Lehmann-Pietrkowski (Piotrkowski), Anna
Geb. 20.6.1884 in Jarotschin (bei Posen, heute Jarocin), ermordet im Mai 1942 im Vernichtungslager Kulmhof (Chelmno)
Ihr Abitur machte P. 1908 extern auf dem Gymnasium in Bromberg (heute Bydgoszcz). Studium der Germanistik, Anglistik und Romanistik in Marburg, München, Paris und Greifswald. Promotion 1913 in Greifswald. In ihrer Dissertation »Bemerkungen zur Syntax Maupassants«[1] stellte sie recht kursorisch syntaktische Auffälligkeiten bei Maupassant dar, wobei sie das traditionelle Muster der Syntaxdarstellung zugrundelegte, das von der Formenlehre, nach Wortarten differenziert, zur syntaktischen Verwendung der Formen fortschreitet; hinzu kommen noch einige Bemerkungen zu Satzbauformen (zur Wortstellung). Recht simpel korrelierte sie nominale Formen mit dem Subjekt, so wie sie verbale Formen mit dem Prädikat verknüpfte. Das begriffliche Raster für ihre Darstellung nahm sie von Tobler, beeinflußt von Lerch, den sie auch prominent zitierte.
Lerch kannte sie aus der Zeit ihres Münchener Studiums bei Vossler. Mit ihm war sie lebenslang liiert. Nach der Promotion verfolgte sie die wissenschaftliche Laufbahn nicht mehr weiter. Sie heiratete den Philosophen Günther Lehmann (ob sie tatsächlich den Doppelnamen geführt hat, ist unklar). Nach dessen Tod (1924) lebte sie zunächst in der Familie ihrer Schwester in Chemnitz, später lebte sie mit Lerch mehr oder weniger offiziell zusammen, abhängig von dessen Eheverhältnissen.[2] Zuletzt war sie in Münster offiziell dessen Privatsekretärin, was 1935 Anlaß zu Lerchs Dienstentlassung war.[3] Als Jüdin wurde sie rassistisch verfolgt: 1941 wurde sie in das Ghetto Litzmannstadt (Łódź) deportiert, von dort am 6.5.1942 in das Vernichtungslager Kulmhof (Chelmno) verbracht, wo sie umgebracht wurde
Q: V; W. Nowojski in den Erläuterungen zu Klemperers Tagebüchern, bes. »Weimar« Bd. 6: 335; korrigiert nach den Angaben von Christian Löser, der bei der Neubearbeitung dieser Tagebücher mitwirkt (brieflich am 22.6. und 23.6.2015); Hausmann (2008: 234,Fn). In den vorausgehenden Fassungen des Katalogs hatte ich die irrtümliche Namenform "Lahmann" von Nowojski übernommen.
[1] Berlin: Ebering 1913.
[2] Von daher hatte sie auch Kontakt zu Klemperer, der sie entsprechend in seinen Tagebüchern erwähnt. Sie versuchte offensichtlich wiederholt zwischen Klemperer und Lerch zu vermitteln.
[3] Zu diesem Verfahren und dem Vorwurf des »Verkehrs mit einer jüdischen Sekretärin«, s. Heiber I: 239-240.