Vorbemerkung
Diese Internet-Version ist eine Überarbeitung des biographischen Katalogs in der 2010 als Buch erschienen Dokumentation (s. Publikation/Medienecho). Die Einträge haben einen unterschiedlichen Zuschnitt, der sich aus der Genese der Dokumentation erklärt: bei vielen handelt es sich nur um Grundinformationen, abgestellt auf die Zielsetzung bei den Anfängen des Unternehmens in den 1970er / 1980er Jahren, einen Überblick über die von der Verfolgung betroffenen Sprachforscher zu erstellen – wobei die in der damals zugänglichen Literatur vielfach gelegten falschen Spuren ebenfalls dokumentiert wurden (daher werden bibliographische Angaben nur aufgrund von autopsierten Arbeiten gemacht – gegen die nicht nur damals verbreiteten falschen Angaben aus zweiter Hand). Umfangreichere Einträge resultier(t)en aus systematischen Fragen, vor allem auch in Hinblick auf die Abgrenzung eines relativ weiten Feldes der Sprachforschung von dem disziplinär eng gefaßten der Sprachwissenschaft. In einer Reihe der umfangreichen Einträge, gerade auch solchen zu Personen, die meist nicht zur Sprachwissenschaft gezählt werden, wird die problematische Grenzziehung thematisiert.
Eine systematisch intendierte Auswertung des Katalogs mit dem Versuch der fachgeschichtlichen Einordnung der (seriellen) Befunde findet sich in: Utz Maas: Sprachforschung in der Zeit des Nationalsozialismus. Verfolgung, Vertreibung, Politisierung und die inhaltliche Neuausrichtung der Sprachwissenschaft (Berlin: de Gruyter 2016), die zugleich an die Stelle der vorläufigen Auswertung in dem Band 2 der Buchveröffentlichung 2010 tritt. Aus dieser sind dort nur die listenförmigen Zusammenstellungen (ergänzt um die Erweiterungen des Katalogs) übernommen. Diese können auch als Register für diesen elektronischen Katalog genutzt werden (ein eigenes Register, wie es in der zerstörten vorherigen elektronischen Version der Datenbank enthalten war, findet sich hier nicht mehr). Zur Vorgeschichte der Dokumentation, deren Anfänge in den 1980er Jahre liegen, s. die Darstellung in Bd. 2 des Buchs (2010), in dem auch die Einleitungen der älteren Teilveröffentlichungen reproduziert sind.
Die Internet-Zugänglichkeit ist allerdings ambivalent: einerseits geht sie weit über eine traditionelle Buchpublikation hinaus, wie die Zugriffszahlen zeigen, andererseits wird damit das Ziel der Extrapolation fachgeschichtlicher Entwicklungsstränge verdeckt: im Internet sind mit den Namen die einzelnen Beiträge aufzurufen, ohne den Zusammenhang der Dokumentation sichtbar zu machen. Für sich genommen sind aber nur die wenigsten von ihnen so ausgearbeitet (und im Detail recherchiert), um alleine stehen zu können. Das ist mißlich, aber durch diese Präsentationsweise nicht zu vermeiden. Da die einleitenden Abschnitte der Dokumentation im Internet nicht mehr zugänglich sind, kann ich nur auf die gedruckte Version (2010) verweisen.
Die weit gestreuten Recherchen für diese Dokumentation wären ohne die Mithilfe anderer nicht möglich gewesen. Zu danken habe ich insbes. den Archiven und Bibliotheken, die mir z.T. umfangreichen Kopien zugänglich gemacht haben (Hinweise dazu finden sich bei den Quellenangaben in den einzelnen Artikeln, jeweils bei Q vermerkt). Darüber hinaus haben einzelne mir Hilfestellung geleistet, allen voran auch einige derer, die direkt betroffen waren; auch darauf wird in den jeweiligen Artikeln hingewiesen. Zu danken habe ich außer der Universität Osnabrück, die das Unternehmen über 30 Jahre hin unterstützt hat, jetzt der Universität Graz, die mir seit einigen Jahren die Möglichkeit gegeben hat, meine Arbeit an der elektronischen Neubearbeitung des Katalogs weiterzuführen.[1]
Eine erste Netzversion hatte Angelika Wagner erstellt (damals noch als Mitarbeiterin am inzwischen eingestellten „Forschungszentrum für Sprachausbau“ der Universität Graz); 2010 wurde sie ins Netz gestellt. Dank einer Beihilfe der Thyssen-Stiftung, die schon vor über 30 Jahren die Anfänge der biographischen Recherchen gefördert hatte, konnte diese Textbasis seitdem überarbeitet und ergänzt werden. Eine Neufassung (2012) war vor allem Petra Hödl zu verdanken. Seitdem sind fortlaufend weitere redaktionelle Textänderungen angefallen, bei denen ich zunächst durch Bettina Hobel unterstützt wurde, später durch Nicole Granitzer und Fabian Augustin, dem vor allem auch der Neuaufbau der Datenbank zu verdanken ist, nachdem diese im März 2016 durch einen Hacker-Angriff zerstört worden war und daraufhin als virenverseucht aus dem Netz genommen werden mußte. Möglich wurde das dank einer erneuten Beilhilfe der Thyssenstiftung. Technische Hilfe leistete Adrea Tschentscher vom Rechenzentrum der Universität Osnabrück.
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[1] Das für den Katalog ausgewertete Archiv, sowohl die Materialien zu den Einzelbiographien, wie zu dem (fach-)geschichtlichen Hintergrund wird in der Osnabrücker Universitätsbibliothek nutzbar bleiben. Im dortigen Archiv befinden sich auch Papierausdrucke der aus dem Internet gezogenen elektronischen Quellen (mit dem jeweiligen URL und Zugriffsjahr bei Q vermerkt). Angesichts der immer kürzeren Halbwertzeit der Internet-Präsentationen werden diese zumeist nicht mehr als aktuelle Links aktivierbar sein; wer sie ggf. nutzen möchte, kann das im Archiv in Osnabrück tun.
Der Aufbau des Katalogs
Im Katalog sind 364 Biographien dokumentiert, die in drei Grobkategorien eingeteilt werden können [1]:
A
die Fälle einer sehr weitgehenden Verfolgung, ggf. Vertreibung.
Hierher werden alle Schicksale von Verfolgten gerechnet, die umgebracht wurden, sowie solche, die entlassen wurden und auswandern mußten. Dazu werden auch die Fälle gerechnet, bei denen der Ehepartner verfolgt war, mit dem gemeinsam die Auswanderung erfolgte. Weiter werden die Fälle hierher gerechnet, bei denen die Auswanderung bzw. das Exil gewissermaßen in Antizipation der zu erwartenden Verfolgung praktiziert wurde. Dadurch werden die Abgrenzungen z.T. fließend. Das gilt auch für die ebenfalls hierher gerechnete Gruppe derer, die 1933ff. im Ausland waren und nicht zurückkehren konnten, ohne sich einer Verfolgung auszusetzen. Dabei sind die Voraussetzungen für eine rassistische Verfolgung zwar eindeutig, in den Unterlagen aber nicht immer eindeutig zu fassen. Problematisch ist die Einordnung nach politischer Gegnerschaft, die nur im Falle offener politischer Aktivitäten hier als solche gerechnet wird.
In diesem Sinne dokumentiert der Katalog 276 solcher Biographien:
Adolf, Albu-Jahoda, Anhegger, Anstock, Argelander-Rose, Arndt, Aronstein, Auerbach, Austerlitz, Babinger, Bach, Bacon, Bäuml, Bar-Hillel, Bartholmes, Ben-Hajjim, Benjamin, Benton, Bergel, A. Bieler, L. Bieler, Bin-Nun, H. Birnbaum, S. Birnbaum, Blau, Bliss, Bloch, Boas, Bonheim, Borinski, Bornemann, Bräu, Brandt, Braun, Bravmann, Bremer, Brunner, Ch. Bühler, K. Bühler, Carnap, Caskel, Cassirer, Cohn, Cunz, Debrunner, Deutsch, Dotan, Eisler, Elliott, Engel, Erman, Falk, Feist, Fiesel, Fillenbaum, Flusser, Forchheimer, E. D. M. Fraenkel, E. Fraenkel, H. F. Fraenkel, Freud, Freudenthal, Freund, Friedmann, Fritz, Froeschels, T. Fuchs, Fuks, Gaede, Galton, Garvin, B. Geiger, Th. Geiger, Gelb, Gerzon, Glogauer, Goetze, Goldman, Goldschmidt, Goldstein, Gomperz, Goshen-Gottstein, Güterbock, Gumperz, Gutkind, Gutmann, Guttmann, Haas, Halpert, Hamburger, Hatzfeld, Hecht, Heimann, Henning, Hercus, Hertz, Herzfeld, Herzog, Hesse, Hittmair, G. Hoenigswald, H. M. Hoenigswald, R. Hoenigswald, Homberger, Homayer, Husserl, Imelmann, Jackson, Jacobsohn, Jaeger, Jellinek, Jokl, Jordan, H. Kahane, R. Kahane, Kahle, Klaus, Klein, Klemperer, Koppers, Korsch, F. R. Kraus, K. Kraus, P. E. Kraus, Krauss, Kris, Kronik, Lahmann-Pietrkowski, Landsberger, Lasch, Latte, Laufer, Lazarsfeld, Lehmacher, Lehner, Leibowitz, Lenneberg, Leo, Lerch, Leslau, Levy, Lewent, E. Lewy, J. Lewy, H. Lewy, Lichtenstadter, Liebenthal, H. Löwe, R. Löwe, Loose, Maas, Malkiel, Marchand, Marcuse, Matouš, Mautner, Menges, Mish, Mittwoch, Modrze, Muchow, Müller-Lisowski, Naumann, Nehring, Neisser, Neuberger-Donath, Norden, Oellacher, Oettinger, Olschki, Oppenheim, Pachter, Perloff, Pflüger, Piasek, Pick, H., M. Plessner, Poebel, Pokorny, Politzer, H. W. Pollak, Polotsky, Pulgram, Rabin, Ramberg-Figulla, F. Ranke, Rechnitz, Rechtschaffen, Reichardt, Reichenbach, Reichenberger, Reifler, Reuning, Rice, Richter, Ritter, Rohde, H. B. Rosén, H. Rosén, Rosenberg, Rosenthal, Rosthorn, Ruben, G. E. Sachs, L. Sachs, Samuelsdorff, Sandmann, Sapir, Schaechter, Schaeffer, Scheftelowitz, Scheludko, Scherman, Schindler, Schirokauer, E. Schlesinger, G. Schlesinger, Schmidt, Schneider, Schnitzler, Schwarz, Seidel, Seidel-Slotty, Seligso(h)n, Selz, Siemsen, Simon, Skutsch, Slotty, Spanier, Speier, A. Sperber, H. Sperber, Spitz, Spitzer, Sponer, O. Stein, R. A. Stein, Steindorff, Steiner, Steinitz, C. Stern, H.H. Stern, W. Stern, Stevens, Stoessl, Storfer, Strauss, Tedesco, Thieberger, Tietze, Tille-Hankamer, Tur-Sinai, Voegelin, Walz, Weigl, Weil, Weinberg, Weiner, M. Weinreich, U. Weinreich, Weissbach, Werner, H.Wilhelm, Wittgenstein, Wittek, Wittfogel, K. Wolf, S.A.Wolf, Wolff, Woskin-Nahartabi, H. Zimmer, K. E. Zimmer, G. Zuntz, L. Zuntz.
B
die Fälle einer Verfolgung oder zumindest von Konflikten, die ein Überleben im Reich zuließ:
Hier findet sich ein breites Spektrum von mehr oder weniger weitgehender Verfolgung/ Disziplinierung, unterhalb der Schwelle einer förmlichen Entlassung, oft aber mit Konstellationen, die in anderen vergleichbaren Fällen gravierendere Konsequenzen gehabt hätten. Hier sind die Bedingungen, bei denen, die sich der weiteren Verfolgung durch die Flucht/ Emigration entzogen (bzw. in den frühen Jahren noch entziehen konnten) – oder aber auch bei denen, bei denen die Verfolgung einen tödlichen Ausgang nahm, oft nicht von denen zu unterscheiden, die unter günstigeren Bedingungen im Reich überleben konnten, ggf. auch bei der Wehrmacht eingezogen wurden, u.U. sogar ihre Arbeit fortsetzen konnten. Die hier dokumentierten 38 Fälle machen das Spektrum der Konstellationen einigermaßen deutlich:
Anthes, Arntz, Back, Bosch, Erkes, Falkenstein, Förster, Grumach, Haffner, Hetzer, Hirsch, Jacobi, Kaiser, Krahe, Künssberg, Lambertz, Lentz, H. Lüders, Meriggi, Neumann, W. Pollak, H. Ranke, Rauhut, Rohlfs, Schmidt-Rohr, Schmitt, Schücking, Stammler, Stenzel,Tiktin, Trubetzkoy, Vater, Vossler, Wagner, Walter, F. Wilhelm, Wölfel, Woitsch.
C
die Fälle, bei denen eine Verfolgung nicht offensichtlich ist:
Hier reicht das Spektrum von Fällen, in denen keinerlei Anhaltspunkt für Verfolgung besteht, die aber dokumentiert werden, weil sie in den einschlägigen Quellen (z.B. den Londoner Listen der »displaced scholars«) auftauchen, über andere, die ebenfalls ohne Verfolgungshintergrund mit den Exilierten die Auswanderungssituation teilten, bis hin zu solchen, die für eine Tätigkeit im Ausland delegiert wurden (dann auch als Parteigänger des Regimes). Wie bunt dieses Spektrum sein kann, zeigen die hier dokumentierten 39 Fälle:
Baader, Bossert, Brauner-Plazikowski, Brinkmann, Buck-Vanioğlu , H. Collitz, K. Collitz, Diehl, Doegen, Fahrner, Fleischhauer, W. Fuchs, Gabain, Groth, Haloun, Havers, Heyd, Hibler-Lebmannsport, Horn, Hübener, Jolles, Junker, Krause, Kurath, Kuttner, Lenz, Lessing, Lindheim, E.-M. Lüders, Menzel, Mezger, Penzl, Peters, Prokosch, Springer, Steinen, Steuerwald, Straubinger, Zach.
Die Zusammenstellung des Katalogs war durch die Vorgaben der einschlägigen Forschung bestimmt, die hier genutzt wurde. Dazu gehören insbesondere auch die schon zeitgenössischen Kataloge von Opfern des Nationalsozialismus.[2] Wenn sich bei den Recherchen keine Anhaltspunkte für eine Verfolgung ergeben haben, sind doch alle dort aufgeführten einschlägigen Fälle hier dokumentiert, da der Katalog ein Arbeitsmittel für die weitere Forschung sein will und mit diesen Zusammenstellungen Fährten gelegt wurden, die hier auf diese Weise zumindest ein Stück weit untersucht sind.
Insofern sind die mit diesem Katalog dokumentierten 364 Biographien in unterschiedlicher Weise im Sinne des Titels »Verfolgung und Auswanderung deutschsprachiger Sprachforscher« einschlägig.
Es gibt die Gruppe derer, die die Verfolgung in ihrer brutalsten Form traf:
- in einem Konzentrationslager (oder auf dem Transport dahin) wurden 14 Personen umgebracht: Aronstein, Cohn, Falk, Gutmann, Jokl, Klein, Lahmann-Pietrkowski, Lasch, Richter, Selz, Spanier, O. Stein, F. Wolff, Woskin-Nahartabi;
- Weinberg und Ramberg-Figulla überlebten das Konzentrationslager;
- als politische Gegner hingerichtet wurden zwei Personen: Schaeffer, Sponer;
- als politische Gegner überlebten im Zuchthaus: Klaus, Krauss, Piasek;
- in vierzehn Fällen setzten die Betroffenen ihrem Leben selbst ein Ende. Das geschah unter dem Druck der Verfolgung bei Benjamin, Friedmann, Guttmann(-Marle), Jacobsohn, Jordan, Levy, Muchow und Neisser; hierher zu rechnen sind noch P. E. Kraus und L. Zuntz, für die auch die geglückte Auswanderung nur noch diesen Ausweg offenließ. Der Freitod von Laufer und Freud fällt zwar in die Exilzeit, ist aber anders zu werten; das gilt erst recht für Bornemann und E. D. M. Fraenkel, die diesen Schritt sehr viel später und unter anderen Bedingungen vollzogen.
In einer großen Bandbreite sind weitere Biographien dokumentiert, die in sehr unterscheidlicher Weise mit der Repression umgingen oder sich sogar mit ihr arrangierten:
- in einer Reihe von Fällen war die Emigration kein Ausweg vor der rassistischen Verfolgung, sondern die Betroffenen überlebten im Reich, geschützt durch ihre Ehe mit einer nicht rassistisch verfolgten Ehegattin: s. bei Caskel, E.E.S. Fraenkel, Grumach, Hecht, Hertz, Hirsch, Hittmair, Klemperer, Engel (1938 gestorben), u.U. aber auch ohne einen solchen Schutz wie bei Latte.;
- schließlich starben einige der rassistisch Verfolgten, bevor die Repression im Weltkrieg eskalierte: Brandt, Bremer, Engel, Erman, Freund, Gelb, Hittmair, Husserl, Jellinek, Künssberg, H. Lüders, Tiktin, vgl. auch Modrze (und der ungeklärte Fall von Woitsch);
- mit unterschiedlichen Formen der Repression mußten viele im Reich überleben, von denen hier auch nicht alle Fälle dokumentiert sind; die Gründe dafür reichten von Sippenhaft mit rassistisch Verfolgten (»Rassenschande«), religiös/weltanschaulicher Gegnerschaft bis zu politischer Disziplinierung, s. bei Anthes, Arntz, Bosch, Bräu, Brunner, Erkes, Förster, Hetzer, Krauss, Lambertz, Lentz, Lerch, Meriggi, Neumann, Oellacher, H. Ranke, Rauhut, Rohlfs, Rosthorn, Schmitt, Schücking, Stammler, Trubetzkoy, Vossler, Walter, Weissbach, F. Wilhelm. Eine Teilgruppe bilden hier diejenigen, die die Repression als Kinder in ihren Familien erfuhren oder noch in der Ausbildung waren, s. bei Back und Vater, in gewisser Weise auch W. Pollak;
- dazu sind auch diejenigen zu zählen, die in den von den Deutschen besetzten Gebieten, oft im Versteck, überleben konnten: Freudenthal, Fuks, Neuberger-Donath, H. Pleßner, Schaechter, Thieberger, vgl. auch R. Stein.
In Reaktion auf die Verfolgung wanderten von den im Katalog Dokumentierten 228 Personen aus, deren Emigrationskarrieren in Maas (2016) aufgeschlüsselt werden.
Mit aufgenommen in den Katalog sind auch diejenigen, die als Kinder mit ihren Eltern im Exil waren oder auch nach dort verschickt wurden, s. bei Bäuml, Gumperz, K. Zimmer, Bieler, Bloch, Bonheim, Fillenbaum, Goshen-Gottstein, Lenneberg, Oettinger, H. Rosén, Samuelsdorff, Sapir, U.Weinreich, Politzer.
Nicht einschlägig sind in diesem Sinne die im Katalog dokumentierten Fälle von »regulärer« Auswanderung im gleichen Zeitraum bzw. in der Folge einer früheren Auswanderung, s. H. Collitz, K. Collitz, Fleischhauer, Jolles, Kurath, Lenz, Lessing, Mezger, Penzl, Prokosch, Springer, W. Fuchs, Von Zach.
Weitere Fälle sind aus systematischen Gründen dokumentiert:
- so einige, die im Verlauf ihrer Karriere gewissermaßen die Fronten gewechselt haben, s. Schmidt-Rohr, Stammler, oder ohnehin auf der anderen Seite standen, aber im schwierigen Übergangsfeld von Emigration und Exil situiert sind, s. Bossert, Brinkmann, Gabain; zur Tätigkeit in einem Exilland s. auch Junker; zu den Formen des Arrangements mit den Verhältnissen s. z.B. Kaiser,
- schließlich sind die Biographien von Diehl, Havers (s. aber dort), Hibler-Lebmannsport, Kuttner; Von Lindheim, Menzel dokumentiert, bei denen entgegen den Hinweisen in den ausgewerteten Quellen keine Verfolgung ersichtlich ist;
- weitere acht Biographien sind aufgrund entsprechender Hinweise in den Quellen dokumentiert, obwohl die Betroffenen nicht als Sprachforscher anzusehen sind (Benton, Jolles, Kronik, Lehner, H. Lewy, Muchow, Wittfogel, Voegelin); zu den Abgrenzungsproblemen s. auch bei Ch. Bühler.
Der Katalog dokumentiert insofern 38 Biographien von Personen, die nicht als verfolgte Sprachforscher anzusehen sind. Es sind gewissermaßen Kontrastbiographien, die die Komplexität des Feldes deutlich machen.
Mit diesem Katalog sind also 315 Biographien Verfolgter, davon 308 Sprachforscher, dokumentiert. In Maas (2016) werden die fachlichen Arbeitsfelder dieser Personen statistisch aufgefächert, die in den Einträgen des Katalogs genauer charakterisiert werden.
[1] Der Terminus Sprachforscher im Titel des Werks ist selbstverständlich im traditionellen Sinne als sexus-unterspezifiziert zu verstehen: wo es der Kontext verlangt, werden spezifische Termini wie Sprachforscherin(nen) benutzt.
[2] Insbesondere die in London erschienenen List of displaced scholars (1936), Nachträge (1937 u.ö.). Genaueres dazu in Maas (2016).
Einschränkung deutschsprachig
Die Einschränkung deutschsprachig hat beim Katalog primär eine arbeitsökonomische Funktion: sie soll dessen Ausweitung verhindern, die sonst nicht mehr zu bewältigen gewesen wäre. Zu den komplexen Verhältnissen, die hier abzuklären sind, s. Maas (2016). Deutsch wird hier im weiten Sinne einer Sprachkultur und Traditionsgemeinschaft verstanden, die nicht mit politischen Grenzen kongruent ist. Ein besonderer Fall ist hier Böhmen/Tschechien, wo im 19.Jhd. eine nationale Umorientierung erfolgte, die Deutsch zu einer Minderheitensprache machte. Besondere Verhältnisse fanden sich in Prag und seiner Deutschen Universität. Nicht nur wegen der geographischen Nähe bestand hier eine enge Beziehung zu Österreich bzw. Wien, mit der Folge einer großen Mobilität, ggf. auch der Migration, s. bei Freud, Jokl, Pokorny, Steiner, O. Stein, F. Slotty, Naumann, Matouš, Haas, Hirsch, Husserl, Fahrner, Deutsch, Flusser, Prokosch, Schnitzler, s. auch Garvin.
In Osteuropa war auch für Sprecher des Jiddischen (mit Jiddisch als Familiensprache) in der Regel Deutsch die Bildungssprache, die schon für die Sozialisation den Horizont bildete. In diesem Sinne sind in den Katalog diejenigen aufgenommen, die sich in ihrer wissenschaftlichen Praxis in diesem Horizont bewegten, wie ihre spätere Publikationen zeigten, s. bei Blau, Leslau, Modrze, Schaechter, Storfer, M. Weinreich, s. außerdem für die (angenommene) jiddische Familiensprache U. Weinreich, Fuks. Auch hier findet sich eine detailliertere Darstellung in Maas (2016).
Nicht aufgenommen sind Wissenschaftler, die nur einen vorübergehenden Aufenthalt in Deutschland hatten, gegebenenfalls verbunden mit einer befristeten Lektorentätigkeit oder dgl. Erst recht gehören nicht hierher die während des Kriegs nach Deutschland Deportierten, die auch in diesem Sinne nicht als deutschsprachig anzusehen sind – unabhängig von der Frage ihrer Deutschkenntnisse.[1]
Spiegelverkehrt dazu sind aber alle hierher gerechnet worden, die im Reich regulär eingewandert waren und hier ihre wissenschaftliche Karriere bestritten: sie waren schließlich von den gleichen Sanktionen betroffen wie ihre Leidensgenossen mit deutscher Staatsangehörigkeit wie z.B. Meriggi, vgl. auch die komplexen Fälle von Tiktin oder Trubetzkoy (der die österreichische Staatsbürgerschaft hatte). Wie problematisch diese Zuordnungen sind, wird deutlich, wenn man die Biographien der nicht in Deutschland bzw. Österreich Geborenen daraufhin betrachtet. Selbst wenn man Schlesien, Danzig und Ostpreußen zeitgenössisch zu Deutschland rechnet, wird man es beim Elsaß oder Posen nicht mehr ohne weiteres tun können; ähnlich ist es bei Österreich mit den alten k.u.k. Gebieten (Tschechien, Galizien, Rumänien u.a.). Ein besonderes Problem stellt sich schließlich bei den Deutschschweizern, die hier mitgerechnet werden (z.B. Debrunner).
Für die Zuordnung kann in den kritischen Fällen nur die (Bildungs-)Sprache ausschlaggebend sein, s. in diesem Sinne im Katalog
Argelander-Rose, Arndt, Austerlitz, Bacon, Ben-Hajjim, Bin-Nun, Blau, Bliss, Brauner-Plazikowsky, Brunner, Buck-Vanioğlu, Debrunner, Deutsch, Eisler, Erkes, Fahrner, Falk, Flusser, Freud, Von Fritz, T. Fuchs, Fuks, B. Geiger, Gelb, M. D. Goldman, E. Goldmann, Goldschmidt, Grumach, Haas, Haloun, Herzog, Hirsch, R. Hoenigswald, Husserl, Jokl, Jordan, R. Kahane, P. E. Kraus, F. E. A. Krause, Von Künssberg, Lahmann-Pietrkowski, Landsberger, Leibowitz, Leslau, E. M. Lüders, Malkiel, Matouš, Meriggi, Misch, Mittwoch, Naumann, Olschki, Peters, Pick, Plessner, Pokorny, Polotsky, Prokosch, Ramberg-Figulla, Reichardt, Schaechter, Scherman, E. Schlesinger, Schnitzler, A. Sperber, O. Stein, R. A. Stein, Steiner, Steuerwald, Storfer, Tille-Hankamer, Trubetzkoy, Tur-Sinai, M. Weinreich, U. Weinreich, H. Wilhelm, Woskin-Nahartabi.
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[1] Einige solcher Fälle wie z.B. der Nordist Didrik Arup Seip (aus Norwegen) oder der Sinologe Henry Maspéro (aus Frankreich) werden in Maas (2016) diskutiert; s. dort auch zu Fällen wie Roman Jakobson (aus Rußland), der u.a. an der Deutschen Universität in Prag promovierte und auch auf Deutsch publizierte.
Navigationsmöglichkeiten in der Datenbank
Für die Arbeit mit der Datenbank sind eine Reihe von Hilfestellungen installiert. Generell erscheinen Passagen mit Verknüpfungsoptionen farbig anders markiert: Anklicken führt zu den entsprechenden Stellen.
• Anmerkungen sind in den Texten durchgezählt und in eckige Klammern gesetzt. Bei diesen führt ggf. das Anklicken der jeweiligen Nummer wieder zur Textstelle zurück;
• Verweise auf andere Einträge sind über die Namen verknüpft, die blau markiert sind und (meist) in Kapitälchen erscheinen;
• ebenso ist es bei öfters verwendeten bibliographischen Angaben, die in einem Literaturverzeichnis gesammelt sind (nur einmal vorkommende Literaturangaben sind nur in den Texten aufgeführt, i.d.R. in Anmerkungen).
Diese Verknüpfungen müssen allerdings auch noch wieder neu aufgebaut werden.
Installiert ist eine Suchfunktion, mit der für Textpassagen, Schlüsselwörter u.a. in der Datenbank gesucht werden kann.