mit entsprechenden »völkerkundlichen« Stereotypen gespickt (im »wesenhaften Durchgreifen« durch die Quellen auf »den Spanier«) und nicht zuletzt mit dem Pathos der neuen Wissenschaft, wie es bei jüngeren Vertretern in diesem Umfeld üblich war (s. hier vor allem Lerch): er glaubt in den Texten »den heißen Atem des Lebens« zu fassen (S. 15) u. dgl. Das bringt ihn allerdings auch dazu, sich in einer Abgrenzung von der schöngeistigen Ausrichtung der Literaturwissenschaft ausführlich mit den sprachkulturellen Zeugnissen zu befassen, die im Bereich der Artes-Literatur und der Rechts- bzw. Verwaltungspraxis den Unterbau für die literarische Produktion im engeren Sinne liefern. Diese noch reichlich essayistisch gestrickte Arbeit dürfte zugleich eine Empfehlung bei Auerbach gewesen sein, mit dem K. in Marburg eng zusammenarbeitete und auch gemeinsame Lehrveranstaltungen durchführte. Hier wurde K.s Programm zu dem, was von zeitgenössischen Fachvertretern schon damals als soziologische Orientierung der Literaturwissenschaft mißbilligt wurde. Dazu gehörte aber von Anfang an auch seine von ihm explizit »sprachtheoretisch« verstandene Reflexion seines Unternehmens, die sich z.B. deutlich in seinem Briefwechsel mit Auerbach spiegelt (s. die Briefe in Jehle 2002, Q). Von dieser Position aus hat er eine ganze Reihe von monographischen Darstellungen erarbeitet, angefangen bei einem Buch zu Corneille (1936).[8]
In der offiziösen DDR-Fachgeschichtsschreibung wurde daraus eine marxistische Orientierung schon in seinen frühen Arbeiten gemacht. Das ist nun sicherlich ein Anachronismus mit anderem Vorzeichen, wie nicht zuletzt seine inzwischen veröffentlichten Tagebuchaufzeichnungen aus den frühen Jahren zeigen.[9] Immerhin arbeitete er sich in Marburg recht systematisch in die gesellschaftlichen Entwicklungen und die einschlägigen in Rußland erscheinenden theoretischen Schriften ein; dazu lernte er auch Russisch. In den frühen 30er Jahren hat er sich um ein philosophisch-systematisches Fundament seiner Arbeit bemüht: dazu gehörten allerdings neben Nietzsche, Freud und anderen auch die Schriften des jungen Marx, die noch ohne Verbindung zu dessen späteren politischen Reflexionen sind. Das mag später anders geworden sein, als er sich dann auch mit Lukacs beschäftigt hat. Aufschlüsse dazu geben die inzwischen aus dieser Zeit veröffentlichten Briefe.[10]
Seine Arbeiten hatten ihm in der Romanistik früh ein beträchtliches Ansehen eingebracht, und so wurde er mehrfach für Professuren vorgesehen (1936 in Rostock, 1942 in Berlin); seine politische Beurteilung durch den NS-Dozentenbund war aber negativ – offensichtlich weniger direkt politisch bestimmt als durch eine Ablehnung des unpolitisch-weltfremden Geisteswissenschaftlers (er wird mit »versponnenem Intellektualismus« charakterisiert).[11] 1940 wurde K. zur Dolmetscherkompanie bei der Auslands-Abwehr in Berlin einberufen (für Spanisch und Französisch). In diesem Rahmen veröffentlichte er auch zu den politischen Verhältnissen im faschistischen Spanien[12] – was zu einer positiven politischen Beurteilung führte: das Amt Rosenberg stimmte am 13.6.1942 seiner Ernennung zum a.o. Professor zu.[13] Vor allem aber bemühte er sich um karriereförderliche Kontakte und war so aktiv an dem »Kriegseinsatz« der Romanisten 1940-1941 beteiligt.[14]
Er selbst hat diese Arbeiten später als Versuche gewertet, seine Haut zu retten, als er ins Visier der Gestapo geraten war,[15] und die Sekundärliteratur zu K. (Naumann, Schlobach s. Q) ist ihm darin gefolgt, indem sie seine grundsätzliche politische Gegnerschaft zum Nationalsozialismus herausgestellt hat. So hat sie auch seine damaligen literaturwissenschaftlichen Arbeiten als Umsetzung dieser Haltung im Modus der Literaturanalyse gedeutet; Schlobach erwägt sogar, in K.s durchaus profaschistisch zu lesenden Äußerungen in einer offiziösen Publikation 1941 (s. Fn 12). eine Tarnung für die gleichzeitig begonnene aktive Widerstandsarbeit zu sehen.[16] Er selbst beschreibt seine politische Haltung in der Marburger Zeit als oppositionell, aber keineswegs explizit politisch.[17] Vor allem die ironisch sarkastischen Kommentare in seinen Briefen an den Freund Hellweg zeigen seine Distanz zu den gesellschaftlichen Verhältnissen, die für ihn vielleicht auch das Jonglieren mit sprachlichen Versatzstücken aus dem faschistischen Spanien ein Spiel sein ließ, das aber wohl doch dem opportunistischen Ziel untergeordnet war, dem drohenden Kriegseinsatz durch eine politisch wohlwollendere Beurteilung zu entkommen. Auch das ist sicherlich ein Motiv für seine Beteiligung am damals geplanten »Kriegseinsatz« der Romanistik.
1941 kam er in das Umfeld der Widerstandsorganisation »Rote Kapelle« (H. Schulze-Boysen u.a.), vermittelt über seinen Studienfreund John Rittmeister, der in Berlin Zentrum eines Intellektuellenkreises im Umfeld dieser Organisation war; bei einer Angehörigen dieses Kreises wohnte K. auch zur Untermiete (woraus die Gestapo in der späteren Anklage ein erotisches Motiv für seine Widerstandsarbeit machte).[18] Am 24.11.1942 wurde er nach der Sprengung dieser Organisation (im August d. J.) verhaftet und am 8.1.1943 zum Tode verurteilt. Es kam zu zahlreichen Unterstützungsinitiativen (Univ. Marburg, mehrere private Initiativen von Vossler u.a.), die auf eine Neuaufnahme des Prozesses auf der Basis eines psychiatrischen Gutachtens drängten (auch der Vorsitzende des Kriegsgerichtes, Richter Krall, setzte sich für K. ein).[19] Dem wurde (wohl auch aus außenpolitisch-propagandistischen Rücksichten) stattgegeben, die Hinrichtung wurde aufgeschoben, und am 14.9.1944 wurde K. in zweiter Verhandlung zu fünf Jahren Zuchthaus begnadigt. Er sollte schließlich noch in einer »Feldgefangenenabteilung« Militärdienst leisten, war dazu aber aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes nicht in der Lage und blieb im Gefängnis in Torgau; im März 1945 wurde er mit einem Lazarettzug in die Tschechoslowakei transportiert. Nach der Kapitulation wurde er dort in einem amerikanischen Kriegsgefangenenlager entlassen und nach Deutschland zurückbefördert.[20]
Die Hafterfahrungen und in ihrem Spiegel die NS-Verhältnisse bearbeitete K. in einem literarischen Werk »PLN. Die Passionen der halykonischen Seele«, zuerst 1946 veröffentlicht (nachdem das Manuskript 1944 aus dem Zuchthaus Plötzensee geschmuggelt wurde).[21] Es ist ein verschlüsselter Roman;[22] aber wohl nicht nur aus Tarnungsgründen entwirft K. ein verworrenes Bild totalitärer Verhältnisse, deren Funktionsweise nicht zuletzt auf dem undurchschaubaren Ineinandergreifen von Apparaten bzw. der Bürokratie (PLN = Postleitnummer) und expressiven Sprachgesten von Akteuren beruht, die nicht Herr im Haus ihres Tuns (und ihrer Sprache) sind. In dieser literarischen Umsetzung liefert das Buch streckenweise eine in der Karikatur sehr prägnante Analyse der sprachlichen Verhältnisse im Faschismus, die in parodistischer Verzerrung Versatzstücke vor allem der feiertäglichen Inszenierung des Regimes, der pathetischen Sinnbeschaffung für sinnlos-triviale »Vollzüge« (auch im Alltag der »Helden«) vorführt. Insofern bildet der Band in gewisser Weise ein Gegenstück zu Klemperers »LTI«, als literarisch praktizierte Sprachkritik[23] – er kommentiert aber auch Ks. eigenes Spiel mit sprachlichen Versatzstücken in der Kollusion mit den Verhältnissen.
Nach seiner Rückkehr im Mai 1945 nach Marburg wurde er dort am 24.10.1945 wieder Mitglied des Lehrkörpers der Universität als a.o. Prof. (rückwirkend zum 5.7.1942). Am 2.5.1946 wurde er zum o. Prof. für Romanistik und zugleich zum Beauftragten für den demokratischen Wiederaufbau der Universität ernannt. Nicht zuletzt wohl in Reaktion auf die politisch restaurativen Tendenzen in Marburg und in den Westzonen generell ging er 1947 in die SBZ – immerhin scheiterte sein Versuch, 1946/1947 eine Aufsatzsammlung mit einer politischen Ortsbestimmung (u.a. einer expliziten Auseinandersetzung mit marxistischen Positionen) zu publizieren, an der US-amerikanischen Zensur.[24]
In der SBZ, später dann in der DDR hatte er eine relativ prominente wissenschaftliche Rolle,[25] mit der er sich bemühte, vor allem auch Emigranten für die Rückkehr und den Aufbau einer neuen Universität zu gewinnen (nicht nur engere Fachvertreter wie Spitzer, auch jemanden wie Marcuse, s. dazu die Briefe in Jehle 2002, Q). Er füllte diese Rolle aber auch mit propagandistischen bzw. apologetischen Äußerungen: z.T. mit recht platten Paraphrasen auf die »herrschende Lehre« des »dialektischen Materialismus«, auch im Jonglieren mit den parteioffiziellen Floskeln[26] – was ihm politische Probleme nicht ersparte: auch hier fiel eine geplante programmatische Aufsatzsammlung 1949-1951 der Zensur zum Opfer.[27] Parallel zu seinem Sprachspiel im Faschismus spielte er auch das Sprachspiel des sozialistischen Realismus mit, z.B. im Jonglieren mit panegyrischen Lobesfloskeln auf Stalin.[28] Das lebenslang wohl nicht überwundene Trauma (und auch die physischen Schäden) von Plötzensee auf der einen Seite, die Erfahrung der Restauration in der Marburger Zeit nach 1945 auf der anderen Seite hatten ihn offensichtlich zur Einsicht gebracht, daß es zu dem Sozialismus in der SBZ/DDR keine Alternative in Deutschland gäbe, was ihn allerdings die Entwicklungen in der DDR nicht weniger kritisch sehen ließ.[29] Und hier kam er zu einer ähnlichen Verarbeitung, wie es »PLN« im Faschismus gewesen war: mit einer sarkastischen Persiflage auf die Inszenierungsformen der DDR in einem nachgelassenen literarischen Werk »Der Fälscher«.[30]
Seit 1947 war er ordentlicher Professor an der Universität Leipzig, wo er die Romanistik gemeinsam mit von Wartburg vertrat. 1950-1952 hatte er eine Professur für Romanistik an der Humboldt-Universität (zunächst als Gastprofessur), parallel zu Klemperer, der die Geschäftsführung hatte, woraus Konflikte resultierten, die wohl auch seine Rückkehr nach Leipzig motivierten (s. hier bei Klemperer).[31] Von 1958 bis zu seiner Emeritierung 1965 war er zugleich Direktor des Instituts für romanische Sprachen und Kultur an der Akademie der Wissenschaften der DDR in Berlin (der er bereits seit 1949 angehörte). Daß er dabei mit dem politischen Apparat kollaborierte, versteht sich von selbst. Vorwürfe, die ihm eine besondere Kompromittierung anlasten, haben sich nicht substanziieren lassen.[32] Allerdings gerierte er sich durchaus als Gegenspieler auf der Parteilinie gegen Steinitz, als dieser die Möglichkeiten einer weitergehenden wissenschaftspolitischen Öffnung nach Stalins Sprachwissenschaftsbriefen auszuloten versuchte, s. bei diesem und w.u.
Sein wissenschaftliches Arbeitsprogramm entwickelte er in gewisser Weise konsequent seit der Dissertation weiter: Literatur analysierte er als kulturelle Manifestation in einem umfassend betrachteten gesellschaftlichen Feld, das er nicht zuletzt auch in »trivialen« Bereichen explorierte. In seinem weiteren Werk gibt es nur eine gewisse Verschiebung im Gegenstandsbereich vom Spanischen zum Französischen und da später dann zur Aufklärung. Der Spanienaufenthalt blieb für ihn bestimmend. In Marburg gab er auch spanische Sprachkurse, und auch später in Leipzig beteiligte er sich noch an der Spanischausbildung: er gab dort Seminare zur spanischen Stilistik und Metrik. In seinem Hauptforschungsgebiet, der Literaturgeschichte, arbeitete er sich systematisch vom Mittelalter bis an die Gegenwart heran und legte Monographien zu großen Autoren wie Gracián,[33] Cervantes und anderen vor, aber auch zu weniger literarischen Gegenständen wie z.B. spanischen Sprichwörtern. Unter den politischen Obertönen läßt sich diese Untersuchungsrichtung auch bei seinen Veröffentlichungen aus der Zeit der Dolmetscher-Lehrkompanie herauslesen.
In seinem Forschungsprogramm blieb K. der Vosslerschen Programmatik treu, von dem er im übrigen noch Schriften herausgab.[34] Literatur begriff er als eine spezifische Form des Umgangs mit Sprache, die deren Potentiale gewissermaßen voll zur Geltung bringt, wobei er die poetische (also eben auch formal zu analysierende) sprachliche Form zum definierenden Element macht.[35] Schon in der Dissertation entwickelte er programmatisch die Grundfrage nach der symbolischen Repräsentation der Wirklichkeit – und so hat er sich lebenslang immer wieder um eine semiotische Klärung der entsprechenden Begrifflichkeit bemüht. [36] Das war ihm Anlaß zu einer sehr systematischen Auseinandersetzung mit der einschlägigen Literatur, angefangen bei philosophischen Werken, wo er sich sehr explizit z.B. mit Cassirer auseinandersetzte, der für ihn blind für das spezifisch Sprachliche ist, genauso wie er Front gegen die zeitgenössischen (und gegenwärtigen) Versuche zu einer psychologistischen bzw. kommunikationswissenschaftlichen Reduktion von Sprache machte, die Sprache durch das erklären wollen, was die individuellen Sprecher/Hörer in der Kommunikationssituation praktizieren.
Gerade weil für K. Sprache mehr ist als der Sprechakt, sondern das ist, was die jeweiligen Sprechakte artikuliert, setzte er sich systematisch (und insofern anders als z.B. Vossler) mit den neueren sprachwissenschaftlichen Ansätzen auseinander, nicht nur mit theoretischen Arbeiten wie denen von Bühler, sondern auch und insbesondere solchen, die deskriptiv die gesprochene Sprache analysieren. Darin liegt in gewisser Weise auch die Weiterführung seiner Neuorientierung an Auerbach in seinen frühen Arbeiten, mit denen er bei der sozialen Geltung sprachlicher Formen (oder eben auch literarischer) ansetzt, nicht mehr (wie bei Vossler) an der Analyse des Ausdrucks von Persönlichem (oder durch dieses hindurch: den Volkscharakter, der den Ausdruck der Person bestimmt). Bemerkenswert ist dabei im Kontext der DDR-Kulturpolitik, daß er sich ausdrücklich auf die formalen Ansätze der strukturalen Sprachwissenschaft bezieht, positiv so auf die damals unter den Beschuß der Partei geratene »Arbeitsstelle strukturelle Grammatik« (mit namentlicher Nennung von Manfred Bierwisch, der damals eine politische persona non grata in der DDR war!), so etwa in seinem Beitrag »Poetik und Strukturalismus«,[37] wobei allerdings zugleich auch deutlich wird, daß ihn die literarischen Spielarten des französischen Strukturalismus primär interessieren (hier vor allen Dingen die Beiträge der Tel Quel-Gruppe).
Praktisch umgesetzt hat er seine sprachwissenschaftlichen Forschungsinteressen in lexikologischen Studien, vor allem im Feld des politischen und Bildungswortschatzes. Bereits in der Marburger Zeit hatte er Veranstaltungen zur »Bedeutungslehre« abgehalten (z.T. auch gemeinsam mit Auerbach). Später machte er daraus sein großes Forschungsprogramm, das er an der Akademie institutionalisierte, mit einem Schwerpunkt bei der französischen Aufklärung. Die spätere Schwerpunktsetzung bei dem »Rationalismus«, den er, besonders in seiner französischen Entwicklung, als Mutterboden des Marxismus begriff, läßt sich am ehesten mit seiner Auseinandersetzung mit dem Marxismus verbinden. In diesem Bereich legte er eine ganze Reihe von wortgeschichtlichen Einzelstudien vor, gestützt auf eine serielle Auswertung der aufklärerischen Schriften, durchaus in der Linie einer literatursoziologischen Aufbereitung des kulturellen Materials, in dem intellektuelle Leistungen artikuliert sind. Dabei rekonstruierte er im Detail die konnotativen Felder im Wortschatz, deren Wertungen neben dem Bemühen um begriffliche Klärung für ihn den Druck zu terminologischen Neuprägungen bestimmen. Nach seiner Emeritierung ist dieser Arbeitsbereich vor allem von U. Ricken weitergeführt worden.
Eine frühe solche Studie ist »Zur Bedeutungsgeschichte von romanesque im 17. Jhd.«,[38] in der er auch sein Programm formuliert: »Die Semasiologie erweist sich bei dieser Fragestellung wie bei allen anderen als Wegbereiterin der Literaturgeschichte; im Rückgang auf die Wortbildungslehre ist sie angewiesen auf die Ergebnisse der linguistischen Forschung, die sich ihrerseits erst in der semantischen Ausrichtung geschichtlich auslegen lassen«.[39] Die Arbeit verbindet eine detaillierte Analyse der in diesem Wortfeld genutzten Wortbildungsmittel mit einer Rekonstruktion der kulturellen Osmose in den europäischen Sprachen (hier: Französisch, Englisch, Spanisch und Italienisch) mit einer seriellen Auswertung von Texten, die üblicherweise der »Trivialliteratur« zugerechnet würden.
Derartige Studien durchziehen sein Werk, z.T. auch als Lektürenotizen mit Belegen für die Wortgeschichte, wie etwa eine Glosse über »alpinisme«.[40] Kahane hat von diesen Studien insbesondere die »Über französisch enthousiasme im 18. Jahrhundert«[41] als modellhaft gewürdigt, in der K. der osmotischen Beziehung zwischen der deutschen und der französischen Literatur auf sprachlichem Terrain nachgegangen ist.[42] In einer ganzen Reihe von Aufsätzen verfolgte er die methodischen Probleme einer solchen Analyse, die eben nicht im traditionellen Sinne eine isolierte Wortgeschichte liefern soll, sondern diese systematisch im Zusammenhang des Sprachsystems rekonstruieren muß. In diesem Sinne setzte er sich kritisch mit Wortfeldanalysen (Trier u.a.) auseinander, denen er die fehlende Kontrolle der Bedeutungsanalyse am syntaktischen Kontext und damit auch an den Spuren der darin eingeschriebenen Sprachpraxis vorwarf. Wie er es dann in der späteren Zeit systematisch auch in seinen Studien zur französischen Aufklärung praktiziert hat, verlangt er, die gesellschaftliche Heterogenität in die Analyse mit einzubeziehen, die für ihn immer auch mit Mehrsprachigkeit bzw. mehrfachen Registern verbunden ist, die Äußerungen artikulieren.[43] In methodischer Hinsicht ist der Vergleich vor allem zu den Arbeiten von Schalk[44] aufschlußreich, mit dem er zeitlebens einen engen (wenn auch nicht spannungsfreien) Kontakt hatte, bei dem ein vergleichbares Bemühen um methodische Kontrolle sehr viel weniger deutlich ist.
Mit diesem Unternehmen stand K. in der historischen (philologischen) Tradition der Sprachwissenschaft, wobei aber deutlich ist, daß er mit deren Akademismus, der noch die universitäre Landschaft in Deutschland in den 50er und 60er Jahren bestimmte, wenig anfangen konnte. Das wird z.B. deutlich an der Kontroverse um eine Studie des Freiburger Romanisten Deutschmann »Zum Adverb im Romanischen«, die dieser zur Publikation bei der Akademie der Wissenschaften in Berlin eingereicht hatte. K. lehnte diese Arbeit als Materialhuberei ab, die keine theoretischen Perspektiven für die romanische Sprachwissenschaft aufzeige.[45] Dem stehen seine positiven Würdigungen für Neuerscheinungen gegenüber, etwa seine Rezension zu Harald Weinrichs »Linguistik der Lüge«[46] – obwohl er hier ein offensichtliches Unbehagen bei der formalen Argumentation gegenüber dem sich stellenden Problem einer ideologiekritischen Analyse hatte.
Als analytisches Gegenstück zu PLN veröffentlichte K. 1947 einen Essay »Die Flucht ins Argot. Betrachtungen über den Zustand unserer Sprache«.[47] Dieser Arbeit maß er große Bedeutung zu, da er sie auch später noch mehrfach überarbeitete und zur Veröffentlichung brachte. Sie ist durchaus ambivalent, bestimmt von den üblichen Topoi der Sprachkritik, die die NS-Sprache mit der Massengesellschaft in Verbindung bringt, z.B. mit der Reklame, Erscheinungen wie den Nominalstil aufspießt u. dgl. mehr. Insofern finden sich Übereinstimmungen zu den damals von Sternberger, Storz und Süskind veröffentlichten sprachkritischen Versuchen der Vergangenheitsbewältigung »Aus dem Wörterbuch des Unmenschen«,[48] mit denen K. auch in direktem schriftlichen Austausch stand. Vor seiner Übersiedlung in die SBZ hatte K. in diesem Kontext auch ein gemeinsames Zeitschriftenunternehmen mitgetragen: »Die Wandlung«.[49]
Gegenüber den dort dominanten moralisch-abstrakten Positionen der Sprachkritik versuchte er einen systematischen analytischen Ausgangspunkt zu finden: »Eine Sprache hat immer mehr Witz und Geist als ihre einzelnen Sprecher«.[50] Insofern spürte er den gesellschaftlichen Mechanismen nach, die sich in dem von ihm diagnostizierten Vordringen (und Festsetzen) der Landsersprache in der Umgangssprache zeigen (auf die Landsersprache zielt der Terminus Argot im Essay [1947]). Dabei ist K. Sprachwissenschaftler genug, um zugleich auch zu betonen, daß es sich hier um Fragen des Wortschatzes, also nur eines Teilbereiches dessen handelt, was mit Sprache gefaßt werden muß. Auch wenn die sprachkritischen Obertöne mit dem beschworenen Verlust der Intellektualität die Analyse bestimmen, so liegt für ihn in diesem Jargon zunächst einmal eine Verweigerung gegenüber den Inszenierungsformen des Nationalsozialismus. Er bestimmt die Strukturen der so identifizierten Elemente (in einer vergleichenden Analyse derartiger Erscheinungen im Deutschen mit dem Französischen, Spanischen und Englischen) als Verweigerung gegenüber der Inszenierung von Heldischem und von Feiertäglichem, die er als spezifisch nationalsozialistisch identifiziert. Gleichzeitig macht er deutlich, daß die Frage von Widerstand an die Infragestellung der Herrschaftsverhältnisse gebunden ist – und insofern diagnostiziert er in diesen Sprachformen den Fatalismus der Landser. So aufschlußreich diese Arbeit auch ist, so bleibt sie doch unausgegoren in einer Mischung von Detailbeobachtungen und Aphorismen.
Allerdings verfolgte K. neben solchen essayistischen Arbeiten ein systematisches Vorhaben zu einer Sprachtheorie, die er auf marxistischer Grundlage ausarbeiten wollte (hier also eine Parallele zu Korsch). Publiziert hat er in diesem Umfeld allerdings nur von politischen Opportunitätserwägungen geprägte Beiträge zur Debatte um Stalins Sprachwissenschaftsbriefe 1950. Allerdings hatte er seit 1959 mehrfach den Versuch gemacht, die jetzt aus dem Nachlaß zugänglichen theoretischeren Schriften für den Druck vorzubereiten.[51] Dabei war K. zu sehr an der romanischen Sprachwissenschaft geschult, um den Stalinschen Schematismus zu übernehmen. Er folgte dessen Argumentation (und würdigte sie), soweit es darum ging, die seinerzeit dogmatisch festgeschriebene Koppelung zu überwinden, die alle sprachlichen Erscheinungen letzlich an die Produktionsweise band.[52] Aber K. zeigte sich als Sprachwissenschaftler, wenn er zwischen zwei Artikulationsebenen der Sprache unterschied. Die zweite Artikulation, also die Veränderungen der Lautstruktur, die Ausgleichsprozesse u. dgl., verlaufen in Entwicklungen der langen Dauer hinter dem Rücken der Subjekte; sie sind auch jeweils nur im Zusammenhang der gesamten Architektur des Sprachsystems zu analysieren. Anders ist es bei der ersten Artikulation, also in den sprachlichen Bereichen, in denen sich die gesellschaftlichen Entwicklungen unmittelbar sedimentieren, wo also durchaus auch sprunghafte Entwicklungen möglich sind, wie sich insbesondere im Lexikon in Verbindung mit entsprechenden Entwicklungen der Begriffsbildung zeigt. Derartige Überlegungen zu den Verhältnissen in der Sprache finden sich schon früh in »Die Stellung des Spanischen unter den romanischen Sprachen«.[53] Er nahm sie später wieder auf in seiner Kritik an Stalin, z.B. in einem Vortrag, den er auf einer Kuba-Reise 1963 gehalten hat: »El desarrollo del castellano en España y del español en América«.[54]
In gewisser Weise bestimmten diese Überlegungen schon seine Beiträge in der Zeit seiner Tätigkeit bei der Dolmetscherkompanie. Er wandte sich dort gegen eine homogenisierende Vorstellung von einer bestimmten Sprache, die holistisch mit anderen zu kontrastieren ist, und insistierte auf der Vielfalt von Sprachvarianten, in denen die einzelne Äußerung artikuliert ist (»Stilsprachen«) – wobei er diese methodischen Überlegungen dort allerdings im affirmativen Duktus des Lobs der militaristischen Führungsstrukturen im faschistischen Spanischen vortrug (mit einer Reproduktion ethnischer Stereotypen), etwa in »Spanien – wehrhaft. Ein Lesebuch für Sprachmittler«[55] und noch deutlicher in dem oben erwähnten Aufsatz »Falange Española und das spanische Geschichtsbild« (1941).
Die Schriften im Nachlaß sind frei von diesem diskursiv versetzten Spiel mit problematischen Formulierungen. Hier wird denn auch deutlich, wie ernsthaft sich K. mit dem Programm einer marxistischen Analyse auseinandersetzte.[56] Wichtigster Gewährsmann ist für ihn dabei Friedrich Engels. Zu den von ihm behandelten Fragen gehört z.B. die der Sprachverschiedenheit, die er gegen den platt-marristischen Standpunkt von der Klassengebundenheit der Sprache entwickelt, deren Problem eben ist, daß die Auseinandersetzung mit Bewußtseinsformen unter sprachlichen Bedingungen erfolgt, die in jeder Sprache verschieden – und insofern aber eben dann auch klassenübergreifend einheitlich – zu fassen sind, was ihn gegen Cassirersche Allgemeinheiten polemisieren läßt (WW8: 210 – alle Seitenverweise im Folgenden auf diesen Band). In den entsprechenden z.T. reichlich konfusen Diskussionen sieht er das Problem der vielfachen Bedeutung des vortheoretischen Terminus Sprache, weshalb er ausgehend von Saussure, den er gegen Marr ins Feld führt, für eine Differenzierung der Terminologie plädiert (WW 8: 208-209). Ein anderes Problem ist der Sprachwandel, der für ihn nur in der individuellen Praxis zu fassen ist, in der sich die gesellschaftlichen Beziehungen reproduzieren, in der sich insofern aber eben auch die Sprache reproduziert, wobei er als Beispiele recht spezifische sprachwissenschaftliche Probleme anführt (zur Tempus-/Aspektproblematik S. 213ff., S. 225; zu Akzentsystemen S. 227 u.a.). Auch wenn er seine Argumente wohl überwiegend aus zweiter Hand bezieht, so sind die Quellen doch eben nicht das Feuilleton, sondern die einschlägige Fachdiskussion (bei Fragen der französischen Syntax und ihrer Entwicklung vermutlich wohl vor allem Lerch, z.B. S. 219). Er tritt dafür ein, daß eine Analyse konkret an der diskursiven Sprachpraxis ansetzen muß, z.B. auch Elemente wie Diskurspartikel zu analysieren hat und nicht nur das, was im Horizont der Schulgrammatik als Sprachprobleme vorgegeben ist.[57]
Vor diesem Hintergrund lieferte er eine sarkastische Kritik an formalen Positionen in der Sprachwissenschaft, die sich allerdings erheblich von dem unterscheidet, was damals als Formalismuskritik in der DDR offiziell vorgebracht wurde und den strukturalen Sprachwissenschaftlern dort zu schaffen machte. Das Problem liegt für ihn in der Fiktion der Hintergehbarkeit der Umgangssprache durch die Konstruktion einer Metasprache (das Problem war ihm ja aus seinen Aufklärungsstudien von Leibniz her vertraut), nicht aber bei der für analytische Zwecke unvermeidlichen formalen Modellierung von Zusammenhängen. Ironisch macht er das Problem deutlich an den blinden Flecken der Analyse, die durch die kontextfrei produzierten Grammatikersätze nach dem Modell von Beispielssätzen der Logik entstehen (S. 224-225). Andererseits wandte er sich auch, und hier nicht zuletzt in kritischer Auseinandersetzung mit seinen eigenen früher vertretenen Positionen, gegen die Tradition der Vossler-Schule, die Sprache als Ausdruck verstand und so von gesellschaftlich-kommunikativen Strukturen abstrahierte, und erst recht gegen Positionen, die mystisch mit Sprachmagie argumentierten. In diesem Kontext entwickelte er ansatzweise Überlegungen in der marxistischen Tradition unter dem Stichwort des Werkzeugcharakters der Sprache. Zwar setzt er sich immer wieder mit den neueren strukturalen Entwicklungen der Sprachwissenschaft auseinander, die ja auch in der DDR in dieser Zeit prominente Vertreter hatte, aber er bleibt bei einer essayistisch-aphoristischen Form seiner Überlegungen.[58]
Gerade weil er sich so intensiv mit der strukturalen Sprachwissenschaft (nicht zuletzt jener an der Ostberliner Akademie) auseinandersetzte, ist zu vermuten, daß hinter der nicht abgeschlossenen Ausarbeitung vielleicht auch die Einsicht stand, daß er nicht auf der Höhe der professionellen Sprachwissenschaftsdebatte argumentierte, so daß er mit seiner essayistisch-aphoristischen Form wohl auch den Anschein vermeiden wollte, mit dieser zu konkurrieren. Zu diesem ironischen Verhältnis zu seiner Arbeit gehört wohl auch, daß er bei sprachvergleichenden Ausführungen mit Vorliebe neben dem Spanischen Beispiele aus dem Schwäbischen beibrachte. Dennoch sind seine Versuche aufschlußreich, die semiotische Grundüberlegung (die er von Saussure her nimmt), daß das sprachliche Zeichen in seinem Feld analysiert werden muß, mit der Marxschen Arbeitsweltlehre zu vermitteln. Es ist anzunehmen, daß K. auch hier wieder mit der sprachlichen Form seiner Darstellung ironisch spielte. Jedenfalls ist deutlich, daß K. mit seinen Überlegungen in dem Feld agierte, in dem sich die professionelle Weiterentwicklung der Sprachwissenschaft stellte und stellt, so daß er keineswegs bruchlos der Literaturwissenschaft subsumiert werden kann, wie es in der Literatur zu ihm in der Regel geschieht.
Zu seinen letzten Arbeiten gehört ein weiterer verschlüsselter Text mit Entsprechungen zu PLN: »Die nabellose Welt«,[59] mit dem er seine Erfahrungen mit dem Sozialismus verarbeitete (Auslöser war offensichtlich seine Kuba-Reise; der Text wurde von ihm 1963 bis 1967 niedergeschrieben). Vorgeführt wird ein chaotischer Weltzustand, aus der Sicht von Besuchern von einem anderen Stern, die die Menschen mit ihren »revolutionären« Ritualen und einem fließenden Übergang von Menschen in Roboter für hoffnungslos halten. Auch hier spielen wieder sprachanalytische Elemente eine zentrale Rolle, indem er sprachwissenschaftliche Argumentationsfiguren absurd in den Text einmontiert: er läßt ein Gespräch gewissermaßen invers zu gesprächsanalytischen Annahmen verlaufen (S. 30-32), operiert bei der Beschreibung mit Versatzstücken wie »sogenannte Kindersprache«, »ihr passiver Wortschatz« (53-54), u. dgl.
Q: V; DBE 2005; P. Jehle/P.-V. Springborn (Hgg.), »W. K.: Ein Romanist im Widerstand. Briefe an die Familie und andere Dokumente«, Berlin: Weidler 2004. Einleitung und Kommentarteile in der Werkausgabe Bd. 1, Berlin: Akademie Verlag 1984ff., zuletzt veröffentlicht Bd. 8, dort S. 478-567 das Schriftenverzeichnis; P. Jehle (Hg.), »W. K.: Briefe von 1922 bis 1976«, Frankfurt/M.: Kohlhammer 2002. P. Jehle, »W. K. und die Romanistik im NS-Staat«, Hamburg: Argument 1996; Christmann/Hausmann 1989 (dort insbes. Personaldaten/Biographien von Strobach-Brillinger, S. 292-296 und die Aufsätze über W. K. von J. Schlobach, S. 115-144 und M. Naumann, S. 145-155); Auerbach; Höhne 1970. S. auch Klemperers »DDR-Tagebücher« 1945-1959; Hausmann 2000, bes. S. 129ff. Nachrufe und Würdigungen: F. Schalk, in: Romanische Forschungen 88/1976: 376-377; K. Schnelle, in: Beiträge Romanische Philologie 19/1980: 213-227; M. Naumann, in: Beiträge Romanische Philologie 15/1976: 189-190; W. Bahner u.a., in: Jahrbuch Sächsische AdW. Jg. 1975/1976 (1979): 290-315 (mit Bibliographie); M. Nerlich (Hg.), Sonderheft zu W. K.: lendemains 18 (H. 69-70)/1983; M. Nerlich, in: Frankfurter Rundschau vom 7.6.2000; Hinweise von W. Klein, Osnabrück.
[1] In einer späteren autobiographischen Notiz nennt er neben Studieninteressen als Grund, unter dem Eindruck der damaligen Wirtschaftskrise in Spanien seinen »Lebensunterhalt selbst zu verdienen« (s. in der Tagebuch-Edition 1995: 62, s. FN 9). Er lebte dort von Übersetzungsarbeiten und Privatunterricht.
[2] Friedrich Schürr, 1888-1980, Romanist. Habilitation 1920 in Freiburg. Professuren in Freiburg (1925), Graz (1926), Marburg (1936), Köln (1940). Seit 1941 parallel in Straßburg tätig.
[3] S. dazu K. Schnelle, »W. K. zum 80sten Geburtstag«, in: B. rom. Ph. 19/1980: 213-227, hier 224.
[4] S. das Verzeichnis seiner Lehrveranstaltungen in: WW 8 (WW = Werkausgabe 1984ff., Q).
[5] Eine Ausnahme macht verständlicherweise Schalk, s.u.
[6] Gerda Haßler, »Begriffsgeschichte und Wortgeschichte«, in: O. Ette u.a. (Hgg.), »W. K. – Wege, Werke, Wirkungen«, Berlin: Spitz 1999: 241-256.
[7] Stuttgart: Kohlhammer 1929.
[8] Auf das literaturwissenschaftliche Werk, das bei K. den relativ größten Umfang hat, gehe ich im folgenden nicht ausführlich ein, s. dazu mit dem Versuch, diese Arbeiten in einen biographischen ebenso wie gesellschaftlichen Kontext zu stellen, P. Jehle, »W. K. und die Romanistik im NS-Staat«, Hamburg: Argument 1996.
[9] S. (hg. von M. Naumann) »W. K. Vor gefallenem Vorhang. Aufzeichnungen eines Kronzeugen des Jahrhunderts«, Frankfurt: Fischer 1995. Die den Spanienaufenthalt betreffenden Notizen waren schon vorher veröffentlicht worden: »W. K. Tagebuch-Fragmente«, in: Sinn und Form 35/1983: 917-945. Dort stellt er sich selber relativ unpolitisch dar, in einer gewissen Bohème-Attitüde, die existentielle Grenzerfahrung sucht. In diesem Sinne bemühte er sich um spanische Intellektuelle.
[10] So vor allem die allerdings erst später einsetzenden Briefe an seinen Schüler B. M. Hellweg (1939-1945), die M. Nerlich in lendemains 69-70/1993: 91-135 herausgegeben hat.
[11] S. das Gutachten des NS-Dozentenbund zur Wiederbesetzung des romanistischen Lehrstuhls in Berlin v. 17.6.1942; Akten des Amtes Rosenberg im IfZ, München Sign. Ma 612.
[12] Z.B. »Falange Española und das spanische Geschichtsbild«, in: Geist der Zeit 19/1941: 493-505 (der Publikationsort firmierte als »Organ des Deutschen Akademischen Austauschdienstes«). Nachdruck in WW 4.
[14] S. dazu F.-R. Hausmann in dem Band von Ette u.a. (1999: 11-40) und ausführlich jetzt in ders. 2000, passim. Zu seiner Selbsteinschätzung des Falange-Artikels (s. Anm. 12), dort S. 131.
[15] Siehe seinen Brief an M. Franzbach in: WW 8: 382.
[16] a.a.O., S. 126-127. Auch seine damaligen spanischen Freunde kritisierten die politische Ausrichtung dieser Arbeiten, s. seine eigenen Hinweise in: Jehle/Springborn (Q): 75.
[17] S. »Marburg unter dem Naziregime«, in: Sinn und Form 35/1983: 941-945. Ein aufschlußreiches Indiz ist sein freundschaftliches Verhältnis zu E. Glässer, das auf ihre gemeinsame Arbeit in Berlin zurückgeht, das er wohl auch noch nach 1945 aufrechterhielt, s. Jehle (1996, Q) und die Briefe in Jehle 2002, Q). K. schrieb an G. einen Abschiedsbrief unmittelbar vor der erwarteten Hinrichtung und setzte ihn in seinem Testament ein (s. Jehle 1996: 134); er verwendete sich fachlich für ihn - zum Mißfallen von Fachkollegen wie Schalk und auch Rohlfs. Der Kontakt nach 1945 blieb jedenfalls bestehen, bis K. nach Leipzig ging (pers. Hinweis von P. Jehle).
[18] S. dazu Höhne 1970, bes. 157-158, 218.
[19] Höhne 1970: 229.
[20] S. dazu die Dokumente und eigenen Darstellungen von K. in Jehle/Springborn (Q).
[21] Frankfurt: Klostermann, ²1983.
[22] Parallel dazu sind seine autobiographischen Aufzeichnungen zu lesen: »Bericht aus der Todeszelle«, in: lendemains 69-70/1993: 157-163. S. dazu jetzt die ausführliche Analyse von E. Fillmann »Realsatire und Lebensbewältigung«, Frankfurt/M. usw.: Peter Lang 1996, die die Quellen und Grundlagen von PLN ausführlich aufbereitet.
[23] Siehe auch bei Klemperer zu dessen Besprechung von »PLN«. Damit ist der Versuch von F. W. Müller zu vergleichen, diesen Roman in der unmittelbaren Nachkriegssituation zu würdigen, der darin als Grundthema das sieht, was auch Klemperers Tagebücher durchzieht, das Problem des »Verrats der Intellektuellen«, s. »Geheimnis von PLN«, in: Internationale Rundschau Jg. 1947: 311-316.
[24] S. WW 8: 482.
[25] S. die von Eifersucht geprägten fortlaufenden Eintragungen in Klemperers Tagebuch aus der DDR-Zeit. Zum Verhältnis zu Klemperer und generell zu K.s wissenschaftspolitischer Rolle in der DDR-Romanistik, s. jetzt Seidel 2005.
[26] Deutlich vor allem in den literaturwissenschaftlichen Aufsätzen, die er in der DDR veröffentlichte, s. M. Naumann (Hg.), »W. K. – Literaturtheorie, Philosophie und Kritik«, Berlin (DDR): Aufbau 1984.
[27] S. WW 8: 483-484. Zu den Konflikten in der SBZ/DDR, s. Naumann, »Ein aufgeklärter Gelehrter in Deutschland: W. K.«, in: lendemains 69-70/1993: 211-224.
[28] S. seine Beiträge zur Diskussion um Stalins »Sprachwissenschafts-Briefe« (1950), in: WW 8: 181-206.
[29] In seinem Tagebuch notierte er 1964: »Der Sozialismus bleibt einzige Lösung, trotz seiner Diskreditierung durch eine Praxis, die manche Ansprüche erfüllt, aber den Anspruch, der der Mensch ist, geflissentlich überhört und verleugnet« (a.a.O., S. 177).
[30] Postum erschienen in Tübingen: Schulze-Seitz 1984. Zitat daraus: »spricht [der Mensch] denn überhaupt jemals seine Sprache?« (S. 24). H. R. Jauss hat in seinem Vorwort zur Tagebuchveröffentlichung auf K.s Spiel mit sprachlichen Registern hingewiesen, die dort tatsächlich bis hin zu metrisch gebundenen Formen gehen.
[31] Detailliert zu diesen institutionellen Konflikten und dem vorübergehenden Wechsel von Leipzig nach Berlin, W. Naumann, »W. K. 1947 in Leipzig. Eine Zeugenaussage«, in: Fürbeth u.a. (Hgg.) 1999: 727-734.
[32] S. H. U. Gumbrecht, in: Frankfurter Allgemeine vom 16.6.1999.
[33] Seine 1947 veröffentlichte Monographie zu Gracián hatte er in der Haft geschrieben.
[34] S. sein Werkverzeichnis in: WW 8.
[35] So in seinem einflußreichen Band »Grundprobleme der Literaturwissenschaft«, zuerst Reinbek 1968 (in rowohlts deutscher enzyklopädie), nachgedruckt in Naumann 1984: 139-272; s. dort bes. S. 167.
[36] S. etwa »Symbol und Allegorie«, in: B. rom. Ph. 15/1976: 191-197.
[37] In: Sprache im technischen Zeitalter 36/1970, wieder abgedruckt in WW 1: 273-294.
[38] 1937, wieder abgedruckt in WW 8: 5-29.
[39] ebd. S. 5.
[40] 1975, aus dem Nachlaß publiziert in WW 8: 361-362.
[41] 1970, in: WW 8: 336-360.
[42] H. u. R. Kahane, »Humanistic Linguistics«, in: J. Aesthetic Education 17/1983: 65-89, bes. S. 79.
[43] Veröffentlicht sind solche frühen methodische Überlegungen in seinen »Gesammelten Aufsätzen zur Literatur und Sprachwissenschaft«, Frankfurt: Klostermann 1949; einige weitere in der unmittelbaren Nachkriegszeit erschienenen Arbeiten finden sich wieder abgedruckt in: »Die Innenseite der Weltgeschichte. Ausgewählte Essays über Sprache und Literatur«, Leipzig: Reclam 1983. In der Werkausgabe sind von diesen Aufsätzen jetzt z.T. sehr viel ausführlichere Manuskriptfassungen zugänglich.
[44] Zu Fritz Schalk (1902-1980) war bei der Planung des Katalogs ein Artikel vorgesehen gewesen. [F. S.,1902-1980, Romanist. Studium mit sprachwissenschaftlicher Ausrichtung in Wien; später noch Stilanalyse und Wortgeschichte als Arbeitsfelder neben seinem literaturwissenschaftlichen Schwerpunkt. Seit 1936 Professur and der Unviersität Köln.].
[45] S. sein Gutachten in WW 8: 251-252 und 428-430.
[46] 1967, in WW 8: 309-311.
[47] Zuerst in: Die Gegenwart II (Heft Nr. 28/29), 1947 in WW 8: 114-142.
[48] Als Sammelband mehrfach wieder aufgelegt, Hamburg: Claassen, 3. Aufl. 1968.
[49] Im Titel werden als Herausgeber aufgeführt: D. Sternberger unter Mitwirkung von K. Jaspers, W. K. und A. Weber. W. K. wurde dort von Band 1/1945 bis Band 3/1948 als Mitherausgeber ausgewiesen, s. auch bei Spitzer zu dessen Beitrag dort.
[50] WW 8: 129.
[51] WW 8: 207-250.
[52] Festgemacht an der Position des in der Stalinzeit bis 1950 maßgeblichen sowjetischen Sprachwissenschaftlers Marr, gegen die sich die Stalin-Briefe richteten, s. auch bei Steinitz.
[53] 1940/1941, in: WW 8: 40-46.
[54] In: WW 8: 267-272.
[55] 1942, WW 8: 62-82 [Auszüge].
[56] In: »Der Fälscher« nimmt er z.T. seine »Diamat«-Kritiker mit ihren katechismusartigen Formulierungen auf die Schippe, wenn er z.B. in einem der irrwitzigen Dialoge Formulierungen vorkommen läßt, die ihm in diesem Zusammenhang vorgehalten worden sind, wie z.B. »die Entwicklung verläuft nicht in Sprüngen« (S. 12).
[57] Diesen Partikeln widmete er im übrigen auch den »Vorspruch« zu seinem nachgelassenen Werkchen »Der Fälscher«, s. dort S. 1-3.
[58] R. Ružika hat den bemerkenswerten Versuch unternommen, W. K.s Aphorismen in den formaleren Sprachgebrauch der Linguisten (z.B. von Chomsky) zu übersetzen: »Linguistik zwischen Analogie und Anomalie. W. K. zum Gedenken«, Linguistische Arbeitsberichte [Leipzig] 24/1979: 98-113.
[59] Berlin: Basisdruck 2001.