Richter, Elise
Geb. 2.3.1865 in Wien, gest. 21.6.1943 im Konzentrationslager Theresienstadt.
In der Biographie von R. spiegeln sich die verschiedenen Konstellationen dieses Katalogs: rassistische Verfolgung, politisch und sexistisch aufgeladene Konflikte und die disziplinäre Dynamik. Daher ist eine ausführlichere Darstellung angebracht.
1897 legte R. ein externes Abitur ab (bei einer Kommission, die gegen das Frauenstudium war) und begann mit zwei Kommilitoninnen als eine der ersten Frauen das Studium an der Universität Wien. Die Ambivalenzen der Situation als Frau in der Alma Mater bestimmten ihr Leben. Von einigen Professoren als wissenschaftliche Begabung gefördert (die in dieser Hinsicht rücksichtslose Orientierung an der Leistung rühmt sie in ihren schönen ausführlichen Nachrufen der für sie wichtigen sprachwissenschaftlich orientierten Romanisten Meyer-Lübke, Mussafia und Schuchardt), schaffte sie für andere Verunsicherungen, die sie ihr gegenüber ausagierten: so bei der Promotion 1901 (Dissertation: »Zur Entwicklung der romanischen Wortstellung aus der lateinischen«, gedruckt 1903), vor allem aber bei der Habilitation (Habilitationsschrift: »(Lateinisch) AB im Romanischen« – wie damals üblich vor dem Verfahren 1904 gedruckt), deren förmlicher Abschluß zweieinhalb Jahre brauchte.[1] Die Vorstellung einer Emigration in die USA tauchte bei ihr so zwangsläufig schon früh auf.[2] 1921 (also zwei Jahre vor A. Lasch) wurde sie zur ersten deutschen (a.o.) Professorin ernannt, allerdings erst 1927 auch besoldet.
Ihr Leben war bestimmt durch den Kampf gegen die Diskriminierung an zwei Fronten: Antisemitismus und Frauendiskriminierung. Sie stammte aus einer jüdischen Familie, war aber 1897 (als sie sich mit dem Abitur für die Wissenschaft entschied) aus der jüdischen Gemeinde ausgetreten; 1911 hatte sie sich protestantisch (im katholischen Österreich!) taufen lassen. Ebenso wenig wie das Judentum, das ihr zugeschrieben wurde, akzeptierte sie die biologische Festlegung als Frau für die Teilnahme an der Wissenschaft: in ihrer Selbststilisierung (insgesamt liegen von ihr drei Autobiographien vor!) konkurrierte sie erfolgreich mit den männlichen Idealen methodischer Rigidität und umfassender Stoffbeherrschung – nur insofern verstand sie sich als Vorkämpferin der »Frauenbewegung«. Trat sie hier kämpferisch auf (s.u.), so machte sie der Antisemitismus hilflos; konkrete Angebote zur Auswanderung nach England schlug sie noch aus, nachdem sie 1938 auf eine entwürdigende, ihre Arbeit extrem behindernde Situation reduziert war (»Summe«, Q: S. 242ff.). Wie ihre verehrten Vorbilder Meyer-Lübke und Schuchardt war sie entschiedene Sprachwissenschaftlerin, die als (vorwiegend Alt-)Romanistin zwar die Darstellung und Erschließung philologischer Materialien als notwendige Basis der Arbeit betrachtete, ihre Leistung aber in deren theoretischer Durchdringung sah: in der Darstellung theoretisch-methodischer Zusammenhänge griff sie nicht nur zu einer Fülle vergleichender Materialien (nicht nur aller romanischer Sprachen, auch aus den ihr vertrauten germanischen), sie konnte sich i. S. einer systematischen Exposition auch schon einmal fast ganz auf deutsche Beispiele beschränken, wie in ihren »Grundlinien der Wortstellungslehre« (1919-1920, KlSch [Q]: S. 27-74).
Sie reklamierte für sich eine Sprachforschung, der »keine sprachliche Äußerung entgehen durfte« (»Summe«, Q: S. 157) – und stand damit durchaus auch im Horizont der zeitgenössischen unmittelbaren Sprachanalyse, wenn sie »diskursanalytisch« aktuelle Fragestellungen der Öffentlichkeit aufgriff, s.u. zur Fremdwortdiskussion. Sprachwissenschaft hatte für sie einen umfassenden Sinn: Basis war die Phonetik (die sie instrumentell betrieb – sicherlich ein gezielter emanzipatorischer Akt einer Frau, in der gesuchten naturwissenschaftlichen Orientierung, erleichtert vielleicht durch einen Vater, der als Arzt praktizierte), und insofern war für sie (wie für die späteren deskriptiven Strukturalisten) die gesprochene Sprache methodisch primär, die die analytischen Muster gerade auch zur sprachlichen Rekonstruktion liefern mußte. Die Schriftsprache kommt bei ihr nur indirekt in den Blick: als indirekte Ausdrucksform der grundsätzlich gesprochenen Sprache wie in ihrem als »Einführung in die Sprachwissenschaft« avisierten Bändchen »Wie wir sprechen«.[3] Dann vor allem als (in der Regel verzerrte) Form der historischen Belege (s. ihre von Woodbridge kommentierte Bibliographie, Q). Ihre syntaktische Theorie gründete sie auf sorgfältige experimentelle Studien, vor allem auch im Bereich von Akzent und Intonation, indem sie den Satzbau aus den dialogischen Bedingungen der Gesprächssituation zu begreifen sucht.
Gegenüber der positivistischen Faktenanhäufung der Junggrammatiker hat sie die Grenzen des sprachwissenschaftlichen Gegenstandsbereiches weit gezogen: wie auch bei anderen ihrer Generation[4] bildet die Analyse stilistischer Erscheinungen den Grenzwert syntaktischer Analysen und gehört insofern dazu; von da aus konnte sie dann auch Exkurse in literarische Bereiche unternehmen (wie etwa in ihrem einflußreich gewordenen Aufsatz »Impressionismus, Expressionismus und Grammatik«).[5] Damit konnte sie sich in Übereinstimmung mit den frühen strukturalistischen Theoriereflexionen sehen. Wenn sie schon früh de Saussures Vorlesungen rezipierte, so i. S. von dessen Schüler und Herausgeber Bally: die synchrone Beschreibung der Sprachstruktur als ein analytisch erforderliches Artefakt, das bei der Analyse der Sprachpraxis in Hinblick auf seine praktische Motiviertheit weiter zu bestimmen ist. In diesem Sinne war sie gerade mit Überlegungen zur situativen Sprachpraxis äußerst kritisch gegenüber sprachwissenschaftlichen Hypostasierungen (etwa in »Über Homonymie«[6] oder in »Unterbewußte Vorgänge im Sprachleben«;[7] signifikant ist hier auch der Ort der Publikation, die Bally-Festschrift).
Von Anfang an sind ihre Arbeiten durch ungemeine Akribie und umfassende Stoffsammlungen bestimmt, die ihre (männlichen) Konkurrenten ausstachen – aber auch durch selbstbewußte theoretisch orientierte Bemühungen, dem Material Erklärungen abzugewinnen. Mit ihren Qualifikationsarbeiten hatte sie sich zwei Forschungsfelder erschlossen, in denen sie ihr Leben lang weiter arbeitete:
- lautstrukturelle Verhältnisse, gewissermaßen als der physiologisch bestimmte Gegenpart der Sprachpraxis,
- syntaktische Strukturen als relativ bewußtseinsnahe Formen der sprachlichen Artikulation, im Übergang zur Stilanalyse.
R. verstand sich als Sprachwissenschaftlerin, die eben nicht Sprache in eine Anzahl von modularen Komponenten auflöst: die Analyse von Speziellem muß für sie ein Gegenstück in der integrierenden Erklärung finden, wie auf diese Weise die Sprachpraxis artikuliert wird. So analysierte sie schon in ihrer Dissertation Wortstellungsregularitäten als prosodisch fundiert. Wie es auch bei neueren Arbeiten zur Informationsstruktur angesetzt wird, sind für sie grammatikalisierte Strukturen nur Filter, die Optionen lassen, die semantisch-pragmatisch genutzt werden können. Dabei ist für sie die Entwicklung der romanischen Sprachen bestimmt durch eine regional (sozial!) gefilterte Auswahl bzw. Verstärkung von Funktionen, die sich schon im Lateinischen finden lassen – auch hier ist sie bemerkenswert modern gegenüber den zeitgenössischen schematisch postulierten Sprachstufen.[8]
Für sie liegt fest, daß die Wortstellungsabfolge dem unterliegt, was später als funktionale Satzperspektive bezeichnet wurde: der Thema-Rhema (bei ihr: psychologisches Prädikat)-Gliederung. Daß das Subjekt zuerst steht, also das Thema ist, ist für sie nur der Defaultfall, der informationsstrukturell überschrieben werden kann (S. 47ff.). Das Thema ist diskursiv definiert: im Defaultfall anaphorisch und dann ggf. ohne formale Repräsentation (S. 51 – als Null-Anapher würden wir heute sagen), im Lateinischen wie in den meisten romanischen Sprachen: die romanischen Sonderfälle mit SVO (wie z.B. im Französischen) müssen gesondert erklärt werden (s. ihre sprachgeographische Zusammenstellung, S. 51-52). Diese Argumentationslinie hat sie in einer Fülle von Arbeiten weiterentwickelt.
1927 schrieb sie: »Meine Hauptarbeit – die Erfassung aller sprachlichen Entwicklung aus dem Seelisch-Rhythmischen und die Beweisführung durch die Geschichten der Romanismen im Lateinischen vom IV. Jahrhundert v. Chr. bis zum X. Jahrhundert nach Chr. – ist noch lange nicht geschrieben«.[9] Von dieser Zielsetzung her sind ihre Einzeluntersuchungen angelegt: indem psychologische Theorie und Beobachtung die gewissermaßen gattungsgeschichtliche Basis der individuellen Sprachpraxis liefern, kann sie die »Ausgliederung« der Einzelsprachen als jeweils kulturspezifisch verschiedene Widerstände fassen, den psychischen Trägheitsfaktoren gegenüber der Reproduktion der tradierten sprachlichen Strukturen in der Sprachpraxis nachzugeben (so etwa explizit in »Der innere Zusammenhang in der Entwicklung der romanischen Sprachen«).[10] Das Fehlen einer solchen theoretischen Perspektive verhindert ihrer Meinung nach sogar bei ihrem verehrten Lehrer Meyer-Lübke eine wirklich »entwicklungsgeschichtliche« Analyse, die letztlich das Ziel sprachwissenschaftlicher Arbeit sein soll[11] – während sie ihm eine quasi strukturale Aufbereitung der Fakten als selbstverständlich attestiert.[12]
Die Grundideen ihrer Analyse finden sich schon in ihrer Erstlingsarbeit vor der Promotion »Zur Syntax des rumänischen Possessiv-Pronomens 3. Person«:[13] Ausgangspunkt der Analyse ist das Inventar der verfügbaren Ausdrucksmittel, die wie in diesem Fall auch in Hinblick auf prosodische Beschränkungen (Klitisierungen u. dgl.) zu bestimmen sind. Diese sind für ihre funktionale Nutzung zu analysieren, faßbar als Semantisierung der Kontraste (in diesem Fall verschiedene Ausdrucksformen für veräußerlichen gegenüber unveräußerlichem Besitz) – in einer Spannung zur Grammatikalisierung, die analogisch Formdifferenzen ausgleicht und so die lexikalische Anwendbarkeit maximiert. Dabei ist der morphologische Prozeß (mit der Agglutination/Inkorporation von Bildungen) in seiner Spannung zu syntaktischen Konkurrenzformen zu betrachten (hier die Ausbildung von Possessivaffixen gegenüber possessiven Dativ-Konstruktionen).
Aus ihrer Perspektive der Suche nach einer einheitlichen Sichtweise waren gewissermaßen wortinterne wie wortexterne syntaktische Muster Optionen des Sprachbaus, die so auch bei historischen Analysen als Optionen in einem dynamischen Feld gesehen werden müssen. Grundlegend sind für sie dabei die prosodischen Grundmuster, die sie im Sinne einer charakterisierenden Typologie (vgl. hier bei Ernst Lewy) der Ausgliederung von Sprachen wie denen der Romania unterlegt. Das prosodisch steigende Muster steuert für sie auch die romanischen Futurbildungen (Typ: dare habeo > *dar-ai), wie sie in einer Kritik an Rohlfs zu zeigen versucht (»Zu Gerhard Rohlfs’ ›Das romanische Habeo-Futurum‹«).[14] In ihrer letzten publizierten Arbeit (»Der Stammausgleich der ablautenden Verben«)[15] entwirft sie nochmals das Schema ihrer Argumentation: die rein formal zu fassenden Kontraste von stammbetonten Flexionsbildungen (1., 2., 3. Person wie in Französisch je viens, tu viens, il vient) gegenüber endungsbetonten (4. und 5. Person nous venons, vous venez) erlauben prinzipiell einen Ausgleich in jeder Richtung.
Einem radikalen Ausgleich stehen für sie die Differenzierungsanforderungen der Sprache entgegen: sie findet so einen differenzierten Ausgleich, einerseits nach dem Muster der endungsbetonten Flexionen bei Verben, die pluralische Bedeutungsmomente lexikalisieren, im Gegensatz zu den anderen Verben, die eine singularische Bedeutungskomponente haben und das stammbetonte Muster generalisieren. Auch hier bringt sie wieder umfangreiches Detailmaterial bei (dialektal, ggf. bei stilistischen Präferenzen verschiedener Autoren) und skizziert die Entwicklung hin zur Übernahme einer der Varietäten, was sie ausdrücklich als »soziologisches« Faktum definiert (S. 387) – wobei sie allerdings das Abgleiten in psychologisierende Stereotypen nicht vermeiden kann (Ausdrucksbedürfnisse des Franzosen gegenüber dem Engländer u. dgl.).
Immerhin unterscheidet sie so sehr klar zwischen allgemeinen Zusammenhängen sprachlicher Praxis (die sie mit Parallelen aus anderen Sprachen dokumentiert, hier in extenso mit Entwicklungen im Deutschen) von spezifischen Grammatikalisierungen, die Einzelsprachen definieren. Anzumerken ist noch, daß diese quasi »panchronische« Sichtweise R.s zu recht aktuellen Untersuchungsfragen führte – so etwa, wenn sie eine »Textsorte« (wie es heute heißen würde) In-/Auf-/Unter-/Überschrift syntaktisch bestimmt (i. S. ihres Ansatzes aus den pragmatischen Bedingungen des Umganges mit solchen Texten als Teil der Präsentation von etwas Drittem) und in Hinblick auf kulturelle, aber auch sprachstrukturelle Differenzen von der lateinischen Antike bis zu den europäischen Gegenwartssprachen betrachtet (»Zur Syntax der Inschriften und Aufschriften«).[16]
Die fundierenden Strukturen suchte sie in Auseinandersetzung mit dem, was i. S. des junggrammatischen Positivismus den Gegenpol zur bewußt kontrollierbaren Sprachpraxis ausmachte: die physikalisch-physiologischen Bedingungen der Sprache (bei R. daher immer: Sprechen). Grundlegend sind daher die phonetischen Strukturen – und auch hier wieder: die leibnahen der Prosodie (Akzentuierung, Syllabierung) mit ihren Folgen für die feinkörnigere segmentale Gliederung der Äußerungen, die sich in der Alphabetschrift spiegelt (für R. ein sekundärer Aspekt). Die sprachwissenschaftliche Grundfrage ist für sie, was die Nutzung des physiologischen Apparates steuert – bei ihr eine Sache der »Sprachpsychologie« (heute würde wir sagen: Kognition). Das setzt voraus, daß die (naturwissenschaftlichen) Fragen der Phonetik geklärt sind, die sie in entsprechend systematischen Darstellungen entwickelt, z.B. »Wie wir Sprechen«,[17] wo sie die einzelsprachspezifische Selektion von Optionen i. S. der zeitgenössischen Redeweise als »Artikulationsbasis« definiert.
Diese Klärung betrieb sie mit einem großen aufklärerischen Elan, nicht zuletzt in Volkshochschulkursen und öffentlichen Vorträgen. Hierher gehören auch ihre Versuche, in angewandten Bereichen sprachwissenschaftliche Erkenntnisse nutzbar zu machen, wie z.B. in ihrer Zusammenarbeit mit dem Phoniater Fröschels.[18] Dazu gehört auch ihr Plädoyer für eine sprachwissenschaftlich kontrollierte Schulbildung »Sprachwissenschaft in der Schule«:[19] »Auch der Grundschullehrer soll [...] Sprachwissenschaftler [sein]« (ebd. S. 1019); angefangen bei der Phonetik (wieder mit der zentralen Rolle der Satzphonetik, wo die grammatischen Aussagen über die Wortstellung für sie ohne solche Kriterien zwangsläufig falsch werden) über die Wortbildung und die Flexion bis hin zu Betrachtungen zum Wortschatz.
Indem sie die Nutzung der phonetischen Ressourcen für die Sprache herausstellt, nimmt sie einen protophonologischen Standpunkt ein. Bei ihren weiteren Arbeiten haben dazu sicherlich die kollegial engen Kontakte zu Trubetzkoy beigetragen, der sich damals in Wien ebenfalls an der Abgrenzung von naturwissenschaftlicher Phonetik und Phonologie abarbeitete. In den Erinnerungen ihrer Schüler-/HörerInnen ist sie so zugleich durch die moderne Orientierung auf strukturale Theoriebildung (Saussure, Trubetzkoy), philologische Strenge und breite kulturgeschichtliche Orientierung präsent, s.u. die Nachrufe von Adolf und Pulgram (sowie persönliche Gesprächshinweise von Penzl und Pulgram). Nach 1926 konnte R. jedenfalls die auf dem Den Haager Linguistenkongreß vorgestellte Phonologie rezipieren. Dafür sprechen auch die bei ihr entstandenen Arbeiten, etwa M. Pulletz, »Das phonologische und morphologische System der französischen Sprache mit Berücksichtung seiner Eigenheiten«.[20] Die Arbeit zeigt ihren Einflusß in der funktionalistisch ausgerichteten Analyse, bemerkenswert v.a. auch durch die umfassend registrierten distributionellen (phonotaktischen) Verhältnisse des Französischen.
Eine entsprechend systematisierte »ganzheitliche« Sprachauffassung signalisierte für sie die Überwindung des vorherrschenden philologischen Atomismus – und damit auch den gegenüber diesem notwendigen polemischen Überschuß der Neophilologen (Vossler, Lerch ...).[21] Wie sie dieser Richtung gegenüber, vor allem Vossler, überhaupt bemerkenswert offen war – bei aller Kritik an der registrierten philologischen Unsorgfalt;[22] scharf wandte sie sich aber gegen die Neigung zu Stereotypen, insbesondere den »Nationalcharakteren«, etwa bei Lerch, gegen die sie einerseits universale Faktoren der Psychologie und andererseits funktionalistisch situative Faktoren einwendete, s. etwa »Zur Klärung von Wortstellungsfragen«.[23]
Mit der Orientierung am Sprechen verbunden war bei ihr eine dezidierte psychologische Sicht der Sprache: die Phonologie artikuliert für sie theoretisch die grundlegende Differenz zwischen dem sprachlichen Rohmaterial und dem, was die Sprachpraxis daraus macht (so etwa schon in ihrem Vortrag von 1909 »Die Rolle der Semantik in der historischen Grammati«).[24] Trotz der dabei angelegten funktionalistischen Betrachtungsweise tendieren ihre Überlegungen zu einer Reduktion auf die psychisch-physischen Randbedingungen der Sprachpraxis, die Trägheitsfaktoren der menschlichen Psyche, die zwangsläufig grammatische Strukturzwänge setzen.
In ihrem Referat »Die Entwicklung der Phonologie«[25] werden Phoneme und phonologische Merkmale als »Vorstellungselemente« verstanden – und so Trubetzkoys Auffassungen mit phonetisch-psychologischen Erläuterungen präsentiert; und auch ihre Besprechung von Trubetzkoys »Grundzügen« (zugleich ein von persönlicher Wertschätzung geprägter Nachruf)[26] hält, bei aller begrifflichen Klärung in explizitem Rückgang auf einen Bühler geschuldeten Funktionalismus, an psychologistischen Konzepten fest (»phonologisches Bewußtsein«, Phoneme als »Auffassungen des Sprechers« u.a.). Systematisch setzte sie sich mit den zeitgenössischen methodologischen Ansätzen auseinander: bemerkenswert genug reklamierte sie in der Phonologie die »realistische« Position Bloomfields gegen die frühen Ansätze des US-amerikanischen Operationalismus (etwa von Twaddell), s. ihren Aufsatz »Länge und Kürze«,[27] S. 256ff. Zugleich entwickelte sie gegen Trubetzkoys schematische Trennungen ein Konzept von Phonologie als funktionaler Phonetik, das auch die dynamischen Faktoren der Sprachentwicklung in die synchrone Analyse integrierte (s. bes. S. 425 zur Bedeutung der romanischen Entwicklungen für die Analyse des lateinischen Systems).
Die Grundlage für diese Haltung ist ihre für das wissenschaftliche Profil einer Altromanistin eher auffällige eingehende Beschäftigung mit der experimentellen Phonetik – dieses Lehrgebiet war in Wien so an ihre Person geknüpft,[28] daß sie darüber auch noch in ihrem Ruhestand las (s. Christmann, Q: 24). Gerade weil sie hier mit experimenteller Rigorosität forschte (bes. Tests auf der Grundlage von rückwärts gespielten Sprachaufzeichnungen), für die das Verhältnis zum Arzt-Vater die Voraussetzungen geschaffen haben mag, konnte sie die Phonetik als Bereich der Randbedingungen der Sprachpraxis von der theoretischen Betrachtung sprachlicher Verhältnisse ausklammern – und insofern war für sie die Notwendigkeit einer theoretisch anders konstituierten genuin sprachwissenschaftlichen Disziplin Phonologie selbstverständlich. In der Phonetik selbst hat sie mit ihren Lehrbüchern und einer Reihe Einzeluntersuchungen wichtige systematische Differenzierungen getroffen, so insbesondere etwa mit der (auch von Trubetzkoy übernommenen) Klärung der Silbenschnittkorrelation.
Ihr erwähnter Aufsatz »Länge und Kürze« ist heute noch eine der besten Explikationen des Problems (auf der Grundlage experimentell erhobener Daten). Abgesehen von einer begrifflich klaren Trennung von losem und festem Anschluß gegenüber den anderen phonetischen Parametern (Quantität, Vokalqualität) analysiert sie die Diskrepanz zwischen instrumentellen Befunden und Wahrnehmung (die intuitiv plausible Orientierung an den Vokalquantitäten); dabei zeigt sie eine bisher in der Forschung nicht wieder aufgenommene Lösungsrichtung für die endemische Kontroverse um die Silbenschnittkorrelation: indem sie das Trubetzkoysche Merkmal der Dehnungsfähigkeit in Termen des losen Anschluß phonetisch rekonstruiert,[29] erklärt sie, wie die in verbundener (»allegro«) Rede nicht quantitativ verifizierbaren Kürzen/Längen-Unterschiede gewissermaßen projektiv in der Wahrnehmung aufgrund der Anschlüsse extrapoliert werden – während sie bei den (neueren Messungen i. d. R. zugrundeliegenden) Pausa-Formen tatsächlich als Kürze oder »gedehnte« Vokale produziert werden (hier ist die Anschlußkorrelation also redundant, falls sie nicht sogar verschwindet). Diese Orientierung der phonetischen Forschung auf die Rekonstruktion extralaboratorieller Probleme schützte sie gegen die in jüngster Zeit dominante Verselbständigung des technisch Machbaren – und erlaubte es ihr (wie in diesem Aufsatz) experimentelle Forschung für funktionale Fragestellungen zu nutzen, die für sie immer auch in die Analyse der historischen Dynamik der Sprachentwicklung eingelassen waren.
Einen systematischen Entwurf ihrer Konzeption entwickelte sie gewissermaßen als Gegenentwurf zur junggrammatischen Praxis ausgerechnet in der hauptsächlich von ihr selbst organisierten Festschrift für ihren Lehrer Meyer-Lübke: »Der innere Zusammenhang in der Entwicklung der romanischen Sprachen«.[30] Der atomistischen Betrachtung und Kompilation von Einzelbeobachtungen stellt sie eine »pragmatische Sprachgeschichte« entgegen (S. 59 u.ö.), die die strukturellen Zusammenhänge erfaßt: bei der die Wortprosodie als weitere Artikulation der Satzprosodie in den Blick kommt (S. 91ff.) und grundsätzlich der Aufbau der Äußerung (syntaktisch-grammatisch: des Satzes) homolog zum Aufbau der Wortformen bestimmt ist.
Die dabei schon im Detail beigebrachten Beobachtungen verfolgte sie systematisch weiter: auf dem 2. Internationalen Linguistenkongreß in Genf 1931 trug sie ihre Konzeption vor (»Die Einheitlichkeit der Hervorhebungsabsicht und die Mannigfaltigkeit ihrer Auswirkungen«),[31] und schließlich legte sie 1934 den ersten Band ihrer »Beiträge zur Geschichte der Romanismen« vor: »Chronologische Phonetik des Französischen bis zum Ende des 8. Jahrhunderts«,[32] bei dem sie die (universalen) phonetischen Bedingungen von ihrer sprachspezifischen Nutzung unterscheidet, hier in dem Kontinuum lateinisch-romanischer Sprachentwicklung, wobei die fundierenden Strukturmomente für sie wieder in der Prosodie liegen (mit dem nord-französischen Akzent als innovativem Element), von der aus sich die (geänderten) Bedingungen der Syllabierung ergeben, und von denen aus wieder die segmentale Artikulation (Diphthongierung, komplexe Ränder in der starken Silbe, Reduktion bzw. Synkope/Apokope bei der schwachen Silbe). Dabei entwickelt sie detailliert ihre oben schon erwähnte Konzeption der Silbenschnittkorrelation.
Gegen trivialsoziologische Annahmen, die Sprachstrukturen mit Gesellschaftsstrukturen parallelisieren, wie es damals nicht nur im Umfeld von Vossler im Schwange war, stellte sie das unterschiedliche Tempo von gesellschaftlichem und sprachlichem Wandel heraus: Sprachwandel operiert als Filter über synchron gegebenen Varianten, so daß sich die Strukturmerkmale, die gerne als charakteristisch für die spätere gesellschaftliche Entwicklung in Frankreich herausgestellt werden, eben auch schon im antiken Latein finden, dort allerdings auf bestimmte Register beschränkt.
Ansonsten kommen soziale und kulturelle Zusammenhänge in ihren Arbeiten nur negativ in den Blick – z.T. allerdings mit äußerst prägnanten Formulierungen. So wenn in Auseinandersetzung mit der Wörter und Sachen-Richtung »die Geschichte eines Kulturwortes [...] [als] [..] das Archiv für die Geschichte des Dinges, für die Geschichte der menschlichen Verhältnisse« gefaßt wird;[33] oder wenn in offensichtlicher Auseinandersetzung mit der soziologischen Reflexion der Sprachbetrachtung (etwa bei Meillet), Sprache als Institution gefaßt wird (»Wie jede Institution gewinnt sie gewissermaßen objektives Dasein und hat Macht über den, der sie ausübt« – eine ungemein moderne Formulierung aus dem Jahre 1911,[34] s. in diesem Sinne auch ihren Nachruf auf Meillet).[35]
Systematisch ging sie diesen Fragen in dem nach, was sie Fremdwortkunde nannte (s. den gleichnamigen Band von 1919).[36] Materialreich entwickelt sie dort die Mehrschichtigkeit des Wortschatzes in den modernen Sprachen mit unterschiedlichen Horizonten, die sachlich begründet sein können, worin sich vor allen Dingen aber unterschiedliche Horizonte des gesellschaftlichen Verkehrs ausdrücken, darunter die zwangsläufige Internationalisierung der Wissenschaftssprache. Gegen mechanische Wertungen der Sprachreiniger führt sie strukturale Argumente ins Feld: die Möglichkeit, Wortfelder zu integrieren, die u.U. bei Fremdwörtern optimaler gegeben ist als bei den propagierten Eindeutschungen, etwa Telefon gegenüber Fernsprecher, weil nur das erste Ableitungen wie telefonieren, telefonisch u. dgl. möglich macht (S. 126, 132). Schließlich ist die Frage von denotativ äquivalenten Termini gegen die Möglichkeit konnotativer Differenzierungen abzuwägen (S. 130). Dieser analytischen Herangehensweise stellt sie ein entschiedenes Plädoyer für die Bewahrung nationaler Eigenart entgegen, die gegen die drohende Überfremdung zu retten ist. Das Bändchen ist durchzogen von befremdlich nationalistischen Bemerkungen, mit denen sie in der deutschtümelnden Fremdwortdebatte mitspielte, was Spitzer einer diskursanalytischen Kritik unterwarf (s. bei diesem).[37]
In diesem Feld hat sie eine Reihe sachlich sehr detaillierter Einzelstudien vorgelegt, so eine umfangreiche Aufsatzfolge über »Tabak-Trafik«, die sie in der Rotterdamer Zeitschrift »De Spiegel van Handel en Wandel« 1925 bis 1928 veröffentlichte.[38] Sie trieb dafür nicht nur ausführliche Quellenstudien zu den im internationalen Verkehr involvierten Sprachen, auch den Indianersprachen (was ihr eine gewisse Reputation auch bei Amerikanisten einbrachte), sondern auch fachliche Studien u.a. in einer Wiener Tabakfabrik (s. dazu »Summe«, Q). Indem sie hier die sprachlichen Erscheinungen in dem ausdifferenzierten Feld von Produktion, Distribution und Konsum von Tabakprodukten untersuchte (im Spiegel der entsprechenden »Wanderwörter«), leistete sie einen Pionierbeitrag zu dem, was heute als eigene Sparte »Fachsprachenforschung« firmiert. Hierher gehört auch die (vor dem Hintergrund ihres Lebens als einer alt werdenden Jungfer) erstaunliche Studie über »leichte Mädchen«: »Bayardere«,[39] für die sie eine Lizenz in einer Ballade von Goethe fand.
Daß die nationalistischen Bemerkungen in ihren Arbeiten für sie keine Nebensache waren, zeigt sich vor allem da, wo sie diese Argumentation in einem pädagogischen Umfeld vereindeutigt propagiert; in: »Zur Bekämpfung des Fremdwortes«[40] will sie »jeden, der den Kampf wider das Fremdwort führt, wappnen« (S. 182). Entsprechend zieht sie gegen Sprachgemisch, Auslandsanbeterei, Denkfaulheit zu Felde und fordert, einem Fremdwort »ein voll lebendiges, saftiges, warmblütiges Wort« des Deutschen entgegenzusetzen (S. 179). So zeigt sich in ihrem Werk eben auch eine ausgesprochen weltfremde Frau, die von der Außenwelt weitgehend abgeschirmt symbiotisch mit ihrer älteren Schwester Helene[41] lebte, und die aufgrund ihrer körperlichen Behinderung und kränkelnden Konstitution durchweg auf Hilfe angewiesen war. Alles, was die gewohnte bürgerliche Welt aus der Ordnung zu bringen drohte, lehnte sie heftig ab, so v.a. Dingen bei den politischen Auseinandersetzungen nach 1918 und dann wieder nach 1932. Auf diese Weise brach sie sogar mit ansonsten bewunderten Menschen, wenn sie diese als Parteigänger der Sozialisten entdeckte.[42]
Bemerkenswerterweise kommen in ihren persönlichen Aufzeichnungen Erinnerungen an den für sie ansonsten so wichtigen Hugo Schuchardt nicht vor. Mit diesem wusste sie sich auch politisch konform (auch hier wieder im Gegensatz zu Spitzer); ihm schickte sie so z.B. eine Postkarte, die die technische Errungenschaft der österreichischen Luftwaffe im Kampf mit dem russischen Gegner demonstriert.[43] Ihre patriotischen und kriegsbegeisterten Bemerkungen (durchweg ist von »tapferen Kriegern« die Rede), sind v.a. da befremdlich, wo sie auch noch 1940 in diesem Tenor über den Krieg als etwas Großes schreibt, das Opfer verlangt (eben auch ihr eigenes, »Summe«, Q: S. 191). Vor 1938 hatte sie sich auf der antidemokratischen Seite in der Vaterländischen Front engagiert und offen Partei für Dollfuß und Schuschnigg genommen. Nach dem Ersten Weltkrieg hatte sie Bedenken, an einem Kongreß in Italien teilzunehmen, weil doch »die Italiener uns im Weltkrieg verraten [haben]«, (»Summe«, Q: S. 180).
Vielleicht noch deutlicher werden diese Widersprüche bei ihrer Rolle in der Frauenbewegung, zu deren Pionierinnen sie einerseits gehörte, als Mitbegründerin des »Verbandes der Akademikerinnen Österreichs« 1922, dem sie sogar bis zu ihrem Austritt 1930 präsidierte, bei dem sie aber die anderen aktiven Frauen nicht akzeptieren konnte, über die sie sich in ihren Notizen oft geradezu gehässig ausläßt – im Gegensatz zu frauenbewegten Mitstreiterinnen jenseits des Atlantiks, die sie persönlich nicht kennt. Zu diesen Widersprüchen[44] stimmt eben auch das theoretisch Ungeklärte in ihren Arbeiten. Andererseits ist ein Schwanken zwischen einer mehr psychologischen und mehr soziologischen Orientierung wie bei ihr in sprachanalytischen Grundsatzfragen bis heute in der Sprachwissenschaft endemisch. Trotz aller Widersprüche leistete sie in ihrer Art, sich um Konsequenz in ihren Analysen und um empirische Fundierung zu bemühen, einen wichtigen Beitrag zur Fachentwicklung.
Diese Arbeit führte sie auch noch weiter, nachdem sie 1938 aus rassistischen Gründen entlassen worden war. Sie führte ihre umfassende Ausarbeitung einer »systematischen Sprachbetrachtung« weiter, hat aber ein entsprechendes Buchmanuskript nicht mehr fertiggestellt (entgegen den Mutmaßungen von Yakov Malkiel [Q]). Das physische Überleben wurde ihr in den letzten Jahren zunehmend erschwert.[45] Die beiden Schwestern konnten nur bis Ende 1941 in der eigenen Wohnung verbleiben, danach wurden sie zwangsweise zunächst in ein Altersheim, dann in ein Sammellager eingewiesen, von wo sie im Oktober 1942 in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert wurden, wo Helene R. am 8.11.1942, Elise R. am 21.6.1943 verstarben.
So spiegelt R.s Biographie die damaligen Kämpfe um die Gleichberechtigung der Frau – für R. eine Frage des gleichen Zugangs zu den Möglichkeiten wissenschaftlicher Arbeit, nicht weniger als der Anspruch, unter gleichen Bedingungen wie die Männer mit diesen zu konkurrieren. Die antisemitische Diskriminierung verdrängte sie als protestantisch Getaufte dagegen, so gut es ihr möglich war. Sie wandte sich noch in ihren Erinnerungen 1940 vehement gegen diejenigen, die seinerzeit versucht hatten, defensiv explizit jüdische Ansprüche auf Gleichbehandlung zur Geltung zu bringen (durchgehend so in der »Summe«).
In ihren autobiographischen Notizen »Erziehung« (Q) macht sie die Widersprüche der damaligen Situation (gerade auch durch die ironisierende Darstellung) sehr deutlich: einerseits vom Vater unter gutbürgerlichen Lebensverhältnissen »fortschrittlich« erzogen (vom Privatunterricht bis zum erwünschten Zigaretten-Rauchen), andererseits auch beim Vater restriktive Vorstellungen von frauengemäßen Beschäftigungen – darunter die Ablehnung ihrer frühen grammatischen Interessen, des Lernens von Latein und Griechisch. Angesichts dieser biographisch ausgetragenen Widersprüche sind die wissenschaftlich-analytischen Leistungen nur umso eindrucksvoller.
Q: Zu ihrem Leben s. die beiden Autobiographien »Summe des Lebens« aus dem Jahre 1940 (gedruckt Wien: WUV Universitätsverlag 1997, zitiert als »Summe«) und »Erziehung und Entwicklung«, zuerst 1928 (zitiert als »Erziehung«, s.u); Y. Malkiel/W. Meid (Hgg.), »Elise Richter: Kleine Schriften« (darin nachgedruckt auch »Erziehung«, S. 531-554, zuerst in: E. Kern (Hg.), »Führende Frauen Europas«, [1. Folge], München 1928: 70-93);[46] Hans Helmut Christmann: »Frau und ›Jüdin‹ an der Universität. Die Romanistin Elise Richter«, Wiesbaden: Steiner 1980. Zur Würdigung der Sprachwissenschaftlerin E. R. s. die Besprechungen des von Malkiel hg. Sammelbandes durch K. Baldinger (Z. rom. Ph. 94/1978: 563-564); P. Wunderli (Vox Romanica 39/1980: 294-297); P. Schifko (Die Sprache 27/1981: 45) und den ausführlichen Rezensionsartikel ihres Schülers Pulgram, »In Pluribus Prima: E. R. (1865-1943)«, in: Romance Ph. 33/1979: 284-299; L. Renzi: »E. R. (1865-1943)«, in: Studi Goriziani 65/1987: 99-111; Kowall; Nachruf von H. Adolf, in: Romance Ph. 1/1948: 338-341, sowie die Dokumentation der Festveranstaltung zu ihrer Ehrung durch die Universität Wien 1985, in: Semiot. Ber. 9/1985: 164-179; W. Bandhauer, »Ideologiekritische Anmerkungen zu E. R. (in Konfrontation mit Leo Spitzer)«, in: Christmann/Hausmann: 231-240; Bibliographie kommentiert von Woodbridge, in: Romance Ph. 26/1972, nachgedruckt in Malkiel/Meid, Op. cit. S. 583-599; Keintzel/Korotin. R. Tanzmeister, »E. R. – Frau und Wissenschaftlerin«, in: Semiotische Berichte 22/1998: 171-183. Vieles von dem erwähnten Personalschrifttum ist zugänglich bei: http://www.romanistinnen.de/frauen/richter.html (Febr. 2009).
[1] S. »Kleine Schriften« (Q): 548-551, im folgenden abgekürzt als KlSch. Sie war die erste Frau, die in Deutschland/Österreich habilitierte. Zu dem entsprechenden Verfahren: Vortrag und Kommissionsbeschluß 1904, Erteilung der Venia erst 1907, s. Kowall.
[2] »Erziehung«: 548 und 550. Der Vergleich zu A. Lasch drängt sich auf, die ja auch tatsächlich nach dort emigrierte.
[3] Leipzig: Teubner 1912, 2. Aufl. 1925: 119ff.
[5] 1927, KlSch (Q): S. 125-146. Lerch konnte sie so in seiner Würdigung (in: Die Neueren Sprachen 33/1925: 81-88) sogar dem Programm der Neuerer in der Nachfolge Vosslers subsumieren.
[6] 1926, KlSch (Q): S. 125-146.
[7] Zuerst 1939, KlSch (Q): S. 177-192.
[9] KlSch (Q): S. 554. Um dieses Hauptwerk kreisten auch in den letzten Jahren ihre Gedanken, als sie zunehmend besorgt war, das Manuskript in Sicherheit zu bringen. Sie verweist darauf in unterschiedlichen Entwicklungsphasen, in frühen Jahren als »chronologische Phonetik des Französischen« u.ä., zuletzt vermerkte sie, daß ihre Kraft nicht gereicht hat, es zu Ende zu bringen.
[10] 1911, KlSch (Q): S. 57-143.
[11] KlSch (Q): S. 519.
[12] Vgl. KlSch (Q): S. 218.
[13] In: Z. rom. Ph. 25/1901: 424-448.
[14] In: Z. rom. Ph. 44/1924/1925: 91-96.
[15] In: Arch. Romanicum 25/1941: 384-400.
[16] 1937, KlSch (Q): S. 147-176.
[17] Leipzig: Teubner 1912, 2. Aufl. 1919.
[18] S. dazu »Summe«, Q: S. 114 u.ö.
[19] In: Pädagogische Warte. Z. f. Lehrerfortbildung 34/1927: 1019-1027.
[20] Dissertation Wien (masch.-schr.) 1938. Formal fungierte sie dabei nicht als Gutachterin, im Vorwort stellt Pulletz aber ausdrücklich ihre Rolle als Betreuerin heraus.
[21] S. etwa KlSch (Q): S. 219.
[22] Alleine Lerch kommt bei ihr mit Blick auf seine (späteren) materialreichen Arbeiten besser weg.
[23] In: Z. rom. Ph 42/1923: 704-721.
[24] KlSch (Q): S. 15-26.
[25] 1930, KlSch (Q): S. 209-222.
[26] In: Arch. Rom. 25/1941: 417-426.
[27] Zuerst in: Archiv f. vgl. Phonetik 2/1938: 12-29; nachgedruckt in den Kl. Schriften, 253-269.
[28] Ihre Ernennung zur a.o. Professorin war ausdrücklich mit einem Lehrauftrag für Phonetik (neben ihrer Venia für Sprachpsychologie) verbunden. Sie hatte vorher schon das von E. Scripture an der Universität Wien aufgebaute phonetische Labor weitergeführt, neben dem es das Phonogrammarchiv der Universität gab. Da sie dieses Gebiet als einzige an der Universität Wien vertrat, wurde ihr Lehrauftrag auch noch 1935 verlängert, als sie bereits 70 Jahre alt war, s. dazu »Summe«, Q: S. 169.
[29] In anderen Arbeiten (bes. so in den »Beiträgen« 1934, s.u.) differenziert sie noch nach der Ablaufqualität des Vokals (abbrechender vs. abklingender Abglitt) und Anschluß an den Folgekonsonanten, weil die Ablaufqualitäten grundsätzlich auch im absoluten Auslaut möglich sind.
[30] P. Skok u.a. (Hgg.), »Prinzipienfragen der romanischen Sprachwissenschaft«, Bd. II, 57-143 (= Z. rom. Ph. 27/1911, Beiheft).
[31] In: »Actes du Deuxième Congrès intern. de linguistes«, Paris: Maisonneuve 1933: 150-153.
[32] Halle/S.: Niemeyer.
[33] 1910, KlSch (Q): S. 16.
[34] KlSch (Q): S. 274.
[35] In: A. vgl. Phonetik 1/1937: 188-191, bes. S. 189.
[36] Leipzig: Teubner.
[37] Schon im Vorwort (datiert Oktober 1918) situiert sie ihr Werk im Kontext des Weltkriegs mit der befremdlichen Aussage »Herrliches hat sich ereignet und Niederschmetterndes; aber im Wechsel der Geschehnisse bleibt aufrecht der Glaube an das Deutschtum und der Glaube an eine zukünftige Verständigung der Völker«. Insofern ist es kein Zufall, daß dieses Bändchen einer rassistisch Ausgegrenzten in den NS-Bibliotheken stehen blieb: das von mir eingesehene Exemplar der UB Braunschweig trägt noch den Stempel »NSDAP Hitler-Jugend. Akademie für Jugendführung, Bücherei«. S. dazu auch W. Bandhauer (Q).
[39] In: Volkstum und Kultur der Romanen 5/1932: 1-20.
[40] In: Österreichische Z. f. Lehrerfortbildung 1916: 175-183.
[41] Geb. 4.8.1861 in Wien, gest. 8.11.1942 in Theresienstadt. Sie war als Privatgelehrte und Publizistin tätig, arbeitete auf dem Gebiet der englischen Literatur und des Theaters im weitesten Sinne, wo sie auch im Feuilleton als Theaterkritikerin publizierte. Ihr literaturwissenschaftliches Œuvre wurde zweimal mit einem Ehrendoktorat honoriert (Universität Erlangen und Universität Heidelberg). Weiteres zu ihrer Biographie und Bibliographie bei Keintzel/Korotin.
[42] So z.B. Barbusse, den sie als verkappten Kommunisten entlarvt, s. »Summe«, Q: S. 212-213. Hier dürfte vermutlich auch eine der Quellen für das gespannte Verhältnis zu Spitzer gewesen sein, neben der Rivalität gegenüber ihrem gemeinsamen Lehrer Meyer-Lübke.
[43] Ich verdanke B. Hurch eine Kopie aus dem Schuchardt-Nachlaß.
[44] S. dazu jetzt pointiert in Auseinandersetzung mit der modischen Hagiographie, B. Hurch, »Apropos Elise Richter«, in: Der Standard (Österreich) v. 29.11.2008.
[45] Hinzu kamen materielle Probleme: teils selbstverschuldet durch finanzielles Ungeschick im Umgang mit dem ererbten Vermögen, teils erzwungen durch repressive Maßnahmen (Vermögensabgaben). Vor allem mußte R. ihre Bibliothek verkaufen, s. dazu F.-R. Hausmann, Rezension zu M. G. Hall/Ch. Köstner, »... allerlei für die Nationalbibliothek zu ergattern ...« (Wien: Böhlau 2006), in: http://iaslonline.de (Dez. 2008), Nr. 8.
[46] Innsbruck: Innsbrucker B. z. Sprachwiss. 21/1977: 531-554. S. auch die Besprechungen dazu von M. Mayrhofer, in: Z. rom. Ph. 97/1981: 531-532, und W. Hirdt, in: Romanisches Jb. 31/1981: 251-253.